Tichys Einblick
Öffentlich-Rechtlicher Rundfunk auf Abwegen

Manipulative Grafik zur Wirksamkeit von FFP2-Masken: Scharfe Kritik von Wissenschaftlern an BR24

In die Debatte um eine neue Maskenpflicht ergreift der Bayerische Rundfunk deutlich Partei – mit einer Grafik, die eine veraltete Studie grob irreführend darstellt. Der renommierte Virologe Jonas Schmidt-Chanasit kommentiert: „Von seriöser Wissenschaftskommunikation erwarte ich etwas anderes.“

Collage aus IMAGO / Ulrich Wagner und Screenshot Twitter (BR24)

Die Debatte um eine neue Maskenpflicht spitzt sich zu. Justizminister Buschmann widersprach Vorstößen aus dem Gesundheitsministerium für eine Maskenpflicht im Herbst und Winter vorsichtig mit dem Verweis auf die Ergebnisse der Evaluierung der Corona-Maßnahmen, welche vom zuständigen Expertengremium Ende Juni vorgelegt werden soll. Diese solle erst einmal abgewartet werden.

Doch allein gegen das Abwarten einer solchen Evaluierung werden nun schwere rhetorische Geschütze aufgefahren. Ärztepräsident Montgomery sagte gegenüber den Funke-Medien, dass es den Gegnern einer starken gesetzlichen Regelung „nicht um Medizin und Schutz der Menschen vor Krankheit, Leid und Tod“ gehe. „Ihnen geht es ausschließlich um wirtschaftliche Interessen, verbrämt mit einem absoluten Freiheitsbegriff, der den Schutz vernachlässigt“, so der Radiologe.

Einen treuen Unterstützer in der Herbeischreibung restriktiver Maßnahmen finden Lauterbach & Co. auch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. BR24 ergreift auf Twitter klar Partei. Dort schreibt das Social Media Team: „Justizminister Buschmann ist bei einer Wiedereinführung der Maskenpflicht weiter skeptisch. Diese müsse ‚evidenzbasiert und verhältnismäßig‘ sein.“ Dazu zeigt man folgende Grafik, die die Wirksamkeit von FFP2-Masken darstellen soll: 

Die Grafik wird im Netz tausendfach geteilt. Einmal davon abgesehen, dass der Kommentar zu der Grafik alles andere als politisch neutral ist – und damit dem Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks widerspricht. Die Grafik ist auch alles andere als evidenzbasiert oder wissenschaftlich.

Denn die Studie des Max-Planck-Insitute for Dynamics and Self-Organization, auf die hier bezogen wird, wurde im Dezember 2021 veröffentlicht und bereits im Juni 2021 beim Wissenschaftsmagazin PNAS eingereicht. Die Daten beziehen sich also bestenfalls auf die Delta-Variante oder sogar noch frühere, das wird nicht klar aufgeschlüsselt. Aktuell können sie jedenfalls nicht sein.

Die Studie hat dabei auch keine tatsächlichen Lebenssituationen oder Ausbreitungswege untersucht, sondern ist im Labor entstanden. Grundlage ist dabei eine von den Physikern selbst konstruierte Modellierung für eine theoretische maximale Ansteckungsgefahr. Tatsächlich dürfte die Ansteckungsgefahr teils um bis zu das 100-fache geringer sein, das geben auch die Autoren der Studie selbst zu bedenken. In der Studie heißt es: „Aufgrund der Komplexität der Übertragung von Krankheiten in der Luft ist es jedoch schwierig, ihre Wirksamkeit zu quantifizieren, insbesondere bei Eins-zu-Eins-Exposition. Hier stellen wir das Konzept einer Obergrenze für die Eins-zu-Eins-Exposition gegenüber infektiösen menschlichen Atemwegspartikeln vor und wenden es auf SARS-CoV-2 an.“

Die Angabe der Prozentsätze durch BR24 mit der Formulierung „Angabe des Sars-Cov-2-Ansteckungsrisikos in Prozent“ ist in diesem Fall grob irreführend. Hier wird eine rein theoretische Modellierung zur einer realen Studienlage umgedichtet. Die Studie geht zudem von optimaler Tragweise der Masken aus – Studien belegen aber, dass die große Mehrheit in Deutschland FFP2-Masken grob falsch trägt (TE berichtete).

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Gesundheitsgefahr durch Staatszwang: Mehrheit der Deutschen trägt FFP2-Masken viel zu lang
Die in der Grafik von BR24 genannte Zahl einer 90-prozentigen Ansteckungswahrscheinlichkeit bei wenigen Minuten räumlicher Nähe im Abstand von drei Metern erscheint kaum realistisch – und wird auch von Untersuchungen in realen Situationen nicht bestätigt. Sollte es zudem tatsächlich eine solche Reduktion der Ansteckungsgefahr geben, wie hier beschrieben, müsste diese sich ja direkt in den Infektionszahlen von Gebieten zeigen, die eine Maskenpflicht verhängt haben.

Indes finden Untersuchungen, die die tatsächliche epidemiologische Bedeutung von Maskenpflichten untersuchten, kaum einen Effekt. Eine Studie der University of Louisville untersuchte etwa die staatlichen Corona-Daten bis ebenfalls Mitte 2021 der USA nach Regionen, in denen eine Maskenpflicht verhängt wurde. Ergebnis: Eine Maskenpflicht konnte die Ausbreitung von COVID-19 wahrscheinlich gar nicht verlangsamen. (TE berichtete).

Tatsächlich lässt sich weder in Deutschland noch im Vergleich der US-Bundesstaaten ein erheblicher positiver Effekt einer Maskenpflicht nachweisen – auch nicht, wenn sogar zum Tragen einer FFP2-Maske verpflichtet wurde. Genau diese Frage untersucht ja auch der Evaluierungsbericht, der zu Ende Juni vorgelegt werden soll. Doch diesen will man aus unerfindlichen Gründen nicht abwarten.

Die Reaktionen auf den BR24-Post fallen vernichtend aus. Der Virologe Jonas Schmidt-Chanasit kommentiert: „Von seriöser Wissenschaftskommunikation erwarte ich etwas anderes.“ Und: „Alle zuständigen wissenschaftlichen Fachgesellschaften raten davon ab, FFP2 Masken verpflichtend auf Bevölkerungsebene zu verwenden.“

Der Datenwissenschaftler Daniel Haake schreibt: „Sie wissen, dass die Studie keine Real-Life-Untersuchung war, sondern eine Modellierung mit Annahmen? Das hat relativ wenig mit Evidenz zu tun. Zumal dort nach einigen Minuten 90% Infektionsrisiko angegeben wird, obwohl Haushaltsuntersuchungen mit engem Kontakt über Tage nur eine Übertragung auf 30 – 40% der anderen Haushaltsmitglieder kommen. Das widerspricht sich etwas.“

Es ist nicht der erste Fall, bei dem der öffentlich-rechtliche Rundfunk versucht, mit extrem verkürzten und plakativen grafischen Darstellungen Stimmung für eine restriktive Corona-Politik zu machen (etwa hier). Einer evidenzbasierten Debatte ist dies sicherlich nicht dienlich.

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