Tichys Einblick
Nur eine scheinbare Änderung der US-Strategie

Biden schließt die sicherheitspolitische 8 – militärische Garantien für Taiwan

Biden wird es bei seiner unmissverständlichen Erklärung für Taiwan vorrangig darum gehen, nicht noch neben Europa eine zweite, offene Krise an der amerikanischen Machtperipherie zu bekommen.

US-Präsident Joe Biden am 23. Mai 2022 in Tokio, Japan

IMAGO / ZUMA Wire

Die sicherheitspolitische, querliegende 8 mit dem Kreuzungspunkt in den USA nimmt täglich neue Formen an. Soll der atlantisch-baltische Kreis mit Finnland und Schweden konstruktive Verstärkung bekommen, macht US-Präsident Joe Biden nun den pazifischen Kreis rund. Die USA als global agierender Weltpolizist sind wieder da – zumindest in dokumentiertem Wollen und unmissverständlichen Beistandserklärungen.

Von der Beistandslogistik zum Militäreinsatz

Hatte Biden vor wenigen Monaten bereits den Zorn der kommunistischen Volksrepublik China (VRC) auf sich gezogen, als er der Republik China auf der Insel Taiwan/Formosa eine grundsätzliche Beistandsadresse schickte, so legte Washington nun unmissverständlich nach. Bei einem Besuch des Pazifik-Verbündeten Japan erklärte Biden, inspiriert durch den russischen Überfall auf die Ukraine, dass die VRC keinerlei Recht habe, sich die unabhängige Inselrepublik mit Gewalt einzuverleiben.

Tatsächlich gab es angesichts der permanenten Drohungen und Provokationen gegen die Inseldemokratie in Washington zu Beginn der Ukraine-Invasion Befürchtungen, Pekings Rotchinesen könnten die Chance nutzen, um im Handstreich die von den USA unterstützte Insel zu besetzen. Die USA, bereits mit der Eindämmung Russlands in Europa beschäftigt, hätten in einem solchen Falle an zwei heißen Fronten aktiv werden müssen.

Tatsächlich allerdings zögerte Chinas Präsident Xi. Zum einen wollte er die ohnehin angespannte Handelssituation vor allem mit der EU nicht zusätzlich belasten, zum anderen führte der Blick auf die Erfolgslosigkeit Putins bei seinem Projekt einer blitzkriegsartigen Übernahme seines westlichen Nachbarlandes zu einem gewissen Umdenken.

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Die aktuelle Mitteilung Bidens, wonach die USA Taiwan im Ernstfall nicht nur logistisch, sondern auch mit eigenem Militäreinsatz unterstützen werden, wird in diesem Sinne als unterstützende Hilfestellung beim Umdenken zu verstehen sein. Biden: „Die militärische Verteidigung Taiwans ist im Falle eines Angriffskriegs eine Verpflichtung, die wir eingegangen sind. Wir halten daran fest, den Frieden und die Stabilität um die Taiwanstraße zu unterstützen und sicherzustellen, dass es keine einseitige Veränderung des Status quo gibt.“
Nur eine scheinbare Änderung der US-Strategie

Für das US-Militär hebt Biden damit die Beziehung zu Taiwan scheinbar auf eine neue Ebene. Entsprechende Zusagen militärischer Verteidigung gab es bislang nur für die Verbündeten Japan und Süd-Korea. Allerdings war in den Stäben von Luftwaffe und Marine längst klar, dass der anti-chinesische Feuerring, der nun auch im Pazifik um die Komponente Russland erweitert wurde, militärstrategisch nur Sinn macht, wenn der Beistand für die dem chinesischen Festland zentral vorgelagerte Insel über bloße Logistik spürbar hinaus geht. Die USA schmieden seit geraumer Zeit an einem pazifischen Pendant zur Nato, dem eben jene beiden traditionellen Verbündeten ebenso angehören wie Australien und Neuseeland.

Die feste Einbindung Taiwans in die US-amerikanische Verteidigungsstrategie ist insofern sowohl eine Antwort auf die rotchinesische Pearl-Chain der ausgelagerten Stützpunkte, als auch auf den russischen Expansionismus.

Peking unterstreicht sein Narrativ

In Peking fiel die Reaktion entsprechend aus. „Niemand sollte die feste Entschlossenheit, den unerschütterlichen Willen und die starken Fähigkeiten des chinesischen Volkes bei der Verteidigung der nationalen Souveränität und territorialen Integrität unterschätzen“, verlautete im Stile russischer Faktenumkehr aus dem Außenamt der VRC. Peking manifestiert damit seine Ein-China-Ideologie, die die historisch nur für einen kurzen Moment nach dem Ende der japanischen Besetzung mit dem Festland vereinte Insel, ähnlich dem russischen Ukraine-Anspruch, als ewigen Bestandteil seine Reichs betrachtet, obgleich es den Kommunisten zu keinem Zeitpunkt gelungen war, die Republik China zu erobern und zu unterwerfen.

Setzte Deng Xiaoping noch mit dem Konzept der zwei Systeme in einem Land auf eine friedlichVereinigung, so wurde der Riss in den letzten Jahren kontinuierlich tiefer, als Xi entgegen den Verträgen mit dem Vereinigten Königreich Stück für Stück die Demokratie in Hongkong im wahrsten Sinne des Wortes abwürgte. Die Inselchinesen haben abschließend jegliches Vertrauen in die Vertragsfähigkeit der kommunistischen Führung verloren und rüsten sich für einen bewaffneten Konflikt mit der zahlenmäßig und waffentechnisch deutlich überlegenen, sogenannten „Volksbefreiungsarmee“.

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Mit der Biden-Zusage können die Taiwanesen zwar nicht ihre Sorgen ablegen, doch zumindest ein wenig ruhiger leben. Die Volksrepublik wird zwar ihren national-faschistischen Anspruch auf die Insel niemals offiziell aufgeben, doch die Pekinger Führung wird es sich zweimal überlegen, ob sie mit Taiwan tatsächlich jene Situation provozieren will, mit der ein chinesischer Polizist eine Corona-unwillige Bewohnerin dazu bewegen wollte, sich den rigiden Anordnungen der roten Führung widerspruchslos zu unterwerfen. Vor den Kameras eines offensichtlich unbemerkten Mitschnitts erklärte die chinesische Ordnungskraft der Dame, sie müsse sich fügen, weil doch der Krieg gegen die Amerikaner unmittelbar bevorstehe und nur die Kommunistische Partei China sie alle retten könne.
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Xi hat gegenwärtig jedoch andere Probleme, als sich mit den USA in Sachen Kriegsfähigkeit zu messen. Die paranoide Corona-Politik Pekings und die Verwerfungen im Welthandel werden für die erfolgreiche chinesische Mittelschicht nicht ohne Konsequenzen bleiben. Die bisherige Erwartung, im Bündnis mit Russland unbezwingbar zu werden, hat seit der Demonstration der realen Militärfähigkeit in der Ukraine spürbaren Schaden genommen. Sollte die Hungerkrise durch den Ausfall ukrainischer Getreidelieferungen über den Umweg Afrika und Arabien bis nach China durchschlagen, bekommt der neue Kaiser in der Verbotenen Stadt ernsthafte Probleme. Zwar gelten in solchen Situationen traditionell außenpolitische, auch bewaffnet geführte Scharmützel als ideale Ablenkungsmanöver – doch sollte Xi Putins Auffassung vom zerstrittenen, maroden Westen bislang geteilt haben, so könnte ihn die Ukraine-Situation eines anderen belehrt haben.

Biden wird es bei seiner unmissverständlichen Erklärung vorrangig darum gehen, eben nicht noch neben Europa eine zweite, offene Krise an der amerikanischen Machtperipherie zu bekommen. Dass die USA in diesem Zusammenhang ihre strategische 8 ausbauen, kommt in Washington nicht ungelegen. Zumindest haben die führenden Köpfe beider politischen Lager mittlerweile verstanden, dass die Illusionen der Obama-Merkel-Ära wie Seifenblasen geplatzt sind. Der US-Präsident lässt keine Zweifel mehr, dass sein Land die Führung gegen die Autokraten und Despoten beansprucht. Und dass es bereit ist, dafür auch seine Armee einzubringen.

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