Tichys Einblick
Ein persönliches Wort zu Pfingsten

Um die Vormacht in der Welt geht es, um Freiheit und Recht leider nicht

Ein weiterer Zyklus der Ideologie des Sozialismus, nunmehr in den Varianten USA und China setzt sich fort – Russland und EU sind da nur Beiboote, auch wenn viele in Westeuropa mehr denn je davon träumen, allein oder zusammen mit Russland in der Liga von USA und China mitspielen zu können.

Auf Geschichte und Zeitgeschehen schaue ich nun schon recht lange. „Gemeinsame westliche Werte“ habe ich noch nie am Werke gesehen. Diese Formel ist höflich formuliert Politlyrik, nüchtern gesagt Propaganda – Zeitgeistsprech: ein Narrativ.

Woodrow Wilson schickte die US-Truppen 1917 nicht nach Europa, um Großbritannien vor dem Verlust seiner Stellung als Weltmacht zu retten.

Nach dem Ersten Weltkrieg, den die Briten immer noch den „Großen Krieg“ nennen, nicht den Zweiten, übernahmen die Vereinigten Staaten von Amerika die Rolle der Weltmacht Nummer eins.

Franklin D. Roosevelt schickte die US-Truppen 1943 nicht nach Sizilien und 1944 nicht in die Normandie, um Italien und Frankreich von Hitler zu befreien – und Deutschland vom Nationalsozialismus, sondern um nach Hitler auch Stalin daran zu hindern, die Herrschaft in Europa zu übernehmen. Roosevelt hat Stalins Rote Armee natürlich nicht ausgerüstet, um den Sowjetkommunismus zu fördern, sondern damit Stalins Armee Hitlers Wehrmacht so dezimierte, dass die angelsächsischen Truppen mit dem Rest fertigwerden konnten.

Friede war nie

Was nach 1945 Kalter Krieg genannt wurde, war bei Lichte betrachtet ein unterminierter Waffenstillstand in Europa, der heiße Krieg wurde in Korea, Vietnam, Afghanistan und im Mittleren/Nahen Osten fortgesetzt – und zuletzt in der Ukraine, welche die USA natürlich ebenfalls ausrüsten, damit sie gegen Russland kämpfen kann, nicht aus Liebe zur Freiheit der Ukrainer. America First sagte Trump, gegolten hat das schon immer. Wobei es wichtig ist, dass die Weltmoral in der Ukraine wie damals gegen Hitler und anders als bei den Kriegen in Asien – wie in Afghanistan einst – gegen Russland als Aggressor steht: Das ist jenseits der immer beiderseitigen Propaganda entscheidend im Informationskrieg. Friede herrschte in der Welt noch nie: immer nur in wenigen begrenzten, zeitweise insofern glücklichen geografischen Räumen.

Dass in Europa mit der Implosion der Sowjetunion, die von vielen mit einem Sieg des Kapitalismus vulgo USA verwechselt wurde, die Illusion vom ewigen Frieden ausbrach, zeugt mehr vom Phänomen des Eurozentrismus als von allem sonst.

Washington schmiedet neue Allianzen an EU und Nato vorbei

Während alles auf die Blockade des Nato-Beitritts von Finnland und Schweden durch Erdogan starrt, sind die maßgebenden Stellen in den USA längst dabei, die Länder entlang der russischen Westgrenzen in lautlosen bilateralen Vereinbarungen zu einer geschlossenen Militärkette zu knüpfen von Finnland bis Bulgarien – bis Weißrussland und Ukraine auch dabei sind, ist eine Frage der Zeit, nicht des ob.

Dass Boris Johnson dieser Tage vorgeschlagen haben soll, in einem neuen Bündnis jene Länder zu vereinen, die mit der Politik der EU sowie mit dem Vorgehen Deutschlands als Reaktion auf Russlands Krieg in der Ukraine unzufrieden sind – wie unter anderem Polen, die Ukraine, Estland, Lettland und Litauen –, passt ins Bild. Seit September 2021 gibt es AUKUS, das trilaterale Militärbündnis zwischen Australien, dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten von Amerika, das sich vor allem gegen China richtet.

Die US-Strategen wissen, dass sie weder auf die EU noch die Nato zählen können, weil Paris, Berlin und Rom nur so tun, als würden sie gegen Moskau und Peking dabei sein, während sie sich hintenherum anders verhalten. Die US-Strategen wissen natürlich auch, dass es nützlich für sie ist, wenn Westeuropas Classe Politique in chronischer Selbstüberschätzung in Brüssel und sonstwo permanent mit sich selbst beschäftigt ist, während US-Rom handelt.

Der nächste Zyklus der Sozialismen

Auf dem Boden dieses Eurozentrismus, dem der Humus des Wohlfahrtsstaates ausgeht, wuchs die Grüne Religion von der unbegrenzten Steuerbarkeit der Natur und der grenzenlosen Änderbarkeit des Menschen. Womit ein weiterer Zyklus der Ideologie des Sozialismus, nunmehr in den Varianten US-Democrats und Chinas KP beginnt – Russland und EU sind da nur Beiboote, auch wenn viele in Europa mehr denn je davon träumen, allein oder zusammen mit Russland in der Liga von USA und China mitspielen zu dürfen: oder gar die vom Westen schon weitgehend aufgegebene abendländische Kultur mithilfe Russlands verteidigen zu können.

Vergesst es Leute, das Gefecht um die Welt-Vormacht machen die Mandarine in Washington und Peking unter sich aus, genauer: gegeneinander. Was Europa und seine einzelnen Länder da tun können? Sich für die Seite entscheiden, die für Europas Kultur, genauer: was von ihr übrig blieb, besser ist.

Tragen die Reste der Freiheit für einen Neuanfang?

Das ist der Grund, weshalb ich auf die Reste der alten amerikanischen Freiheiten in vielen seiner Bundesstaaten hoffe, nicht auf Washington, statt auf die Sphärenklänge der totalitären Regime in Moskau und Peking hereinzufallen.

Damit es allerdings um mehr geht als die Weltmacht Nummer eins, damit es um Lebensentwürfe von Freiheit und Recht hier – Unfreiheit und Sozialismus dort geht, muss die politische Auseinandersetzung in den einzelnen Ländern des Westens geführt werden, bevor es sich politisch nicht mehr lohnt, vom Westen zu sprechen.

Sie sagen, das ist eine zu einfache Weltsicht? Die Wahrheit ist immer einfach. Ich habe nicht vor, sie mir von wem auch immer verstellen zu lassen.

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