„Krieg in der Ukraine – was will der Westen erreichen?“ lautet der Titel dieser Ausgabe von Maybrit Illner am Donnerstagabend. Eine spannende Frage. Spoiler: In der Sendung weiß es auch keiner.
Immerhin Militärexperte Gustav Gessel wagt mal einen Versuch. Es komme auf den „Zeithorizont“ an… „Stück für Stück wird die ukrainische Armee größer“, während die russische Armee Nachschubprobleme habe. Es gebe einen möglichen Wendepunkt im Sommer, „wo die ukrainische Armee, wenn sich auf der russischen Seite nichts tut, Überhand gewinnen könnte“.
Aber die Kritik am Kurs ihrer Regierung schlägt auch bei Illner durch – ausgerechnet von Spiegel-Autor Markus Feldenkirchen: „Der Bundeskanzler wird von Woche zu Woche einen Meter mehr gedrängt von Leuten, die eine Position wie Marie-Agnes Strack-Zimmermann haben. So bewegt er sich langsam, zaudernd.“ Der Spiegel hat dringend ein Auslandsjahr in Australien oder Neuseeland nötig, denn der ist grade dabei, sich selbst neu zu erfinden. Ausgerechnet jetzt – wo mal nach hundert Jahren konservative CDU eine sozialdemokratische Partei den Kanzler stellt – wird das Blatt so regierungskritisch wie nie.
Als Herr Feldenkirchen Frau Lambrecht als inkompetent bezeichnen will – wird plötzlich in Frau Strack-Zimmermann etwas wach. Im Grunde ist das alles verkehrte Welt. Marie-Agnes stellt sich vehement vor Christine Lambrecht. Auch die Vorgängerin hätte sich nicht besser angestellt, glaubt sie. Und bisher wurde auch keine Verteidigungsministerin nach so kurzer Zeit im Amt mit so einer großen Krise konfrontiert. „Und nun steht sie mitten mit den Stiefeln im Matsch.“
Nicht ganz richtig, Frau Strack-Zimmermann. Böse Zungen (die ich natürlich rein neutral wiedergebe, ohne in irgendeiner Weise zuzustimmen) würden nun argumentieren, dass sie weder Stiefel trägt – denn das sind offensichtlich Designer-High-Heels – noch im Matsch steht – es sei denn Sie meinen Watt, Sie wissen schon, Sylt und so. Sollte sie sich da aber mitten drin wiederfinden, wird immer ein Hubschrauber für sie bereitstehen, also keine Sorge.
„Ich möchte einfach nicht, dass sich an dieser Frau abgearbeitet wird“, meint Strack-Zimmermann. Sie ist gar nicht mehr zu stoppen: „Objektiv gibt es keinen Grund, warum Frau Lambrecht zurückziehen sollte, außer dass über Nebensächlichkeiten diskutiert wird.“ Ich könnte jetzt die ganzen Nebensächlichkeiten aufzählen, die keine sind, aber das wären im Grunde alle. Um auf den Punkt zu kommen – dass Frau Strack-Zimmermann so eisern die Frau verteidigt, die ihr den Traumposten weggeschnappt hat, kann doch nur wenige Gründe haben. Ich würde jedenfalls mal checken, wo sie so mit dem Hubschrauber hingeflogen ist, irgendwie klang da ein schlechtes Gewissen durch.
„Wir werden sowieso den Wiederaufbau der Ukraine mitfinanzieren müssen, auch andere wie die Vereinigten Staaten oder die Weltbank, um nur einige zu nennen. Aber wir werden unseren Teil dazu beitragen“, so prophezeit sie. Hunderte Milliarden, spezifiziert Illner wenig später, seien dafür nötig. Ach so, das machen wir sowieso? Tut mir leid, ich hätte besser informiert sein müssen. So langsam kann man sich doch fragen, ob „Weltbank“ einfach nur eine andere Bezeichnung für Deutschland ist.
Der außenpolitische Sprecher der Linken, Gregor Gysi, ist auch noch im Studio. Ihm ging die deutsche Unterstützung der Ukraine mit Waffen hingegen zu weit. Und er hat eine interessante Begründung: „Wir haben eine andere Geschichte“, sagte er. Deshalb könnten andere Länder Waffen an die Ukraine liefern, Deutschland nicht. Dazu fällt einem auch nichts mehr ein.
Die Autorin Yevgenia Belorusets, die in Kiew und Berlin lebt, widersprach Gysi vehement. In der aktuellen Situation, „wo mein Land Stück für Stück durch eine absolut aggressive, zynische Art zerstört wird, über die humanitäre Hilfe zu sprechen“, das bedeute im Grunde zu sagen: „Diese Zerstörungen sind okay für uns.“
Letzte Frage von Illner an von der Leyen: Könnte man das Geld der russischen Oligarchen nicht einfrieren und dann enteignen, um es für den Wiederaufbau zu nutzen? „Mir geht es wie Ihnen, das reine Gerechtigkeitsempfinden gebietet das. Ich weiß aber auch, dass juristisch allein die Nähe zum Kreml oder die Unterstützung des Kreml noch kein strafrechtlich relevanter Tatbestand ist.“ Trotzdem arbeiten ihre Juristen daran, Wege zu finden, das eingefrorene Geld zu Wiederaufbauzwecken zu nutzen. „Ich finde, Russland muss seinen Beitrag auch dazu leisten.“ Ein Enteignungs-Coup gegen stalinistische Oligarchen und postsowjetische Geheimvermögen – da weiß dann wohl auch Gysi nicht mehr, auf welcher Seite er jetzt stehen soll.