Dem Terror gewachsen? Welchem Terror? Ein „mutmaßlicher“ syrischer Terrorist wurde von drei Syrern der Polizei übergeben, hat sich dann in der Zelle aufgehängt. Wir wollen hoffen, dass wir uns demnächst nicht wirklich mit der Originalfrage der Sendung beschäftigen müssen – denn flächendeckende Überwachung von Gefährdern oder gar eine kontrollierte Migration sind weiterhin Utopie.
Diese TV-Schwatzrunde hätte besser folgende Titel bekommen: Ist der sächsische CDU-Justizminister Sebastian Gemkow dem verschärften Verhör von Inquisitorin Anne Will gewachsen? (befriedigend) Ist Katja Kipping dem eigentlichen Thema gewachsen? (erwartungsgemäß Thema verfehlt, nein) Kann Investigativo Mascolo auch politisch neutral Sachverhalte beitragen? (so gut wie kaum)
Dennoch wurden die eigentlichen Beweggründe für diese Sendung erreicht: die Wahlschafe weiterhin in Sicherheit zu wiegen und wieder einmal auf den Terror von Rechts zu verweisen. Welche Gefahren durch unkontrollierte Migration zwangsläufig entstehen, wurde mit keinem Wort erwähnt.
Überfliegen wir schnell den Ablauf: „Ließ man zu, dass sich Al-Bakr in der Zelle erhängen konnte?“ war die Einstiegsfrage an Gemkow, und da fühlte sich auch Katja Kipping noch heimisch in der Runde. „Welche Schuld haben Sie persönlich?“ „Haben Sie sichergestellt, dass jeder Mitarbeiter wusste, wer da gefangen war?“
Nun ist Gemkow nicht per se einer dieser TV-Sympathieträger, aber, mit Verlaub, Eure Inquisita, diese Fragen waren wirklich zu blöd. Der Sachse führte an, dass Al-Bakr „anerkannter Asylbewerber“ war (und damit im Prinzip einer von den Guten), dass eine „Diplom-Psychologin“ mit langer Berufserfahrung Al-Bakr als nicht suizidgefährdet eingestuft habe und der „Verdächtige“ alle fünfzehn bis dreißig Minuten in Augenschein genommen wurde. Eine „fehlende Stuhlwache“ kreidete Nebenklägerin Kipping lauthals an, was aber selbst der gelegenheitssensiblen Anne Will zu weit ging. Die Alternative für solche Fälle wäre die Gummizelle gewesen, führte der Minister an, mit dem Hinweis, dass man sich hier allerdings in einem „Grundrechts-sensiblen Bereich“ befinde. Stellen Sie sich das Geschrei vor, wir hätten einen Verdächtigen nur „bekleidet im Schambereich“ da eingesperrt. Aber noch ließ Will nicht ab, sie und Kipping wollten Köpfe rollen sehen, gerne den von Gemkow. Der aber bekam Schützenhilfe vom bayerischen Innenminister Joachim Herrmann.
Der schrieb „allen, die da so gescheit daherreden“ ins Kontor, dass Bayern Video-Überwachung in heiklen Justizfällen habe, was aber rote Genossen in anderen Ländern verhindert hätten. Der selbstbewusste Bayer räumte sogar ein, dass so etwas wie in Sachsen „theoretisch“ auch in seinem Bundesland hätte passieren können. Zudem wolle er Verfassungsschutz, BKA und die sächsische Polizei für ihre Arbeit loben.
Hatte das Gesicht des deutschen Investigativ-Journalismus neue Erkenntnisse? Nicht wirklich. Auch Mascolo sieht einen Erfolg der Polizei „mit einem kleinen Schub aus dem Ausland“ (CIA? NSA?). Dann bemängelte er, dass die Bundesländer erst 2004 Konsequenzen aus NineEleven gezogen hätten, was die Zusammenarbeit anbelangt – also Jahre später.
Ein Einspiel-Filmchen belegte dann, dass Al-Bakr auf seinem Facebook-Profil seit Jahren fleißig IS-Killervideos hochgeladen hatte, was aber selbst der Sicherungsgruppe Maas mit ihren zugekauften Stasi-Erfahrungen fahrlässigerweise entgangen zu sein scheint.
Weil es ja um Terror ging, gab sich Georg Mascolo überzeugt, dass „der IS gezielt große Ziele in Deutschland“ im Visier habe. Wie jetzt? Mit einem Mann? Der nun auch nicht gerade James Bond war? Soll das derselbe IS sein, der für die Massaker in Paris und Brüssel verantwortlich war? Nun, vielleicht ist unser Investigativo auch von der Maiziere befallen, uns schonen zu wollen – jedenfalls beließ er es bei der Anspielung und nachgefragt wurde auch nicht, es gibt Wichtigeres.
Dafür war ein echter Super-Syrer in der Runde. Zahnmedizinstudent, Blogger (German LifeStyle) und ein echtes Integrationswunder. Abdul Abbasi geißelte ohne den leichtesten Akzent eine „strukturelle Diskriminierung“ von Flüchtlingen – und Syrern insbesondere. Manche Zuseher werden sich sogleich mit schlechtem Gewissen gefragt haben: Was ist denn nun strukturelle Diskriminierung? Es geht wohl im Wesentlichen darum, dass dem ewigen Deutschen alle Fremden verdächtig vorkommen – dabei gibt es doch überall Rechtsradikale. Abbasi konnte frei die Zahlen von Brandstiftungen und Übergriffen von Rassisten aufführen, die er wohl aus einschlägigen Statistiken kannte.
Selbst, dass er in den letzten Tagen 17 Interviews einer Helden-geilen Presse geben musste, obwohl er eigentlich nur den Fahndungsaufruf der sächsischen Polizei „ins Syrische“ (Anne Will) übersetzt hatte, passt in die Kategorie „strukturelle Diskriminierung“.
Herrmann versuchte noch ganz liebevoll zu erklären, dass wir strengere Überwachung brauchen, um eben auch die zu beschützen, die hier Schutz suchen, wie wir auch nicht wollen, dass Türken und Kurden ihre Kriege jetzt bei uns austragen. Zugleich mahnte er ein europäisches Ein- und Ausreiseregister an, „für alle, die Europa betreten oder verlassen“. Auch für Illegale wollten wir das TV-Gerät schon anherrschen, als Georg Mascolo das Finale einleitete.
Der knallharte Top-Journalist hatte nun auch mitgekriegt, dass der IS ganz gezielt Spitzbuben und Mordbrenner mit den Flüchtlingen nach Europa schickt (früher nur von Rechtsradikalen geäußert). Und der IS macht das, um die Gesellschaften zu spalten, „er wünscht sich einen Generalverdacht auf alle Muslime.“
Also, Brüder und Schwestern in spiritus, keine Überreaktion! Nicht wie der pöse Trump. Und Bruder Georg wünschte sich in seiner Abschlusspredigt doch tatsächlich George W. Bush zurück, der nach NineEleven erst einmal in eine Moschee ging – um dann Afghanistan platt zu machen, wollten wir hinterherrufen. Aber da folgte schon das „Amen“.