Vor mehr als zwei Jahren veränderte der Ausbruch von Covid-19 das Leben von Milliarden von Menschen auf dem Planeten, Millionen Menschen starben an dem Virus – ganze Nationen litten unter teils drakonischen Lockdowns. Und der Ursprung der Krankheit ist bis heute nicht abschließend geklärt, auch wenn immer mehr Indizien für einen Laborunfall als Ursache auftauchen. Das amerikanische Magazin Vanity Fair veröffentlichte vor einigen Wochen interne Dokumente der NGO namens „EcoHealth Alliance“, die im Zentrum der Kontroverse rund um die Befürchtungen eines Laborursprungs von Covid-19 steht. Aus dem Bericht des Magazins gehen beunruhigende Fakten hervor.
Hintergrund ist, dass EcoHealth seit Jahren Forschung rund um Coronaviren in Fledermäusen im Wuhaner Institut für Virologie in Zentralchina finanziert – mithilfe von Fördermitteln der amerikanischen Regierung. Die hatte allerdings 2014 einen Stopp der sogenannten Gain-of-Function-Forschung vorgeschrieben, also solchen Experimenten, die Viren manipulieren und gefährlicher machen. Dementsprechend beunruhigt waren daher Experten der National Institute of Health, als sie einen Bericht von EcoHealth über die laufende Forschung im WIV erhielten.
Am Ende stimmte das NIH der Forschung doch noch zu, unter der Bedingung, dass chinesische Wissenschaftler umgehend EcoHealth und diese Organisation wiederum die NIH informieren würde, sollten die neuen Virusvarianten 10-mal infektiöser als das Original sein. Peter Daszak, Chef von EcoHealth war von dem Kompromiss begeistert: „Das ist großartig! Wir freuen uns sehr zu hören, dass unsere Forschungsförderungspause für Gain of Function aufgehoben wurde.“
Tatsächlich hatten Daszak und EcoHealth allerdings selbst kaum ein klares Bild darüber, was im WIV vor sich ging. Er habe viel weniger Einblick in das WIV, als er zugeben wollte, sagte ein ehemaliger EcoHealth-Mitarbeiter gegenüber Vanity Fair. Die dortige Arbeit sei „immer ein Rätsel“ gewesen. Um einen Einblick in die Vorgänge in Wuhan zu bekommen, hätte EcoHealth einen Chinesen eingestellt, der half, „für sie zu interpretieren, was innerhalb des WIV vor sich ging“. „Aber wir mussten alles für bare Münze nehmen. Es war eher ‚Akzeptiere, was es ist, wegen dieser Beziehung‘“ zwischen Shi Zhengli, der Chefin des WIV-Zentrums für neu auftretende Infektionskrankheiten, und Daszak, zitiert Vanity Fair den Ex-Mitarbeiter. „[Daszak] weiß nicht, was in diesem Labor passiert ist“, so der ehemalige Mitarbeiter der EcoHealth Alliance. „Das kann er nicht wissen.“ Dazu kommt, dass 2021 etwa das US-Außenministerium berichtete, dass das chinesische Militär an WIV-Forschung beteiligt war – laut Daszak habe EcoHealth davon aber nichts gewusst.
Ein am Ende abgelehnter Forschungsantrag für DARPA, die Top-Forschungsstelle für das US-Militär, zeichnet ein Bild davon, in welche Richtung von EcoHealth geförderte Forschung in Wuhan gehen sollte: Der Plan sah unter anderem vor, SARS-ähnliche Fledermaus-Coronaviren auf sogenannte Furin-Spaltstellen zu untersuchen und möglicherweise neue Furin-Spaltstellen einzubauen, die eine Infizierung menschlicher Zellen ermöglichen würden. Covid-19 war laut Vanity Fair unter den SARS-ähnlichen Coronaviren darum bemerkenswert, weil es eine solche einzigartige Furin-Spaltstelle hat. Diese Anomalie habe einige Wissenschaftler zu der Überlegung veranlasst, ob das Virus aus einer schief gelaufenen Laborarbeit hervorgegangen sein könnte.
Als Nächstes half Daszak, einen offenen Brief von Wissenschaftlern im angesehenen Medizin-Journal The Lancet zu organisieren, der die Labor-Theorie als Verschwörungstheorie brandmarkte. Der letzte Satz dieses Statements lautete: „Wir erklären, dass kein Interessenskonflikt vorliegt.“ Direkt vor der Unterschrift von Christian Drosten steht dort Peter Daszaks Name – und das, obwohl er mit seinen Experimenten an Coronaviren in Wuhan sehr wohl einen Interessenskonflikt hatte. Das schien ihm auch völlig bewusst zu sein, wie interne E-Mails zeigen. „Wir werden es dann so veröffentlichen, dass es nicht mit unserer Zusammenarbeit in Verbindung gebracht wird, sodass wir eine unabhängige Stimme maximieren.“ Schrieb er in einer E-Mail an einen Wissenschaftler, der zustimmte: „Sonst wirkt es eigennützig und wir verlieren an Schlagkraft.“
Als die WHO im November 2020 ihr Untersuchungsteam zur Ermittlung des Covid-19-Ursprungs losschickte, war auch Peter Daszak unter den 11 ausländischen Wissenschaftlern. Tatsächlich war er der einzige US-Amerikaner der Kommission. China hatte ein Vetorecht über die Liste der Wissenschaftler und keiner der drei von den USA vorgeschlagenen Kandidaten schaffte es in die Kommission. „Wenn sein Name nicht unter den Namen war, die [von den USA] veröffentlicht wurden, war sein Name der Name, den die chinesische Regierung gewählt hat.“ Sagte ein Ex-EcoHealth-Mitarbeiter gegenüber Vanity Fair.
Der leitende Experte der WHO-Kommission, der dänische Wissenschaftler Peter Ben Embarek, gab später zu, dass man einen Deal mit den 17 chinesischen Experten der Kommission gemacht hatte: Der Bericht dürfe die Theorie des Laborausbruchs nur „unter der Bedingung erwähnen, dass man keine weiteren Nachforschungen empfehle, um diese Hypothese zu untersuchen“, und dass man den Ausdruck „extrem unwahrscheinlich“ zur Beschreibung der Laborthese verwenden werde.
Die WHO fordert inzwischen selbst eine neue ausführliche Untersuchung des Covid-19-Ursprungs. Peking lehnt jeden weiteren Besuch eines WHO-Teams ab. Menschliche Blutproben, die in China im Rahmen der von der EcoHealth Alliance entworfenen Überwachungs- und Früherkennungsstrategie gesammelt wurden, könnten wohl laut ehemaligen Mitarbeitern der Organisation Hinweise auf die Herkunft von Covid-19 enthalten. Aber sie liegen im WIV – außer Reichweite. Laut Vanity Fair ist EcoHealth im Besitz vieler dieser Daten, das sagte Daszak etwa 2021: „Ein Großteil dieser Arbeit wurde mit der EcoHealth Alliance durchgeführt […] Wir wissen im Grunde, was in diesen Datenbanken steht.“ Vanity Fair merkt an, dass EcoHealth in der Vergangenheit ein Versprechen unterzeichnet hat, Daten im Falle eines weltweiten öffentlichen Gesundheitsnotfalls offenzulegen schnell zu teilen.
Dann sollte man doch aufgrund der Covid-19-Pandemie einen Blick in die Datenbanken werfen können, oder? EcoHealth-Chef Peter Daszak sieht das anders: „Wir finden es nicht fair, dass wir alles offenlegen müssen, was wir tun.“