Tichys Einblick
Im späten Herbst ihrer Existenz

Auch ein Merz macht keinen CDU-Frühling

Nach wie vor schwadroniert auch die heutige CDU-Spitze von den „goldenen“ Merkel-Jahren. Sie verdrängt, dass kein Kanzler der Bundesrepublik, kein Brandt, kein Schröder, Deutschland so geschadet hat wie Merkel.

Friedrich Merz, CDU/CSU-Fraktionschef, mit Bundeskanzler Olaf Scholz im Deutschen Bundestag, 19.05.2022

IMAGO / Political-Moments

Die CDU hat mögliche Erntemonate, sprich: Wahlen, versaubeutelt, sie befindet sich in ihrem späten Herbst, nicht in einem „goldenen Oktober“, sondern am Übergang zu frostigen Zeiten. Da macht selbst ein Merz keinen Frühling mehr, auch wenn sich Beta-Tiere der zweiten CDU-Reihe noch so grün geben. In der Opposition angekommen ist die CDU jedenfalls immer noch nicht. Denn sonst würde sie die „Ampel“ vor sich hertreiben und fragen: Wie ist es mit der Staatsverschuldung, was tut ihr gegen die Inflation?

Aber blicken wir zunächst zurück, denn erst dann wird klar, was die Probleme der CDU sind. Ihr Spätherbst begann spätestens 2017, als es die braven Merkel-Adepten Bouffier, Strobl, von der Leyen, Klöckner und Co. nicht schafften, nicht schaffen wollten, zu sagen: „Mutti, genug ist genug!“ Und als die 1.001 Parteifunktionäre untertänigst Merkels Personaltableaus abnickten, indem sie erst eine restlos überforderte Kramp-Karrenbauer und dann einen profillosen Laschet in den Sessel des CDU-Chefs hievten und letzteren zum Kanzlerkandidaten kürten. Alles nur zu dem Zweck, Merz zu verhindern.

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Bis heute hat es freilich auch die mittlerweile von Merkel-Intimgegner Friedrich Merz geführte CDU nicht geschafft, Merkels katastrophales Vermächtnis aufzuarbeiten oder sich wenigstens davon zu distanzieren. Siehe die EU-Schuldenunion, den Atomausstieg, die Energieabhängigkeit von Russland, die 5G-Netzabhängigkeit von China, den Verfall der Bundeswehr, das Aussetzen der Wehrpflicht, die offenen Grenzen, den Import von Ungebildeten und archaisch Geprägten ins deutsche Sozialsystem, die Aushöhlung des Asylrechts, die Instrumentalisierung des Bundesverfassungsgerichts, die Missachtung des Souveräns beziehungsweise dessen parlamentarischer Repräsentanz und damit die Missachtung der Gewaltenteilung, die klammheimliche Entwertung der Begriffe Volk und Nation, die Ausweitung des Familienbegriffs, die Vermischung von Partei- und Staatsamt. Obendrein ist die CDU nicht willens (intellektuell wohl auch nicht in der Lage), die fortschreitende kulturmarxistische Transformation der Gesellschaft zu einem bunten, „woken“, dekarbonisierten, grenzenlosen, nach allen Seiten liebevollen, gendergerechten, aber bedeutungslosen Miniteilchen einer One-World-Vision auch nur zu benennen, geschweige denn anzuprangern und gegenzusteuern.

Nicht einmal die Tatsache, dass Deutschlands oberstes Gericht die vormalige Kanzlerin soeben rügte, weil sie sich als Amtsperson in die Ministerpräsidentenwahl in Thüringen eingemischt hatte, ließ die CDU auf Distanz zu Merkel gehen. Wohl noch nie zuvor freilich musste sich ein bundesdeutscher Regierungschef vom höchsten deutschen Gericht (wenn auch nur mit 5:3 Richterstimmen) maßregeln lassen. Dennoch ein ungeheuerlicher Vorgang. Und ein gefundenes Fressen für die AfD beziehungsweise deren Selbstpflege als Opfer.

Die CDU ließ sich fesseln von der AfD

All dies hat viel mit dem irrationalen Umgang der CDU mit der AfD zu tun, die der Union ab 2013 in Bund und Ländern Hunderttausende an Wählerstimmen wegnahm. Das schmerzt. Aber statt die AfD programmatisch knallhart zu stellen, beschimpft man direkt oder indirekt die Wähler der AfD, also zu Hunderttausenden vormalige CDU-Wähler. Überhaupt hat die CDU (auch die CSU) noch keinen Modus gefunden, mit der AfD umzugehen. Karikierend dargestellt: Sagt die AfD „2 + 2 = 4“, dann sagt die CDU bestimmt: „Das machen wir nicht mit.“ Klar, aus der AfD hört man viel, auch zunehmend Dummes und viel Skandalöses. Aber das kann nicht heißen, dass sich die CDU quasi in eine babylonische Gefangenschaft der AfD gibt, indem sie um jeden Preis Opposition gegen die AfD macht und damit implizit doch wieder in eine dann ganz große „Ampel“ mit schwarzen Einsprengseln einschert.

Nehmen wir drei Beispiele, die zeigen, wie sich die CDU von der AfD de facto an der Nase herumführen lässt.

Beispiel 1: Die AfD stellte im Bundestag den Antrag, ins Grundgesetz solle als Absatz (3) des Artikels 22 der Passus aufgenommen werden: „Die Sprache der Bundesrepublik ist Deutsch.“ Die AfD bemühte dazu exakt die Argumentation der CDU, die auf ihrem Parteitag vom November 2013 in Stuttgart mit überwältigender Mehrheit und mit Unterstützung von Bundestagspräsident Lammert (aber gegen den Willen Merkels) ebendiese Ergänzung des Grundgesetzes gefordert hatte. Am 2. März 2018 fand dazu im Bundestag eine Debatte statt. Der Antrag der AfD wurde erwartungsgemäß abgelehnt, auch von der CDU/CSU. Deren Sprecherin Gitta Connemann warf der AfD „Deutschtümelei“ vor.

Beispiel 2: Im Mainzer Landtag stellte die AfD den Antrag, den Schulen die Gender-Sprache zu untersagen. Am 19.Januar 2022 fand dazu eine Debatte im Landtag statt. Die CDU-Sprecherin Marion Schneid positioniert sich gegen den AfD-Antrag, nannte ihn „populistisch“ und meinte, es gebe wichtigere Probleme in diesem Land als die Frage um Gender-Stern und Co. Was macht die CDU am Ende? Sie stimmt mit der dortigen „Ampel“ gegen den AfD-Antrag und fällt den Schulen in den Rücken.

Beispiel 3: Im Thüringer Landtag wollte die CDU Anfang Juni 2022 einen Antrag zu einem Mindestabstand von 1.000 Metern zwischen Windrädern und Wohngebieten einbringen. Weil der CDU-Antrag vermutlich erfolgreich gegen die Minderheitskoalition des Ministerpräsidenten Ramelow durchgegangen wäre, nämlich mit Stimmen der AfD und der FDP, zog die CDU den Antrag zurück. Sie fürchtete, erneut eines „Tabubruchs“ gegenüber der AfD bezichtigt zu werden.

Wie steht es um die ideelle und personelle Lage der CDU?

Nach wie vor schwadroniert auch die heutige CDU-Spitze von den „goldenen“ Merkel-Jahren. Sie verdrängt, dass kein Kanzler der Bundesrepublik, kein Brandt, kein Schröder, Deutschland so geschadet hat wie Merkel. Zu tun hat dies nach wie vor mit den Merkelianern, die seit der Bundestagswahl 2021 und seit den jüngsten Landtagswahlen fester im Sattel sitzen als zuvor. Siehe Daniel Günther in Schleswig-Holstein! Siehe die Tatsache, dass so ziemlich alle eigenständigen Köpfe der alten CDU-Bundestagsfraktion ihr Mandat verloren oder nicht mehr antraten: Arnold Vaatz, Sylvia Pantel, Hans-Jürgen Irmer …

Nicht einmal zur jüngsten Wahl eines Bundespräsidenten – Merz war schon CDU-Vorsitzender – brachte die CDU einen eigenen Kandidaten auf die Beine. Und so wählte man artig den Schröder-Merkel-Mann Steinmeier ein zweites Mal ins Amt. Präsident Peinlich, Putin-Versteher, Iran-Versteher, Feine-Sahne-Fischfilet-Antifa-Sympathisant nennen ihn mittlerweile viele hinter vorgehaltener Hand.

Generaldebatte im Bundestag
Merz versagt gegen den Nebelwerfer Scholz
Nun ergrünt die CDU von den Ländern her. Daniel Günther will mit den „Grünen“ koalieren, wiewohl es für eine CDU/FDP-Koalition reichte. Aber Günther will es „links“ haben, nicht umsonst hat er nach seinen Empfehlungen an ostdeutsche CDU-Landesverbände, sogar mit der Links-Partei zusammenzuarbeiten, den Spitznamen “Genosse Günther“ bekommen. Seine CDU-Linke Prien sitzt Merz zudem als dessen Vize im Nacken. In NRW ergrünt Hendrik Wüst, er wird zum schwarzen Chef einer grünen Politik. Statt Bekämpfung der Clankriminalität (so noch die Absicht im CDU-Wahlprogramm) geht es dort jetzt zum Beispiel um den Kampf gegen Rechtsextremismus als der angeblich „größten Gefahr für unsere Demokratie“.

Und dann kommt plötzlich ein Armin Laschet um die Ecke. Die türkischstämmige Links-Aktivistin Ferda Ataman (43) soll Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes werden. Sie ist bislang vor allem mit gehässigen Äußerungen gegen Deutsche, „Ureinheimische“ nennt sie sie, aufgefallen. Sie will nicht nachvollziehen, warum sich die Geschmähten nicht als „Kartoffel“ bezeichnen lassen möchten. So schrieb sie in einem verquasten Text auf „Spiegel online“ am 23. Januar 2020.

Und dann das Seltsame: Ferda Ataman ist Laschets Ziehkind. Dass Laschet das so sieht, bestätigte er am 16. Juni auf Twitter mit einem überschwänglichen Glückwunsch an die Duz-Freundin: „Liebe Ferda Ataman, ich gratuliere dir aus vollen (sic!) Herzen zur Berufung als neue Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung. Das hast du wirklich verdient. Deine jahrelange Arbeit kannst Du jetzt optimal einsetzen für Vielfalt in unserem Land. Viel Erfolg!“

Als Hintergrund sollte man wissen: Der damalige NRW-Integrationsminister Laschet hatte die zu diesem Zeitpunkt 26-jährige Ferda Ataman unmittelbar nach Erwerb ihres Diploms 2005 als Redenschreiberin engagiert. BILD fragt jetzt zu Atamans Berufung nicht zu Unrecht: „Wie viel Hass steckt in der Anti-Hass-Beauftragten?“ Mit solchen CDU-„Freunden“ wie MdB Laschet funktioniert Opposition natürlich nicht.

CDU-„Grundwertecharta“ – Ist das die Zukunft?

Nun will man mit einer CDU-„Grundwertecharta“ vorankommen. Vollmundiger als mit „Charta“ geht’s wohl nicht. Schließlich assoziiert der halbwegs Gebildete mit Charta die „Magna Charta“ (1215) oder die UN-Charta (1945) oder die EU-Grundrechtscharta (2000). Bis 2024 will man aus der „Grundwertecharta“ ein neues CDU-Grundsatzprogramm zimmern. „Bürgerlicher“ will man werden, wertgebunden will man sein, konservativ, sozial, liberal, weltoffen und christlich. Das klingt 1:1 nach Merkel‘scher Wendigkeit. „Mal bin ich liberal, mal bin ich konservativ, mal bin ich christlich-sozial.“ So formulierte es Merkel bei „Anne Will“ im März 2009.

Eine „Aufbruchserzählung“ wird gesucht, sagt Programm-Chef Carsten Linnemann. Aber ist Merkel-Diktion Aufbruch? Und dann erst das Thema Gleichstellung versus Gleichberechtigung: Die Kampffrauen der CDU wollen Gleichstellung, nicht nur Gleichberechtigung. Sie wollen Quote. Gut, sollen sie doch machen, dann wird wenigstens die reichlich seltsame Frauen-Union überflüssig. Oder kommt dann eine Männer- und Divers-Quote?

Nein, bleiben wir ernsthaft und fragen zum Schluss: Ist die CSU ein Korrektiv? Nein, sie ist es nicht. CSU-Chef Markus Söder fährt nicht gerade berauschende Wahl- und Umfrageergebnisse ein. Und wer Söders Wendigkeit kennt (siehe seine Drehungen in Sachen Windräder oder in Sachen Kruzifixe in öffentlichen Räumen), weiß, worauf man sich bei ihm verlassen kann. Auf nichts!

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