Tichys Einblick
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Blackbox KW 21 – Lindners Gebot der ökonomischen Klugheit

Bert Brecht reloaded: Erst kommt die Moral, dann das Geschäftemachen. In Davos gab’s wieder Klima-Häppchen zum „Chateauneuf de la Transformation“, und trotzdem wäre aus der heiligen Klima-Kuh beinahe ein Beefsteak geworden …

Muss der Bundestag in dieser Legislaturperiode womöglich doch noch auf die Kommunisten verzichten, bloß weil die Bundestagswahlen in Berlin manipuliert wurden wie in einer Bananenrepublik? Nicht wirklich, oder? Immerhin durfte der Bundeswahlleiter seinen Protest kundtun und von einem „kompletten systematischen Versagen der Wahlorganisation“ sprechen – damit ist der Ordnung ja wohl Genüge getan. Und nun kann der Bundestag total demokratisch entscheiden, dass alles so bleibt, wie es ist. Merke: Wiederholt werden Wahlen nur, wenn die Falschen gewonnen haben wie in Thüringen.

♦ Kein Joe, kein Xi, die A-Liste fehlte in Davos, da wo’s feine Klima-Häppchen zum edlen „Chateauneuf de la Transformation“ gibt. Auch Johnson, Macron und Draghi hielten es wohl für keine gute Idee, in Zeiten extremer Teuerung mit Milliardären öffentlich zu schmusen, mutmaßt der Guardian. So waren die Aktivisten George Soros und Bill Gates hauptsächlich umringt von ukrainischen Bittstellern, Geschäftemachern aus „robusten Regimen“ im Nahen Osten und den üblichen Spesenrittern der Chefetagen, denen nicht mal der Auftritt einer Greta von Thunberg geboten wurde.

♦ Die USA schicken lediglich einen Klimahannes und wir den Klima-Robert. Der phantasierte davon, „die Regeln der Märkte zu ändern, wenn sich die Zeiten ändern“, außerdem brauche es eine „neue Form der Führungsstärke“. Also seine. Dann redete Habeck den „Klima-Energiewende“-Profiteuren aufmunternd in die Bilanzen („Wir sind mit den Erneuerbaren schneller vorangekommen, als irgendjemand gedacht hätte.“) – dass Wirtschaft und Verbraucher inzwischen kurz vor dem Kollaps stehen wegen der gigantischen Energieverteuerung, ficht den Kinderbuchautoren nicht weiter an. „Jetzt könne alles passieren, jubelt er“, notiert enthusiasmiert die Welt, dabei sollte es statt „jubelt er“ besser „droht er“ heißen.

♦ Derweil in Berlin: Unsere Führung denkt laut über ein „Gasreduktionsgesetz“ für Engpässe wegen der „Energiewende“ nach, dito ein „Klimageld“ für Einkommen bis 4.000 Euro (SPD-Heil-Plan) und die Erhöhung des Spitzensteuersatzes (Habeck). Bereits verabschiedet wurden kleinere Segnungen fürs Volk. Der Spiegel, bei dem der einstige (beliebte) Zynismus wohl dem Marie-Antoinette-Style zum Opfer gefallen ist: „Neun-Euro-Ticket und Tankrabatt – Jetzt freut euch doch einfach mal!“

♦ Längst fragen sich viele: Was ist denn nur mit all den Wirtschaftslenkern los? Glauben die den ganzen Klimakokolores aus dem Mund von Annalena, Greta oder Robert? Natürlich nicht, die Herrschaften haben nur eine Heidenangst, wie der Klimaökonom Sony Kapoor nahelegt. Kapoor applaudierte dem Investmentbanker Stuart Kirk von der größten Bank der Welt, der HSBC, der auf einer Konferenz klipp und klar aussprach, was „98 Prozent der Leute im Finanzwesen“ (Kapoor) nur leise zu denken wagen: Investoren müssten sich wegen des Klimawandels keine Sorgen machen, der sei vernachlässigbar bei der Einschätzung der ökonomischen Entwicklung. Da rutschte den Chefs von Kirk das Herz direkt in die Hose, und der Abtrünnige von der reinen Lehre wurde stante pede entlassen. Puh, Schwein gehabt, da wäre aus der heiligen Klima-Kuh beinahe ein Beefsteak geworden.

♦ Ja, die Zeiten ändern sich (Bob Dylan), das beweist auch Natos Stoltenberg, der verkündete: „Freiheit ist wichtiger als Freihandel, der Schutz unserer Werte ist wichtiger als der Profit.“ Na gut, das könnte auf den ersten Blick als wohlfeiles Glaubensbekenntnis für die Ukraine missverstanden werden, aber Stoltenberg habe, so analysiert die Presse, China implizit mit der Putin-Autokratie auf eine Stufe gestellt.

♦ Wahrscheinlich ist es reiner Zufall, dass zeitgleich „Enthüllungen“ auf dem Medien-Weltmarkt auftauchten, die beweisen, dass die Uiguren in China gar nicht freiwillig die zahlreichen „Fortbildungseinrichtungen“ (Präsident Xi) besuchten, sondern dass es sich um Konzentrationslager (im britischen Sinne) handelt, wenn auch das Wort vermieden wird. Jedenfalls war unsere politische Elite total überrascht von dieser Neuigkeit, sodass sich Annalena Baerbock eine Stunde lang per Videokonferenz darüber beim chinesischen Amtskollegen entrüstete. Und Christian Lindner, der ja nicht einmal ahnte, dass kommunistische Regime wirklich von Haus aus menschenverachtend sind, verkündete sofort ein ganz neues „Gebot der ökonomischen Klugheit“: Wir müssen „unsere wirtschaftlichen Beziehungen rasch differenzieren“.

♦ Hm. Ökonomische Klugheit 2.0 sieht also so aus: Keine billigen Rohstoffe mehr aus Russland, nun auch noch den Handel mit China, das seit fünf Jahren Deutschlands wichtigster Handelspartner ist, einschränken, sodass Daimler, BMW und VW demnächst ganz auf subventionierte Windanlagen umsatteln können. Wenigstens hat sich wohl das mit den Sklavenarbeitern in Katar, unserem neuen Lieblingsgaslieferanten und künftigem Fußball-WM-Ausrichter, inzwischen als Ente erwiesen, oder? Kaiser Franz hatte die ja bei persönlicher Inaugenscheinnahme seinerzeit auch nirgends gesehen.

♦ Die Freizügigkeit innerhalb der EU lockte vor allem „Zuwanderer aus Rumänien und Bulgarien“ (keine Beleidigung der Bulgaren und Rumänen, sondern die neue, politisch korrekte Umschreibung für eine Volksgruppe, die hierzulande einen eigenen Zentralrat hat) nach Allemannda, ihr Anteil betrug allein 2018 knapp 50 Prozent. Was wiederum, so schwant es der NRW-Kommunalministerin Ina Scharrenbach, CDU, „in der Wahrnehmung der Bürger dazu führt, dass etwas schiefläuft in der EU“. Ach, die Bürger und ihre Wahrnehmung. Alles nur gefühlt.

♦ Besonders beliebt bei diesen Zuwanderern: Duisburg. Und obwohl gerade dem Lehrer an sich ein ganz besonderes Verständnis für die neue Zeit unterstellt wird, besonders unbeliebt in dieser Berufsgruppe: Duisburg. Inzwischen werden Lehrer aus umliegenden Sprengeln nach Duisburg zwangsversetzt. Auch eine Lösung.

♦ Natürlich sind die staatsnahen Arbeitsmarkt-Berichte das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt sind, also nur der Vollständigkeit halber: Obschon wir seit 2015 drei Millionen Fachkräfte importierten, „hat der Fachkräftemangel in Deutschland einen neuen Höchststand erreicht“, so irgendein staatliches Institut. Lösung der „Forscher“: Noch mehr Fachkräfte importieren.

♦ Von 2015 bis 2021 stieg der Etat des Bundesgesundheitsministeriums von 12 Milliarden Euro auf 24 Milliarden. Das müssen wohl diese Spritzen gewesen sein. Karl Lauterbach aber erhält nun einen sagenhaften 64-Milliarden-Etat. Hilfe! Was will der denn noch alles kaufen? 
Dass Union und Steuerzahler-Bund maulen, liegt in der Natur ihrer Funktion, aber warum äußert auch die FDP Kritik? Ist die nicht mit Kaufrausch-Karl in der Regierung und stellt sogar den Finanzminister?
 P.S.: Niemand ist so glücklich über Karl, den komischen Professor, wie Jens Spahn. Seine Eskapaden sind durch Karls Wirken schon beinahe vergessen …

♦ Spezialeinheiten der Polizei überfallen vieler Orts (etwa Berlin oder Baden-Württemberg) Häuser und Wohnungen von Quer- und Andersdenkern, als handele es sich um Terroristen. Sind es Vorfälle wie diese, die Frank-Walter, der Spalter, meinte, als er auf dem Katholikentag sagte: „Man muss vielleicht manches, was angerichtet worden ist, einander verzeihen“?

♦ Wo bleibt das Positive? Na, im Ausland. Unser Bobbele wurde, nachdem er sich täglich über das miese Essen in Wandsworth Prison beschwerte, in eine komfortablere Einrichtung verlegt. Und Frankreichs Emmanuel Macron löst laut FAZ sein erstes Wahlversprechen ein, indem er die Rundfunkgebühren (138 Euro im Jahr) abschafft. Geht doch.

Schönen Sonntag!


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