Nele ist 24 und bereut heute nichts mehr, als eine Transition vorgenommen zu haben. Transition bedeutet: der therapeutische und chirurgische Versuch, vom einen Geschlecht ins andere zu wechseln. Sie hasste ihren Körper, litt unter Essstörungen. Sie wollte raus aus sich und weg von ihrer Physis. Also band sie zunächst ihre Brüste ab und schor ihr Haar kurz.
„Ich war damals psychisch nicht in der Lage, eine solche Entscheidung zu treffen und ich finde, das hätte man erkennen müssen“, sagt Nele heute. Warum das die Psychologen nicht gesehen haben, bleibt rätselhaft.
Es werden Langzeitpatienten erschaffen
Nele ging in die Klinik und ließ sich ihre Brüste entfernen. Sie bekam Testosteron und verlor ihre hohe Stimme, was nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Ihre Hüften wurden schmal, ihre Klitoris wuchs. Sie dachte, sie hätte ihren Selbsthass damit überwunden und war zunächst glücklich. Doch das änderte sich, als sie ihre Freundin kennenlernte. Da lernte sie ihren weiblichen Körper lieben.
Geschichten wie die von Nele sind kein Einzelfall. Im feministischen Magazin Emma wird immer wieder von solchen Fällen berichtet. Jede Geschichte ist anders, doch vieles ähnelt sich. Und eines war immer gleich: Die Personen litten an einer psychischen Erkrankung. Nicht selten stellte sich am Ende heraus, dass die Transperson keine Transperson ist, sondern ein lesbisches Mädchen mit psychischen Problemen, das von Psychologen maximal falsch verstanden wurde. Nele und viele andere „Detranspersonen“ sind heute Langzeitpatienten.
Diesem Thema widmet sich auch die aktuelle Bundesregierung. Aus dem „Transexuellengesetz“ soll das „Selbstbestimmungsgesetz“ werden. Das Transsexuellengesetz sieht vor, dass verschiedene Gutachten vorgenommen werden müssen, bevor man das Geschlecht „ändern“ kann. Das Selbstbestimmungsgesetz sieht vor, dass jeder sein Geschlecht per Sprechakt ändern kann – und zwar einmal im Jahr. Diese Beliebigkeit ist kritisch zu betrachten und gefährlich, wenn man Fälle wie den von Nele ansieht.
Einigkeit zwischen Radikalfeministen und Konservativen
Viele Frauen kritisieren das Selbstbestimmungsgesetz, weil sie ihre Save Spaces in Gefahr sehen. Save Spaces sind in diesem Kontext sichere Räume wie Damentoiletten und Umkleiden, aber auch Frauenhäuser und nicht zuletzt Frauengefängnisse. Es gibt Fälle, in denen Frauen von Transpersonen in Gefängnissen vergewaltigt wurden und die dann schwanger wurden. In anderen Situationen fühlten sich Frauen bedroht, wenn ein Mann, der meinte, eine Frau zu sein, in Frauenhäusern Schutz suchte.
Die überwältigende Mehrheit von Gewalt an Frauen geht von Männern aus. Deswegen muss es Einrichtungen wie Frauenhäuser geben. Wie zynisch muss es für die Opfer sein, wenn in diesem scheinbar sicheren Raum plötzlich ein Mann erscheint, also ein potenzieller Täter?
Zum Thema „Selbstbestimmungsgesetz“ herrscht eine ziemlich deutliche Einigkeit zwischen Radikalfeministinnen (genannt Terf) und Konservativen, die sich beide Seiten vor einigen Jahren noch nicht hätten vorstellen können. Doch überraschend ist diese argumentative Allianz nicht: Radikalfeministinnen, eine genuin linke Bewegung, wollen in erster Linie Frauen schützen. Konservative wollen lieb gewonnene und bewährte Werte verteidigen.
Bewährte Werte verschwinden
Eine Welt ohne Werte ist im Wortsinn wertlos. Der Zeitgeist blamiert sich selbst und beschämt. Es ist banal und gefährlich, wenn jeder alles sein kann, so lange man nur fest daran glaubt. Man ist nicht mehr, man fühlt sich als jemand. Wenn der emotionale Zustand über biologische Tatsachen gestellt wird, besteht die Gefahr, dass die Entscheidung inkonsistent ist. Denn Gefühle müssen nicht beständig sein, sie ändern sich und sind oft irrational. Auch das zeigen Fälle wie die von Nele.
Das Selbstbestimmungsgesetz ist daher gefährlich. Es droht eine fundamentale Erosion unserer Wertegefüge. Und es droht, dass noch viele Geschichten, wie die von Nele, zu erzählen sein werden.
Julian Marius Plutz