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Durchsuchungen

Greenwashing bei der DWS – Jetzt hat auch die Fondsindustrie ihren Dieselskandal

Am Dienstag bekamen die Deutsche Bank und ihre ebenfalls börsennotierte Beteiligung DWS Besuch von Staatsanwaltschaft, Finanzaufsicht (Bafin) und Bundeskriminalamt (BKA).

IMAGO / Hannelore Förster

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft waren etwa 50 Einsatzkräfte von Staatsanwaltschaft, Finanzaufsicht (Bafin) und Bundeskriminalamt (BKA) an der Durchsuchung der Frankfurter Zentrale des größten deutschen Geldhauses sowie im benachbarten Hauptquartier der DWS beteiligt. Nach Angaben einer Sprecherin gehe es um den Verdacht des Kapitalanlagebetrugs, die Ermittlungen liefen seit Mitte Januar 2022. Die Deutsche Bank ist mit knapp 80 Prozent Hauptaktionär der im SDAX gelisteten DWS und reagierte auf die Razzia mit einer wichtigen Personalentscheidung: DWS-Chef Asoka Wöhrmann wird sein Amt mit Ablauf der Hauptversammlung am kommenden Donnerstag (9.6.) niederlegen.

Seit längerem steht die Anschuldigung im Raum, die DWS habe Finanzprodukte als nachhaltig deklariert, obwohl sie es gar nicht waren, und damit Kapitalanlagebetrug begangen. Publik gemacht hatte die Vorwürfe noch während ihrer Probezeit die damalige Nachhaltigkeitschefin Desiree Fixler, die Wöhrmann daraufhin im März 2021 entließ. Fixler klagte danach gegen ihre Kündigung, verlor aber vor dem Frankfurter Arbeitsgericht. Im Gespräch mit der Neuen Zürcher Zeitung konnte sie nach den Durchsuchungen ein Triumphgefühl nicht ganz verbergen: Wöhrmanns Rücktritt sei „positiv für das Unternehmen und den Markt für nachhaltige Finanzprodukte“.

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Dass etwas in Sachen Nachhaltigkeit bei der DWS nicht ganz stimmt, hätten aufmerksame Beobachter bereits bei der Vorlage der Bilanz für das Jahr 2021 am 27. Januar merken müssen. Doch die Tatsache, dass die DWS in Ihrem Geschäftsbericht das Volumen der nach ESG-Kriterien verwalteten Kundenvermögen um 75 Prozent – von 459 auf 115 Milliarden Euro – reduziert hatte, ging weitgehend in den Nachfragen zu der von den europäischen Aufsichtsbehörden just Ende Januar eingeleiteten Untersuchung zu Fehlern in der Corporate Governance unter.

Wöhrmann selbst wies auf der Bilanzpressekonferenz alle Anschuldigungen zurück: „Seit April vergangenen Jahres waren DWS und ich selbst Ziel von vielerlei Angriffen“, sagte er damals. Diese Attacken hätten auf den Ruf der DWS sowie auf seine eigene Reputation abgezielt. „Ich weise alle diese Vorwürfe und Unterstellungen ausdrücklich zurück“. Auch Deutsche-Bank-Vorstandschef Christian Sewing stellte sich ausdrücklich hinter den Boss seiner Asset-Management-Tochter.

Die Geschichte des Falls Fixler begann im Januar 2020, als sich Wöhrmann und die attraktive amerikanische Bankerin über einen gemeinsamen Bekannten kennenlernten. Wenig später stellte der DWS-Chef die Nachhaltigkeitsspezialistin als „Group Sustainability Officer“ ein. In ihrer neuen Funktion stellte Fixler dann nach eigenem Bekunden fest, dass die Fondsgesellschaft ihre Anstrengungen im Bereich ESG wahrscheinlich stark übertreibt. Wie die diesjährige Korrektur im Geschäftsbericht zeigt, hatte Fixler zumindest mit ihrer Beanstandung recht, dass nur ein deutlich geringerer als der angegebene Teil des verwalteten Vermögens nach einem „ESG-Integrationsansatz“ verwaltet wurde. Zuweilen habe dieser Ansatz, heißt es aus DWS-Kreisen, auch zu überaus seltsamen Ergebnissen geführt: So erhielt der Mitte 2020 wegen Bilanzbetrugs in Konkurs gegangene im DAX gelistete Zahlungsdienstleister Wirecard vor seinem Untergang die zweitbeste Note für Governance, obwohl zu diesem Zeitpunkt längst in den Medien diskutiert wurde, dass es bei Wirecard in diesem Bereich schwere Mängel gab.

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Ihre Bedenken gegenüber dem ESG-Gebahren der DWS brachte Fixler seinerzeit gegenüber ihrem Mentor Wöhrmann zur Sprache, der davon aber nichts wissen wollte, sondern sie entließ. In einem internen Memo drehte Wöhrmann die Vorwürfe in Sachen ESG sogar um: „Es wurden zwar Fortschritte gemacht, doch die Geschäftsleitung ist der Ansicht, dass das Unternehmen noch mehr Zugkraft braucht.“ Fixler sah sich offensichtlich in ihrer Ehre verletzt und platzierte ihre Vorwürfe daraufhin beim „Wall Street Journal“, das diese genüsslich ausbreitete. Inzwischen hat sich gezeigt, dass die Aufsichts- und Strafverfolgungsbehörden die Vorwürfe ernst nehmen. Auch die amerikanische Finanzaufsicht SEC und das US-Justizdepartement haben begonnen, die Greenwashing-Vorwürfe zu untersuchen.

Ob aus dem Fall DWS tatsächlich ein Anlagebetrugsfall wird, steht allerdings noch in den Sternen. Zwar hat die EU mittlerweile eine sogenannte Taxonomie erlassen, aber da es nach wie vor an allgemeinverbindlichen Standards zur Erfassung und zur Berichterstattung von Daten zur Nachhaltigkeit von Unternehmen fehlt, befindet sich die Finanzbranche eigentlich im Blindflug. So wird auch die Erklärung der DWS – „wir haben in dieser Angelegenheit kontinuierlich und umfassend mit allen relevanten Regulierungsbehörden zusammengearbeitet und werden dies auch weiterhin tun“ – schwer zu widerlegen sein.

Einmal mehr ist jedenfalls klar geworden, dass die EU-Vorschriften nicht nur ins Leere laufen, sondern auch weitgehend widersprüchlich, wenn nicht sogar unsinnig sind. Zuletzt hat sich das besonders eindrucksvoll nach dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs gezeigt: Einige ESG-Fonds begannen plötzlich, auch Wertpapiere von Rüstungsunternehmen wie Rheinmetall auf ihre Kauflisten zu setzen – Titel, die sie jahrelang nicht mit der Kneifzange angefasst hatten. Ähnlich widersprüchlich ist die Anlagepolitk in Sachen Energie. Bei manchen Fonds ist Kernenergie ein „no go“, andere kaufen sie gerade wegen des Klimaschutzes. Am widersprüchlichsten ist das Anlageverhalten bei den Erdölkonzernen. Einige Fonds nehmen sie grundsätzlich nicht in ihre Portfolios auf, andere haben keine Bedenken, wenn die Unternehmen sich nur zu einer Reduktion ihrer Treibhausgasemissionen „bekennen“.

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„Bekennen“ ist dabei das richtige Stichwort; denn es zeigt die Problematik auf, mit der es die Investmentprofis zu tun haben. Eigentlich sollen sie Anlegern, die ihnen ihr Geld anvertrauen – zum Beispiel um für die Altersversorge einen Kapitalstock aufzubauen –, möglichst hohe Renditen einspielen. Gleichzeitg wird ihnen aber mit den ESG-Kriterien (ESG steht für Environment, Social, Governance; solche Anlageprodukte machen derzeit rund 35 Billionen Euro weltweit aus) die Verantwortung für das Erreichen einer vermeintlich besseren Welt aufgehalst, der sie gar nicht gerecht werden können. Dadurch dass die Kapitalanlage mit moralischen Nebenzielen überfrachtet wird, rückt das Hauptziel aus dem Fokus.

Anstatt nun aber konzertiert bei den Regulatoren aufzumarschieren und diesen Missstand anzuprangern, zogen es die Vorstände der Banken und Geldverwalter wie einst ihre Kollegen in den Automobilkonzernen vor, auf den grünen Zug zu springen und sogar mit dem Label „ESG“ zu werben. So wie in der Automobilindustrie illegale Abschaltvorrichtungen zur Erreichung der Grenzwerte montiert wurden, hangelt man sich nun mit fragwürdigen Beurteilungs-Schemata wie dem Best-in-class-Ansatz (dasjenige Unternehmen, das in seiner Branche am wenigsten Dreck am Stecken hat, wird als ESG-konform definiert) ins grüne Investoren-Paradies.

So wie die Dinge derzeit liegen, könnte die von Bundeskanzler Olaf Scholz verkündete Zeitenwende indes bald auch die Investmentbranche erfassen. Da Energiesicherheit, stabile Lebensmittelversorgung und Landesverteidigung wieder hoch im Kurs stehen, wird man auch die einschlägigen Investments wieder gutheißen müssen. Dann wird auch niemand mehr ein Greenwashing machen müssen.

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