Romulus der Große. Bei manchen wird da noch was klingeln. Etwas aus dem Deutschunterricht. Friedrich Dürrenmatt hat den letzten römischen Kaiser in seinem Theaterstück als schwachen und irren Mann angelegt. Anfangs. Später entpuppt er sich auf seine Weise als durchaus machtbewusst. Der listige Autor gibt seinen Lesern aber einen Hinweis auf Romulus’ Anspruch: Als sein Diener „Frühstück“ statt „Morgenessen“ sagt, greift der Herrscher durch. Es heiße Morgenessen, und was gutes Latein sei, das bestimme immer noch er.
Recip Tayyip Erdogan ähnelt Romulus dem Großen. In seinem sprachlichen Machtbewusstsein. In seinem sprachlichen Machtbewusstsein! Niemals würden wir den türkischen Präsidenten in den Schmutz ziehen, bloß weil seine Wirtschaft lahmt und seine Währung in Ländern wie der Schweiz oder Großbritannien günstiger ist als Raufasertapete. Und wenn wir mal Witze über Erdogan machen würden, ausnahmsweise, dann hätten die mehr Niveau als die von ZDF-Fäkalsprachenschleuder Jan Böhmermann.
Um damit nach drei Absätzen Einleitung zum Punkt zu kommen: Die Türkei heißt jetzt „Turkiye“ – sonst ändert sich nichts. Wobei doch. Für die türkische Regierung geht das mit einer Selbstbewusstseins-Offensive einher. Denn vorher wurde sie bei den Vereinten Nationen (UN) als „Turkey“ geführt. Was bei den Amerikanern für den Truthahn steht, der an Thanksgiving auf dem Tisch landet.
Erdogan selbst argumentierte, warum der Namenswechsel nötig sei: Das Wort „Turkiye“ drücke Kultur, Zivilisation und Werte der türkischen Nation am besten aus. Auch der staatliche Fernsehsender TRT übernahm die Sicht des Präsidenten – in Deutschland undenkbar – und wies darauf hin, Turkey stehe im Englischen ja auch für einen Fehlschlag oder eine dumme Person. Wobei die deutsche Bedeutung beim Namenswechsel keine Rolle spielte. Was schade ist.
Denn hierzulande steht „Turkey“ für einen kalten Entzug, der dann einsetzt, wenn man Opiaten oder dem Alkohol ohne jede Form von Ersatzstoffen abschwört. Dies führt unter anderem zu Wahnvorstellungen. Wer auf Turkey ist, der sieht zum Beispiel orientalische Reiche wieder zu ihrer alten historischen Größe aufsteigen.
Der Truthahn verdankt übrigens seinen englischen Namen tatsächlich der Türkei – und dem Perlhuhn. Letzteres wurde aus dem heutigen Tunesien über die Türkei nach Großbritannien importiert und hieß daher „Turkey“. Als die alte dann die neue Welt entdeckte, stießen die Eroberer dort auf Truthähne und hielten sie fälschlicherweise für Perlhühner – und ließen sie sich als „Turkey“ schmecken. Die Geschichte des Namens ist also eine voller Missverständnisse und Verletzungen.
Seinen deutschen Namen verdankt der Truthahn einer Lautmalerei – was an sich schon wieder ein hübsches Wort ist. „Trut, trut“ macht der stolze Vogel, wenn er anderen imponieren will. Nur wie soll man von einem gefiederten Prahlhans jetzt thematisch zur Türkei zurückfinden?
Nun, dann halt ohne Überleitung: Die türkische Wirtschaft bewirbt fortan Güter mit „Made in Turkiye“ und auch der Staat plant eine Imagekampagne mit dem neuen Namen. Stolz soll sie ausdrücken. Auf die eigene Größe. Die Stärke. Jetzt vielleicht nicht die der Währung. Vor allem aber auf die eigene Kultur und Lebensart. Das Hähnchen, so hört man, soll zum Beispiel sehr lecker sein. Am besten am Spieß gegrillt und im Fladenbrot serviert.