Klar, dass Annalena Baerbock jetzt auch nach Butscha musste, nachdem ihr Kanzler erst nicht hin wollte, aus guten Gründen, und es jetzt zu spät dafür ist. Je voller die Chefdiplomatin den Mund nimmt, desto hohler blubbern ihre Bekundungen. Am Ende detonieren zwei hochdramatische Wörtchen, fallen gelassen mit schusssicherer Weste und mit dem Ausdruck unerbittlicher Entschlossenheit, nur nicht mehr ganz im Vollbesitz ihres von der Macht der Gefühle übermannten (ist dieses Wort hier statthaft?) Verstandes. „Für immer“ werde Deutschland russische Bodenschätze verschmähen.
I.
Für immer. Das kennen wir. Meist ist es nur eine galante Floskel am Schluss handgeschriebener Briefe. Für immer Dein. Getragen von sentimentalem Pathos. Für immer: ein der Wahrscheinlichkeit entgegen geschleudertes Versprechen, von dem Sender wie Empfänger nicht wissen, ob es haltbar sein wird. Für immer: verbalisierter Gefühlsüberschuss. Immer ist ewig. Nur gibt es auf dieser Welt nichts, das ewig währt. Schon gar nicht Gefühle. Nicht einmal die Liebe. Deshalb schwören sich Liebende ja ewige Liebe. Der Schwur ist eine Beschwörung. Eine romantische Aufwallung. Fehlt nur noch das „bis dass der Tod uns scheidet“. Eine Absichtserklärung ist nichts, worauf man Gift nehmen sollte. Es wäre lebensgefährlich.
II.
Wenn wir den Für-immer-Baerbock-Satz einen Augenblick lang versuchsweise ernst zu nehmen versuchen, bedeutet er nichts anderes als dies: Deutschland will mit Russland, mit dem größten Land der Erde, bis in alle Ewigkeit nichts mehr zu schaffen haben. Die gemeinsame Geschichte, gemeinsame Kultur zählt nicht mehr. Die Möglichkeit gemeinsamer Interessen wird ausgeschlossen. Und zwar für immer. Und das alles wegen eines einzigen Machthabers, der Russland nicht für immer beherrschen, dem Russland nicht für immer folgen wird. So einen maßlos übertriebenen Schwachsinn haben nicht einmal die zottelligsten Nationalisten in finstersten Zeiten über den einstigen Erbfeind Frankreich zustande gebracht. So reagieren bestenfalls enttäuschte Liebhaberinnen in Momenten, in denen der Verstand aussetzt. Ich will dich nienienienienie mehr sehen! Für mich bist du gestorben. Aus dem Munde einer Außenministerin ist es verantwortungsloses Geschwätz.
III
Wenn es Russland einmal gelingen wird, sich nicht nur von Putin zu befreien, sondern den Weg zu einer fortschrittlicheren Gesellschaft einzuschlagen, wird es auf Kooperation angewiesen sein. Sie wird keine Einbahnstraße sein, sondern aus einem Geflecht von Kooperationen. Dazu zählen auch wieder Handelsbeziehungen. Rohstoffe bleiben Russlands bedeutendstes Handelsgut. Daran kann und wird sich nichts ändern, es darf nur nicht noch einmal zu einer so massiven Abhängigkeit kommen.
IV.
Für immer. Ein Gefühl, das zum Jungsein gehört. Wenn man sich unsterblich fühlt, unsterblich verliebt. Die deutsche Band Alphaville landete 1984 einen Hit mit dem englischen Titel „For ever young“. Hier die Übersetzung der ersten Strophe:
Lasst uns tanzen, eine ganze Weile tanzen.
Der Himmel kann auf uns warten, wir schauen nur hinauf.
Hoffen das Beste, erwarten das Schlimmste.
Wird man die Bombe werfen oder nicht?
Es hört sich an wie das Nachtgebet einer unbedarften deutschen Außenministerin zwischen Hoffen und Bangen. Der neue Job hätte so schön sein können. Und jetzt das!
V.
Für immer: Ist dies feministische Außenpolitik? Wir haben uns ja immer gefragt, was darunter zu verstehen sein könnte. Wir wollen das nicht vertiefen. Eine Überdosis Emotion zur Vermeidung von Realpolitik für weibisch zu halten, wäre von vorgestern. Es ist so wenig feministisch wie machistisch, weder links noch rechts. Es ist nur unreif, unprofessionell, ungebildet. In der Politik gibt es kein „für immer“. Da gilt die eiserne Regel: Sag niemals nie. Weil immer alles fließt. Wer glaubt, darüber hinwegschwadronieren zu können, ist keine feministische Außenministerin, sondern eine Knallcharge im falschen Film. Ein Kind, das mit dem Fuß aufstampft und hofft, dafür Beifall zu bekommen.