In diesen wirren und bedrückenden Kriegszeiten gehen manchmal Meldungen, die wichtige Anhaltspunkte über die künftige Entwicklung unserer Gesellschaft beinhalten, im Trubel der Schreckensmeldungen unter. Auch dass sich die Politik gelegentlich irrt in dem, was sie zum vermeintlichen Wohl ihrer Bürger beschließt. Was gut gemeint ist, kommt beim Bürger noch lange nicht gut an.
Klimawandel und umweltschädlicher Betrieb einer Verkehrsflotte von 48 Millionen auspuffrauchenden Benzin- und Diesel-Autos auf Deutschlands Straßen haben das private Auto als Verkehrsmittel auf breiter Front in Misskredit gebracht. Das ist Fakt und Paradoxon zugleich: Denn verstopfte Straßen, Staus und Verkehrschaos – das sind immer die anderen, nie das eigene Gefährt!
Beides hat sich als Irrtum erwiesen. Eine jüngst erschienene – aber von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommene – Studie zur Verkehrsmittelwahl macht das Paradoxon deutlich: Das Auto – und mag es noch so umweltschädlich sein – bleibt das beliebteste Verkehrsmittel der Deutschen. Wohlgemerkt das eigene Auto, nicht das des Nachbarn!
Im Auftrag der HUK Coburg befragte das Umfrageinstitut Yougov im Januar und Februar, also vor Beginn des Ukraine-Kriegs und der folgenden Treibstoffpreis-Explosion, über 4000 Verkehrsteilnehmer nach ihren Mobilitäts-Präferenzen. Die Befragten mussten sich nicht für ein Verkehrsmittel entscheiden, Mehrfachantworten waren möglich.
Das Ergebnis sieht wie folgt aus:
- Ungeachtet des politischen Werbens für Bus und Bahn fährt die große Mehrheit der Menschen in Deutschland nach wie vor am liebsten mit dem Auto. Für 70 Prozent der Befragten ist das Auto das Verkehrsmittel, das ihre Mobilitätsbedürfnisse am besten erfüllt. Dann kommen Gehen und Radfahren, erst danach kommen Bahn, U-/S-Bahn, Straßenbahn und Bus.
- Lediglich 16 Prozent nannten die Bahn als ideales Verkehrsmittel. Bei Bus beziehungsweise S-Bahn und Straßenbahn waren es jeweils 12 Prozent. 32 Prozent nannten Fahrrad beziehungsweise E-Bike. 29 Prozent gehen am liebsten zu Fuß.
- Die HUK veröffentlichte ihre Mobilitätsstudie nach 2021 zum zweiten Mal. Auffällig, aber völlig plausibel, ist im Vergleich zu der vom Corona-Lockdown geprägten Vorgängerumfrage vor allem, dass 2022 das Gehen stark an Beliebtheit verloren hat: Vor einem Jahr hatten noch 38 Prozent gesagt, dass sie am liebsten zu Fuß unterwegs seien. Autos (2021: 73 Prozent) haben zwar leicht an Beliebtheit verloren und öffentliche Verkehrsmittel leicht gewonnen, aber am grundsätzlichen Bild hat sich nichts Wesentliches geändert.
Für Politik und Umweltaktivisten sind die Ergebnisse der Befragung – gelinde gesagt – ernüchternd. Salopp formuliert: Den Bürgern ist Umweltschutz sehr wichtig, aber er sollte nach Möglichkeit nichts kosten. Die privaten Kosten sind dem Bürger wichtiger als der öffentliche Umweltschutz.
- Die Kosten spielen für viele Bürger eine größere Rolle als der Umweltschutz: Auf die Frage nach den wichtigsten Inhalten eines Verkehrskonzepts antworteten 49 Prozent, dass Mobilität für alle Bevölkerungsgruppen bezahlbar sein solle. 37 Prozent plädierten für generell niedrigere Kosten. Dagegen sagten nur 26 Prozent, dass der Verkehr keine Treibhausgase erzeugen solle.
- In Sachen Elektroautos wird in der Umfrage ein Ost-West-Gefälle deutlich: So sagten in Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern jeweils 13 Prozent oder weniger, dass für sie künftig beim Autokauf nur noch ein E-Fahrzeug in Frage komme. Im bundesweiten Durchschnitt waren es 19 Prozent. An der Spitze steht Berlin. Dort sagten 28 Prozent, dass sie sich in Zukunft ausschließlich Elektroautos anschaffen wollten.
HUK-Vorstand Jörg Rheinländer zieht aus der Studie den Schluss, dass das alleinige Zurückdrängen des Autos für die Bürger keine zielführende Zukunftsstrategie ist, auch nicht in den Städten.
Eine thematisch eng verwandte Umfrage des Unternehmens Innofact AG vom März 2022 fragte nicht nach der Beliebtheit, sondern schlicht danach, wie häufig Verkehrsteilnehmer die jeweiligen Verkehrsmittel Auto, Rad oder Bus und Bahn nutzen. Als Ergebnis kam heraus, dass nur gut jeder Vierte regelmäßig Bus und Bahn fährt.
Dagegen fahren mehr als zwei Drittel (67 Prozent) oft oder sehr oft mit dem Auto, 95 Prozent zumindest gelegentlich. In den Städten gehen knapp zwei Drittel zu Fuß, auf dem Land weniger als die Hälfte (46 Prozent), was plausibel ist. Nur 26 Prozent fahren regelmäßig mit öffentlichen Verkehrsmitteln.
Vor diesem Hintergrund sehen vor allem Politiker aus ländlichen Regionen das von der Bundesregierung geplante Neun-Euro-Ticket skeptisch. Von 1. Juni bis 31. August sollen Fahrten im Nah- und Regionalverkehr nur 9 Euro im Monat kosten. Das soll die Bürger von hohen Energiekosten entlasten und Bus und Bahn populärer machen.
Dem ist nicht zu widersprechen. Wo kein öffentliches Verkehrsmittel vorhanden ist, kann auch kein Billigticket genutzt werden. Das entlastet lediglich den Finanzminister. Sinnvoller wäre es, die Entlastungsmilliarden in die Ertüchtigung des Streckennetzes und engere Taktung zu investieren. – Eine Entlastung, die aber nicht ad hoc zustande kommen kann, sondern nur langfristig umzusetzen ist.
Vor dem Hintergrund der gezeigten Verkehrspräferenzen der Bürger müsste die Politik mit voller Kraft darangehen, einen Verkehr zu ermöglichen, der beides vereint: Umweltfreundlichkeit und Individualität. Die Lösung heißt: klimaneutrale Kraftstoffe.