Deutschland ist bekannt für seine traditionsreichen Unternehmen. Von Siemens bis Volkswagen, von Kühne bis Villeroy & Boch. Viele Firmen können auf eine lange Geschichte zurückblicken, voll Höhen, aber auch Tiefen.
All diese Unternehmen, die Werte erschaffen, wurden irgendwann einmal gegründet. Sie waren einst ein Start-up. Doch vorbei die Zeiten, vorbei der Gründergeist, den es in Deutschland gegeben hat, er scheint verflogen: Seit 2011 hat sich die Zahl der Unternehmensgründungen in Deutschland von 401.500 auf gut 239.500 im Jahr 2021 fast halbiert.
Der Unternehmer und Vortagsredner Martin Limbeck beobachtet diese Situation seit Jahren: „Die Deutsche Mittelschicht ist zu satt und selbstzufrieden“, sagte er während eines TV-Auftritts. So seien viele nicht willens, die „Extrameile“ zu gehen, sich also mehr als durchschnittlich um Erfolg zu bemühen.
Wertschöpfung geht ins Ausland
Die Bundesregierung hat dieses Problem erkannt und legt nun ein Strategiepapier vor. Laut Anna Christmann, der Start-up-Beauftragten des Wirtschaftsministeriums, geht der Entwurf „die größten Baustellen“ an. Das Ziel: Deutschland soll Treiber eines europäischen Start-up-Standorts werden.
Daher möchte Wirtschaftsminister Habeck erwirken, dass Rentenversicherer und Pensionskassen in Start-ups investieren dürfen. Die Verlockung ist groß, dass das die Kassen tun werden, da Investments in junge Unternehmen höhere Erträge abwerfen – wenn es denn klappt. Höhere Zinsen auf den geliehenen Euro heißt jedoch auch immer höheres Risiko. Viele Start-ups werden auch wieder vom Markt verschwinden. Das hieße dann auch in vielen Fällen: Kapitalverlust der Versicherer.
Gefahr von ideologischen Investitionen
An dem Strategiepapier ist besonders die politische Gewichtung interessant. Es kommt Habeck nicht nur auf die finanzielle Rendite an, sondern auch darauf, welchen Beitrag Unternehmen zur Lösung gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und ökologischer Probleme leisteten. So wird unterstellt, dass „grüne Gründungen wichtige Impulse“ für die Gesellschaft setzen würden.
Die Gefahr besteht, dass das Wirtschaftsministerium aus ideologischen Gründen geneigte Unternehmen auf Kosten der Rendite bevorzugt. Doch profitable Investitionen sind die Voraussetzungen für stabile und steigende Renten, wenn Kassen und Versicherer in Start-ups investierten. „Grün“ ist kein Wert an sich, schon gar kein unternehmerischer. Der Verdacht drängt sich auf, dass hier Unternehmen mit dem Geld staatlicher Institutionen gefördert werden die privaten Geldgebern zu riskant erscheinen. Zu oft klaffen grün angestrichene Verheißung und wirtschaftliche Realität weit auseinander. Facebook, Google, Apple oder Amazon jedenfalls waren nie „grüne“ Investments; damit werden wirkliche Chancen für die Investoren von vornherein ausgeschlossen. Das zumindest vorübergehend erfolgreichste Start-up war in Berlin „Rocket Internet“ mit Zalando und anderen E-Commerce-Ablegern. „Grün“ war es nie.
Offensichtlich soll Geld in staatlich gewollte Vorhaben gelenkt werden, oder in Unternehmen, deren Lobbyisten besonders erfolgreich sind – die Beiträge, die eigentlich Rentnern und Pensionären zu Gute kommen sollen werden in wenig aussichtsreichen Phantasieprojekten verbrannt. Ein bedrohliches Beispiel ist das Biotechnologie-Unternehmen Curevac: 300 Millionen Euro pumpte 2021 der damalige Wirtschaftsminister Peter Altmaier in das Unternehmen, das angeblich einen Corona-Impfstoff erfunden hatte. Andere waren schneller, ihre Wirkstoffe effizienter, nur das Steuergeld ist futsch. Offensichtlich hatte Altmaier sich von den Altaktionären über den Tisch ziehen lassen und ihnen die Aktien vergoldet: Finanzmärkte sind eben etwas zu kompliziert für Wirtschaftsminister.
Wie verdächtig der Vorschlag ist, wird deutlich, wenn man sich die Details ansieht. Mit der Einführung der sogenannten Aktienrente soll es auch eine Mindestinvestitionsquote in Risikokapitalfonds beinhalten. Auch das ist ein falscher Anreiz: Wenn es keine geeigneten Investitionsobjekte gibt muss also trotzdem investiert werden – dann eben in wenig aussichtsreiche Unternehmen? Das bedeutet, dass der Staat einen Teil der gesetzlichen Rentenbeiträge in wenig aussichtsreiche Start-ups investiert. In dem Entwurf ist von 10 Milliarden Euro für Aktienrente die Rede. Dabei gäbe es auch Alternativen: Investitionen in Anlagevehikel erfolgreicher und professioneller Fonds mit erfahrenem Management statt staatlich beeinflußter Pfusch-Gremien zur Geldverbrennung.
Positiver Effekt unklar
Ob der Entwurf zum großen Wurf wird? Ob eine Geschäftsidee das Zeug zum Erfolg hat ist schwer zu beurteilen; Beamte und Politiker sowie Verbandsfunktionäre sind dazu nicht geeignet. Spezialisierte Fonds und ihre Manager sind die Wettbewerber auf diesem Markt riskanter Anlagemöglichkeiten und der Verdacht liegt nahe: Die Profis sammeln die Perlen ein; was noch übrig bleibt wird grün angestrichen und erhält die Beiträge der Rentner bis zur erwartbaren Pleite. Noch spielen Start-ups in Deutschland eine untergeordnete Rolle: Lediglich eine halbe Millionen Menschen arbeiten in jungen Unternehmen. Nicht nur am Geld mangelt es – auch an der Bereitschaft, Fähigkeit und dem Willen zur Gründung am Standort Deutschland mit seiner erdrückenden Bürokratie, würgender Regulierung und unternehmensfeindlichen Besteuerung. Ob so aus dieser Gesellschaft aufgrund der Bemühungen von Habeck in Zukunft Firmen wie Siemens oder Volkswagen hervorgehen, ist mehr mehr als fraglich. Ziemlich sicher ist nur, dass auf diese Weise Aufsichtsratspöstchen für Politiker entstehen.
Julian Marius Plutz