Mein Sohn – oder soll ich lieber sagen: Mein über alles geliebter Sohn, 16 Jahre alt, einen Kopf größer als ich, blond, aber wenigstens braunäugig, hat es nun auch einmal erwischt. Als typischer Gymnasiast hat er die schwierige Coronazeit auch dadurch überstanden, dass er sich mit seinen Freunden, allesamt wie er erkennbare ‚Kartoffeln‘, im Frankfurter Grüneburgpark traf. Dort kommt es zur Frühlings- und Sommerzeit in den Abendstunden regelmäßig zu größeren Ansammlungen Jugendlicher, die sich dort mit Boomboxen beim Biertrinken und wohl auch beim Kiffen amüsieren.
Der Park ist ein Englischer Garten mitten in einem Viertel bürgerlicher Wohlhabenheit im Frankfurter Westend. Die Jugendlichen verbringen dort die Dämmerung. Und das ist auch kein Problem, solange man zusammenbleibt, ein wenig so wie Pinguine im Wind.
Wird man allerdings separiert, sieht die ganze Sache anders aus. So fand sich mein Sohn plötzlich allein mit drei anderen Freunden ein wenig entfernt von der Gruppe. Prompt kamen drei ebenfalls Jugendliche auf ihn zu, die sich vom Auftreten her ein wenig unterschieden: Sie trugen Gucci-Basecaps, Jogginghosen und hatten einen starken Akzent. Und forderten meinen Sohn auf, ‚gefälligst‘ seine Arme herunterzunehmen. Ihm war schnell klar, dass ‚Armeherunternehmen‘ das Vorspiel für Kampf bedeutet.
Er erinnerte sich an die Regeln einer Selbstverteidigungsausbildung, an der er als kleiner Junge teilgenommen hatte und schubste sein Gegenüber dergestalt, dass dieser nach hinten wegtaumelte. Das verunsichert die Komplizen, so dass mein Sohn und zwei seiner Freunde das Weite suchen konnten. Aus Versehen zurück blieb dabei Freund Nummer vier, über den sich die drei Guccicap-Träger dann auch sofort hermachten. Er wurde unter Androhung von Gewalt ‚abgezogen‘, also um seine Geldbörse und sein Handy erleichtert. Die drei Geflüchteten wurden dann von einem mit ebenfalls mit Akzent sprechenden Mädchen aufgefordert, zurückzugehen und dem Freund zu helfen. Offenbar wollte man auch sie wieder zurück in den Einflußbereich der Abzieher bringen.
Dieser Vorfall ist vielleicht großstadttypisch und wäre nicht weiter der Rede wert, wenn nicht am selben Abend zwei weitere Jugendliche nicht nur mit dem Messer bedroht, sondern auch zum Teil lebensgefährlich verletzt worden wären. Die Eltern in unserem Viertel können sich also glücklich schätzen, dass die wirklich Verletzten an diesem normalen Samstagabend diesmal noch nicht die eigenen Kinder waren.
Meine noch minderjährige Tochter hat aus diesen Umständen schon längst die Konsequenzen gezogen und mir erzählt, dass sie nicht mehr in den Park gehe. Nun ja, nicht so schlimm, könnte man meinen, denn wir haben ja alle noch sehr lebendige Erinnerungen an diesen wunderschönen Park, der jetzt vielleicht, zumindest für Jugendliche, verloren gegeben werden muss. Meine Kinder jedenfalls treffen sich jetzt privat, also nicht mehr im öffentlichen Raum, zumindest nicht mehr, wenn die Dämmerung hereinbricht.
Und ich frage mich, ab wann ich in Anbetracht der außer Rand und Band geratenen Zuwanderungspolitik unsere Regierung dafür sorgen muss, dass meine Kinder überhaupt nicht mehr aus dem Haus gehen – oder zumindest nicht aus dann von Security Personal abgesicherten Innenhöfen unseres Viertels.
Dazu passte leider die Geschichte meiner zweiten Tochter, die zusammen an Sport mit aktiven Polizisten teilnimmt. Diese hatten eine Nacht zuvor eine Unfallstelle erreicht, in der ein älteres Ehepaar in seinem Wagen eingeklemmt worden war und der Rettung harrte. Die beiden hatten keinerlei Wertgegenstände bei sich, weder Portmonnaies, Handtaschen oder Handys, was sehr verwunderlich war. Sie gaben zu Protokoll, dass sie in ihrem hilflosen Zustand von einer Gruppe von Transportfahrzeuginsassen sozusagen im Vorbeifahren im Unfallauto ausgeraubt – und ihrem Schicksal überlassen worden waren.
Sind das die neuen Sitten, die, um es mit den Worten der SPD-Politikerin und Bundestagsvizepräsidentin Özoguz auszudrücken, ‚jeden Tag neu ausgehandelt werden‘. Ich jedenfalls weiß noch nicht, wie ich mich in naher Zukunft diesen Umständen stellen soll. Im Augenblick lerne ich wieder beten, darum, dass meine so deutlich als ‚Kartoffeln‘ erkennenbaren Kinder spät am Abend auch wirklich wieder heil zu uns zurückkommen.
Wie wird die Gesellschaft als Ganzes reagieren? Werden wir wandern müssen, in Gegenden, in denen das Dasein sicherer scheint? Leben in Gated Communities? Wie manche Amerikaner von Kalifornien und New York nach Texas und Florida in weniger zuwanderungsmagnetische Bundesländer? Wir selbst dann Richtung ‚Land‘ – oder gen Osten? Gedanken, die man sich zunehmend machen muss, in Anbetracht eines Zustandes, den der berühmte konservative Journalist Peter Hitchens für England mit dem prägnanten Satz charakterisierte: By whatever I observe: This country is lost.
Der Name des Autors ist der Redaktion bekannt