Mathias Döpfner gibt diesen Herbst sein Amt als Präsident des Bundesverbands Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) ab. Eigentlich war er noch für zwei weitere Jahre gewählt. Hört sich nicht nach einer großen Nachricht an. Doch ein Zusatz weckt Misstrauen: Döpfner tue das „in geordneter Weise“. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Wenn der BDZV die Personalie aus eigenem Antrieb meldet und dabei Döpfner zitiert, spricht das von sich aus für eine „geordnete Weise“. Doch – alte PR-Regel – betont jemand in einer Pressemitteilung etwas Selbstverständliches, stinkt es genau an der Stelle.
In der Pressemitteilung führt der BDZV als Grund für den „geordneten“ Rückzug das Engagement Springers in den USA an. Dort hat der Verlag die Plattform „Politico“ gekauft, eine „der größten Akquisitionen in unserer Unternehmensgeschichte, in einer entscheidenden Phase, die deutlich mehr Zeit und Präsenz von mir in Amerika erfordert“, wie der Vorstandsvorsitzende Döpfner sagt. Außerdem, so der BDZV weiter, brauche es, „um stärker die Interessen kleinerer und mittelgroßer, regionaler und lokaler Verlage zu vertreten, eine Person beziehungsweise Konstellation an der Spitze, die nicht für ein großes, internationales und sehr digitales Verlagshaus stehe“. Dies habe in der Vergangenheit immer wieder zu „Missverständnissen“ geführt.
Doch worum geht es? Vordergründig geht es um den Rauswurf von Julian Reichelt, dem ehemaligen Chefredakteur der Bild. Der hatte sich dem schweren Vorwurf ausgesetzt gesehen, Sex mit einer Angestellten haben zu wollen. Dazu habe er seine Machtposition ausgenutzt. Ein wenig Sex, öffentlich gemachte Privatnachrichten und das ganze gewürzt mit Me-Too-Geraune und moralischem Imponiergehabe – und Reichelt musste gehen.
Die allerwenigsten Leser dürften zusammenfassen können, was genau dem ehemaligen Chefredakteur vorgeworfen wurde. Stellt man seinem Namen aber in der Folge oft genug den Zusatz „umstritten“ bei, ist die Reputation des Betroffenen ziemlich bald erledigt. In mehreren Fällen profitierte die woke und wirtschaftsnahe Linke davon, dass Skandale nach diesem Muster ihren politischen Gegnern widerfahren sind – zuletzt betroffen war Tesla-Chef Elon Musk.
Döpfner nannte seine geschasste Führungskraft Reichelt den einzigen Journalisten, der noch gegen den „neuen DDR-Obrigkeitsstaat“ aufbegehrt habe. Das hatte er in einer SMS geschrieben. Geht es darum, Konservative zu attackieren, bleiben Direktnachrichten selten privat. Und so geriet Döpfners private Mitteilung an die Öffentlichkeit. Für Verlagsvertreter wie Madsack-Geschäftsführer Thomas Düffert war das ein Grund, sich vom Springer-Chef zu distanzieren. An der Stelle ist etwas Hintergrund wichtig: Madsacks Marktmacht dürfte den wenigsten bewusst sein, die nicht aus dem Journalismus kommen. Dem Verlag gehören nach eigenen Angaben 19 regionale Tageszeitungen und 20 Anzeigenblätter an. Das sind zwar in der Regel Titel, die wenig sexy klingen, wie etwa die Gelnhäuser Neue Zeitung.
Die Kombination RND und Madsack könnte in der politischen Berichterstattung noch bedeutender werden. Angesichts fallender Auflagenzahlen gehen Experten von weiteren Marktbereinigungen in der Verlagsbranche aus. Madsack hat seine bisherige Größe solchen Aufkäufen zu verdanken. Unter anderem hat der Verlag alte Springer-Titel wie die Ostsee-Zeitung übernommen. Springer hatte sich von Print-Ballast befreit, um Geld für Investitionen im zukunftsfähigeren Digital-Markt zu sammeln.
An der Stelle schlägt die Brücke wieder an Land auf: Der BDZV könnte eine entscheidende Rolle spielen, wenn es darum geht, Steuergeld unter privaten Verlegern zu verteilen. Geht es schlicht nach Größe, würde Springer einen großen Schlag aus diesem Topf erhalten. Das wird eine von SPD und Grünen geführte und von der FDP getragene Koalition aber kaum wollen. Sie werden dieses Geld nach journalistischer Qualität verteilen wollen.
Nur: Wie definiert man diese Qualität? Diese zu definieren, würde man am liebsten einem neutralen Vertreter überlassen. Zum Beispiel einem Verband wie dem BDZV. Wer dort dann das Sagen hat, entscheidet, wer welches Geld erhält. Man kennt den Effekt von gesetzlich vorgeschriebenen Stellenausschreibungen: Ändert man die Anforderungen lange genug, passen sie auf den Kandidaten, auf den man sich schon im Vorfeld festgelegt hat.