Tichys Einblick
Döpfner-Rücktritt beim BDZV

Unter den Zeitungsverlegern ist ein Krieg ausgebrochen

Springer-Chef Mathias Döpfner gibt das Amt des BDZV-Präsidenten vorzeitig ab. Was wie eine dröge Personalie eines Interessenverbandes klingt, birgt gesellschaftlichen Sprengstoff in sich: Es geht um Geld – vor allem aber um politische Deutungshoheit.

IMAGO / Sven Simon

Mathias Döpfner gibt diesen Herbst sein Amt als Präsident des Bundesverbands Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) ab. Eigentlich war er noch für zwei weitere Jahre gewählt. Hört sich nicht nach einer großen Nachricht an. Doch ein Zusatz weckt Misstrauen: Döpfner tue das „in geordneter Weise“. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Wenn der BDZV die Personalie aus eigenem Antrieb meldet und dabei Döpfner zitiert, spricht das von sich aus für eine „geordnete Weise“. Doch – alte PR-Regel – betont jemand in einer Pressemitteilung etwas Selbstverständliches, stinkt es genau an der Stelle.

In der Pressemitteilung führt der BDZV als Grund für den „geordneten“ Rückzug das Engagement Springers in den USA an. Dort hat der Verlag die Plattform „Politico“ gekauft, eine „der größten Akquisitionen in unserer Unternehmensgeschichte, in einer entscheidenden Phase, die deutlich mehr Zeit und Präsenz von mir in Amerika erfordert“, wie der Vorstandsvorsitzende Döpfner sagt. Außerdem, so der BDZV weiter, brauche es, „um stärker die Interessen kleinerer und mittelgroßer, regionaler und lokaler Verlage zu vertreten, eine Person beziehungsweise Konstellation an der Spitze, die nicht für ein großes, internationales und sehr digitales Verlagshaus stehe“. Dies habe in der Vergangenheit immer wieder zu „Missverständnissen“ geführt.

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Das Fachportal Turi 2 informiert über die Hintergründe dieser „Missverständnisse“: Demnach war Madsack-Geschäftsführer Thomas Düffert im Februar als stellvertretender BDZV-Präsident zurückgetreten. Im März hat die Funke Mediengruppe um Verlegerin Julia Becker ihren Austritt aus dem BDZV zum Ende des Jahres angekündigt. Damals mit dem Hinweis, sie wolle „Spekulationen um das Machtgerangel im BDZV ein klares Signal entgegensetzen“. Klingt nach Bürgerkrieg im Verlegerverband. Ist es auch.

Doch worum geht es? Vordergründig geht es um den Rauswurf von Julian Reichelt, dem ehemaligen Chefredakteur der Bild. Der hatte sich dem schweren Vorwurf ausgesetzt gesehen, Sex mit einer Angestellten haben zu wollen. Dazu habe er seine Machtposition ausgenutzt. Ein wenig Sex, öffentlich gemachte Privatnachrichten und das ganze gewürzt mit Me-Too-Geraune und moralischem Imponiergehabe – und Reichelt musste gehen.

Die allerwenigsten Leser dürften zusammenfassen können, was genau dem ehemaligen Chefredakteur vorgeworfen wurde. Stellt man seinem Namen aber in der Folge oft genug den Zusatz „umstritten“ bei, ist die Reputation des Betroffenen ziemlich bald erledigt. In mehreren Fällen profitierte die woke und wirtschaftsnahe Linke davon, dass Skandale nach diesem Muster ihren politischen Gegnern widerfahren sind – zuletzt betroffen war Tesla-Chef Elon Musk.

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Eine günstige Fügung war die Reichelt-Entlassung auch für Merkel-CDU, SPD, Grüne und Linke. Sie hatten die Pandemiepolitik mit Lockdown, Schulschließungen, Maskenpflicht und G-Regelungen mitgetragen. Unter Reichelt hatte die Bild diese Politik hart kritisiert. Sowie Reichelt weg war, berichtete Deutschlands größte Boulevard-Zeitung deutlich gemäßigter über die Corona-Politik – und lenkte allmählich den Scheinwerfer auf andere Themen.

Döpfner nannte seine geschasste Führungskraft Reichelt den einzigen Journalisten, der noch gegen den „neuen DDR-Obrigkeitsstaat“ aufbegehrt habe. Das hatte er in einer SMS geschrieben. Geht es darum, Konservative zu attackieren, bleiben Direktnachrichten selten privat. Und so geriet Döpfners private Mitteilung an die Öffentlichkeit. Für Verlagsvertreter wie Madsack-Geschäftsführer Thomas Düffert war das ein Grund, sich vom Springer-Chef zu distanzieren. An der Stelle ist etwas Hintergrund wichtig: Madsacks Marktmacht dürfte den wenigsten bewusst sein, die nicht aus dem Journalismus kommen. Dem Verlag gehören nach eigenen Angaben 19 regionale Tageszeitungen und 20 Anzeigenblätter an. Das sind zwar in der Regel Titel, die wenig sexy klingen, wie etwa die Gelnhäuser Neue Zeitung.

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Doch die Summe macht’s: Laut Madsack erreichen die eigenen Titel täglich mehr als 2,5 Millionen Leser und 100 Millionen Visits im Netz. Madsack gehört mehreren „Kommanditisten“, ist also in einer Art Genossenschaft organisiert. Der größte Genosse bei Madsack sind denn auch die Genossen: Die SPD-eigene Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft hält knapp ein Viertel von Madsack und verfügt darüber hinaus mit Abstand über die höchste Stimmberechtigung. Den politischen Teil liefert das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND), Teil des Madsack-Konzerns. Sodass die Leser der 19 unterschiedlichen Zeitungen alle das gleiche politische Angebot erhalten. Gegen den Vorwurf, der SPD nahe zu stehen, wehren sich die RND-Redakteure indes. Vor allem die Redakteurinnen. Das gilt übrigens auch für andere Zeitungen, die die Herkunft ihrer News lieber verschweigen.

Die Kombination RND und Madsack könnte in der politischen Berichterstattung noch bedeutender werden. Angesichts fallender Auflagenzahlen gehen Experten von weiteren Marktbereinigungen in der Verlagsbranche aus. Madsack hat seine bisherige Größe solchen Aufkäufen zu verdanken. Unter anderem hat der Verlag alte Springer-Titel wie die Ostsee-Zeitung übernommen. Springer hatte sich von Print-Ballast befreit, um Geld für Investitionen im zukunftsfähigeren Digital-Markt zu sammeln.

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So wird das SPD-nahe Unternehmen Madsack zu einer spannenden Konstruktion: Einerseits verfügen sie über eine starke publizistische Macht. Andererseits wird dieses Geschäft allgemein immer weniger lukrativ – und mitunter auch defizitär. Da springt die Politik ein: Schon die Große Koalition unter Angela Merkel (CDU) hatte sich darauf geeinigt, über 200 Millionen Euro unter den Verlegern verteilen zu wollen. Allerdings hatte Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) es nicht geschafft, einen rechtssicheren Schlüssel zu entwerfen, nach dem das Geld verteilt wird.

An der Stelle schlägt die Brücke wieder an Land auf: Der BDZV könnte eine entscheidende Rolle spielen, wenn es darum geht, Steuergeld unter privaten Verlegern zu verteilen. Geht es schlicht nach Größe, würde Springer einen großen Schlag aus diesem Topf erhalten. Das wird eine von SPD und Grünen geführte und von der FDP getragene Koalition aber kaum wollen. Sie werden dieses Geld nach journalistischer Qualität verteilen wollen.

Nur: Wie definiert man diese Qualität? Diese zu definieren, würde man am liebsten einem neutralen Vertreter überlassen. Zum Beispiel einem Verband wie dem BDZV. Wer dort dann das Sagen hat, entscheidet, wer welches Geld erhält. Man kennt den Effekt von gesetzlich vorgeschriebenen Stellenausschreibungen: Ändert man die Anforderungen lange genug, passen sie auf den Kandidaten, auf den man sich schon im Vorfeld festgelegt hat.

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