Der Filmemacher Andreas Gräfenstein hat über zwei Jahre Uwe Tellkamp begleitet und an diesem Film gearbeitet. Herausgekommen ist eine Dokumentation, die an journalistische Standards erinnert, für die die Öffentlich-Rechtlichen einmal geachtet wurden, wofür man ihnen auch Vertrauen entgegen brachte, bevor man dort den Aktivismus entdeckte, bevor man journalistische Standards, überhaupt Objektivität aufkündigte, weil Journalisten plötzlich ihre Aufgabe darin sehen, an der ideologischen Front zur Durchsetzung des guten Werkes, der Großen Transformation mitzuwirken.
So stellt die Entstehung und Ausstrahlung dieses Film entweder ein kleines Wunder dar oder eine unentschuldbare Nachlässigkeit bei der Abnahme des Films. Letzteren Eindruck könnte man gewinnen, wenn man die wütenden Reaktionen von Deutschlandfunk und Deutschlandfunkultur, übrigens vom selben Kritiker, wahrnimmt. So erbost sich Matthias Dell im besten DDR-Zensorenstil darüber, dass der Film „analytisch und intellektuell“ versage, „weil Regisseur Andreas Gräfenstein Tellkamp ohne Widerspruch zu Wort kommen lasse“. Das klingt als seien unsere Menschen – wie man in der DDR-Führung zu sagen pflegte – noch nicht soweit, dass sie diesen Film ohne Anleitung der öffentlichen Interpretationseliten richtig einordnen und ideologisch auch richtig zu verstehen im Stande sind.
Es mag den Deutschlandfunk und seinen Autor Dell befremden, dass in diesem Film auf Framing verzichtet wird, sondern die Meinungen, Darstellungen und Erklärungen von Uwe Tellkamp, von Susanne Dagen, Paul Kaiser, Monika Maron, Ingo Schulze, Heiki Ikkola, Jana Hensel, Frank Richter und der Journalisten Stefan Locke (FAZ) und Martin Machowecz (Die Zeit) in all ihrer Gegensätzlichkeit unkommentiert nebeneinander stehen. Natürlich widerspricht es allen Regeln betreuten Denkens, früher zu Zeiten des DDR-Fernsehen und Rundfunks einmal der „Klassenstandpunkt“ genannt, dass sich der Zuschauer selbst eine Meinung bilden kann und soll – und zwar einzig und allein aus dem Gehörten und Gesehenen.
Der Bannstrahl des kühnen Streiters gegen alles, was er für rechts hält, bleibt demzufolge auf beiden Sendern nicht aus, denn „man kann an der öffentlichen Doku so beispielhaft sehen, wie wirkungsvoll rechte Sprachpolitik wirkt.“ Die so benutzte Meinungsfreiheit schaffe einen Raum, in dem Tellkamps Äußerungen nicht mehr kritisiert werden können. Es entstehe ein Vakuum für rechte, etwa rassistische Positionen. Dell insinuiert damit, dass Tellkamp rassistische Positionen vertreten würde und der Film ihm auf dem Leim gegangen wäre. Dass der Film die Positionen aller Beteiligten in ihrer ganzen schonungslosen Härte und leider auch Unversöhnlichkeit zeigt, dem Zuschauer zur Bewertung vorlegt, ist für den DLF und DLF Kultur offenbar nur eine missverstandene Meinungsfreiheit, denn ein aktivistischer Journalist kapituliert nicht. Allein die Wortwahl zeigt, dass es Dell und wohl auch beiden Sendern weder um Diskurs, noch um Meinungsfreiheit geht, denn wenn es wirklich um Meinungsfreiheit ginge, dann hätten doch DLF und DLF Kultur zwei unterschiedliche Kritiker bitten können. Doch so verdammt der gleiche Kritiker auf beiden Sendern diese Dokumentation. Seine Argumente werden durch die Wiederholung übrigens auch nicht besser. Wirklich sehr divers, lieber DLF und lieber DLF Kultur.
Die Reaktion des Kritikers von DLF und DLF Kultur schafft etwas, was der Film nicht wollte und nicht versuchte, er bestätigt Uwe Tellkamps Kritik, er bestätigt, dass Meinungskorridore existieren, nein mehr noch, er definiert sie, er macht sie transparent, er will bestimmen, was man im Fernsehen und im Rundfunk sagen darf und was nicht – und letztlich fällt er damit auch Tellkamps Antipoden wie dem Autor Ingo Schulze in den Rücken, in dem er die triste Realität hinter Schulzens Jovilialität zum Vorschein bringt.
Mehr sollte man über den Film nicht schreiben, denn er verdient es, dass ihn jeder selbst anschaut. Wäre öffentlich-rechtliches Fernsehen so wie diese Dokumentation, wäre sie nicht die Ausnahme, sondern die Regel, würde die Gebührendebatte abflachen, denn dann würden die Öffentlich-Rechtlichen ihren Kultur, Bildungs- und Informationsauftrag erfüllen und nicht vor den selbstgestellten Maßgaben der Gesinnung kapitulieren.
Tellkamps Wort im Film: „Niemals aufgeben. Das ist es“, ist vielleicht die Botschaft, die seine Kritiker verstört, denn sie fürchten sich davor, mit der Realität außerhalb der Funkhäuser, außerhalb ihrer kleinen woken Innenstadtbezirke konfrontiert zu werden.