Bernhard Hoëcker ist Comedian. Mit dem ARD-Quiz „Wer weiß denn sowas?“ erreicht er werktäglich rund 3 Millionen Menschen. Bekannt wurde er als Mitglied des Ensembles von „Switch“ auf Pro Sieben. Das parodierte Fernsehformate, unter anderem eine Talkshow, von der Hoëcker in schöner Regelmäßigkeit ausgeschlossen wurde, weil er unsinnige Redebeiträge lieferte: „Hoëcker – Sie sind raus“, hieß der Running Gag. Jetzt lieferte er als echter Gast der echten Talkshow „Maischberger“ einen kleinen Skandal.
Der Bonner Hoëcker bekannte sich zu der Partei, die er bei der anstehenden Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen wählen wird. Aus Frust über die anderen linken Parteien: Volt. Den meisten Lesern wird es gehen wie Moderatorin Sandra Maischberger, die überrascht und erheitert nachfragte: „Was ist das?“ Dann merkte sie, dass ihr Gast gerade vier Tage vor einer Landtagswahl Wahlwerbung betrieb, wollte das unterbinden, unterbrach sich aber noch mitten im Satz – Maischberger und ihr Gast waren sich dann einig, dass die Kleinstpartei Volt es nicht wert sei, aus Hoëckers Fehler ein Thema zu machen.
Hatten sie recht? Ist Volt das nicht wert? Die Antwort lautet: Jein. Bisher ist die Partei nicht gerade bedeutend: Bei der Bundestagswahl kam sie auf 0,4 Prozent, bei der jüngsten Landtagswahl in Schleswig-Holstein auf 0,3 Prozent. Aber. Zum einen hält die Partei ein Mandat im Europaparlament und zum anderen ist Nordrhein-Westfalen ein wichtiger Standort für Volt. Dort holte sie 16 Mandate bei den Kommunalwahlen im Jahr 2020. In Bonn, Münster und Köln ist sie über Koalitionen an den Stadtregierungen beteiligt. Bereits im August erklärte die Volt-Vorsitzende Rebekka Müller im Handelsblatt, dass die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen zum Durchbruch für ihre Partei werden solle.
In den Niederlanden ist die Volt-Partei bereits im nationalen Parlament vertreten. Allerdings gibt es dort auch keine Fünf-Prozent-Hürde. Die ist im Moment das größte Problem von Volt. Ganz praktisch: weil sie den Einzug in Parlamente verhindert. Psychologisch: weil viele potenzielle Wähler sich sagen, dass ihre Stimme verschenkt sei, wenn Volt dann doch nicht ins Parlament einzieht. Folglich nahmen die Mitglieder Hoëckers Geschenk dankbar auf: Auf Twitter sorgten sie dafür, dass der Hashtag „#volt“ über den ganzen Folgetag trendete.
Volt ist eine international agierende Partei, die in rund 30 Ländern vertreten ist. Ihre Gründung 2017 war eine Reaktion auf den „Brexit“. Aus diesem Anlass wollten die Gründungsmitglieder den europäischen Gedanken stärken. Zu ihnen gehörte der Deutsche Damian Freiherr von Boeselager. Der Bankierssohn war der erste Bundesvorsitzende der Partei und sitzt heute für Volt im Europaparlament. Vor seiner Politkarriere war er laut Wikipedia als Unternehmensberater tätig. Ein bei Volt beliebter Beruf, den auch die heutige Chefin Müller als ehemalige Tätigkeit angibt. Heute lebt sie laut Selbstauskunft in einem WDR-Interview von ihrem „Ersparten“, um sich auf die Arbeit für ihre Partei konzentrieren zu können.
Mit ihren Themen spricht Volt eine städtische und auch wohlhabende Klientel an: vor allem ist das Klimaschutz. Müller engagiert sich selber für die Gruppe „Fridays for Future“. Aber auch Digitalisierung ist ein wichtiges Thema für Volt. In Frankfurt am Main stellt Volt die „Digitaldezernentin“ Eileen O’Sullivan. Laut Abgeordnetenwatch ist die 26-Jährige ursprünglich „Kauffrau für Büromanagement“. Sie spricht sich für die Einführung einer „Urbanen Datenplattform“ in Frankfurt aus. Die Stadt solle also die Daten ihrer Bürger besser vernetzen und auswerten. Das Fraunhofer Institut hat solche Plattformen untersucht und kam unter anderem zum Ergebnis, dass oft unklar sei, wie diese die Daten vor Missbrauch schützen.
In Nordrhein-Westfallen tritt die 24 Jahre alte Gina Nießer als Spitzenkandidatin an. Sie ist Studentin und Reporterin bei Radio Wuppertal. Landesvorsitzender ist Tim Marton. Nach Angaben der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf ist er dort beim Institut für Allgemeine Sprachwissenschaft als Sekretär eingestellt. „Er ist eindeutig Kaffeetrinker mit Voll-Milch, den Umstieg auf Soja- oder Hafermilch hat er noch nicht geschafft“, heißt es auf der Universitäts-Seite.
Sollte er aber. Denn jenseits von Hoëckers kleiner Werbeaktion sind die Umstände für Volt gerade günstig: Die außerparlamentarische Oppositionspartei könnte für puritanische Grünen-Wähler interessant sein, denen die Grünen nicht mehr grün genug sind, seit sie Waffen in die Ukraine liefern; in Katar vor Despoten Bücklinge machen, um deren Gas zu erhalten, oder den vorzeitigen Kohleausstieg in Frage stellen. Zudem ist Volt eine Option für SPD-Wähler mit Haltungen, die diese aus den Orakelreden des Kanzlers Olaf Scholz nicht mehr heraus dechiffrieren können. Auch verschwindet die Linke zumindest in Westdeutschland derzeit in der wunderbaren Welt der Sonstigen – und könnte so ein Vakuum hinterlassen, das offen für Volt ist.
In Sachen Finanzen bemüht sich Volt um Transparenz. Ihren eigenen Haushalt stellt die Partei ins Netz ein: Demnach hat sie von Januar bis März knapp 340.000 Euro umgesetzt. 155.000 Euro davon stammen aus Mitgliedsbeiträgen, 52.000 Euro aus Spenden und 107.000 Euro aus der staatlichen Parteienfinanzierung. Dem stehen Ausgaben von 208.000 Euro gegenüber. Davon flossen 81.000 Euro in Personalausgaben. Für größere Projekte betreibt Volt „Crowdfunding“ – ein hipperes Wort für Spendenaufruf.
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Annahmeschluss ist der Wahlsonntag (15.05.2022) um 17:35 Uhr. Das Wettergebnis wird bis einschließlich Montag, den 16.05.2022, veröffentlicht. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
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