Handelte es sich bei der Staatsgründung Israels im Jahr 1948 um ein Verbrechen? Genau das suggerierte die Deutsche Welle in ihrem Beitrag vom 5. Mai 2022 unter der Überschrift: „Tote bei Anschlag in Israel am Unabhängigkeitstag“. Darin hieß es:
„Israel feiert an diesem Donnerstag seinen 74. Unabhängigkeitstag. Die Palästinenser gedenken des Gründungstags Israels dagegen als ‚Nakba’ (Katastrophe), weil mehr als 700.000 Menschen infolge der israelischen Staatsgründung fliehen mussten oder vertrieben wurden.“
Es mussten also 700.000 Araber im Mai 1948 fliehen, oder sie wurden vertrieben, weil der damalige Vorsitzende der Jewish Agency for Palestine und spätere Ministerpräsident David Ben-Gurion am 14. Mai 1948 in Tel Aviv den Staat Israel ausrief? (Gefeiert wird der Unabhängigkeitstag nach dem hebräischen Kalender am 5. Iyar; 2022 fiel das Datum auf den 5. Mai nach der gregorianischen Zählung). Was tatsächlich zu der Bevölkerungsverschiebung im Nahen Osten führte, kann jeder nachlesen – auch als Mitarbeiter der Deutschen Welle. Nur Stunden nach der Ausrufung von Israel griffen die Armeen von Ägypten, Transjordanien und Syrien unterstützt von einer irakischen Expeditionstruppe den neuen Staat an – mit dem Ziel, ihn zu vernichten.
Das Motto „Werft die Juden ins Meer“ wird von etlichen Historikern dem damaligen Großmufti von Jerusalem Haj Amin al-Husseini zugeschrieben, der sich in den vierziger Jahren in Deutschland als Gast des NS-Regimes aufhielt, und sowohl von Hitler als auch Heinrich Himmler empfangen worden war. Der syrische Präsident Schukri Bey al-Quwatli instruierte 1948 seine Truppen, sie sollten „die Zionisten zerstören“. Am 15. Mai bombardierten ägyptische Kampfflugzeuge Tel Aviv. Den Teilungsplan der Vereinten Nationen, der dem jüdischen Bevölkerungsteil des britischen Mandatsgebiets Palästina 56 Prozent des Gebiets und dem arabischen 44 Prozent zugesprochen hatte – mit einem Sonderstatus für Jerusalem – akzeptierten die umliegenden arabischen Staaten und auch die Mehrheit der Araber in dem Mandatsgebiet nie. Die arabischen Staatsführer hatten schon vor dem Mai 1948 deutlich gemacht, dass sie die Ausrufung eines israelischen Staates als Kriegsgrund betrachten würden. Ihre Truppen zogen sie schon Wochen vorher zusammen.
Der Krieg, der dann folgte, verlief allerdings anders, als sie es sich vorstellten. Trotz ihrer zahlenmäßigen Überlegenheit wurden die arabischen Truppen durch oft schwach ausgerüstete jüdische Einheiten gestoppt. In etlichen Gegenangriffen schaffte es die gerade entstandene israelische Armee, die Angreifer zurückzuschlagen. In der Folge sicherten sie sich nicht nur die 56 Prozent des früheren Mandatsgebiets, sondern besetzten auch Gebiete, die nach dem Teilungsplan eigentlich der arabischen Seite zugestanden hätten.
Tatsächlich verließen gut 700.000 Araber diese Gebiete, viele davon in Richtung Jordanien und Libanon. Manche wurden vertrieben, andere gingen freiwillig. Auf der anderen Seite verließen innerhalb kurzer Zeit ebenfalls etwa 700.000 Juden die umliegenden arabischen Länder, um nach Israel überzusiedeln. Es fand also eine Art Bevölkerungsaustausch statt. Mit zwei entscheidenden Differenzen auf jeweils der einen und der anderen Seite:
Während die Juden aus den arabischen Staaten in Israel vollwertige Staatsbürger wurden, gab es für viele der emigrierten Araber aus dem früheren Mandatsgebiet in der neuen Heimat nie die gleichen Bürgerrechte. Im Libanon etwa wurden sie über mehrere Generationen gezwungen, in Flüchtlingslagern zu leben, die Ausübung vieler Berufe blieb ihnen verboten.
Auch nach dem israelischen Unabhängigkeitskrieg von 1948 hätte es noch die Möglichkeit gegeben, einen eigenständigen arabischen Staat in dem früheren Mandatsgebiet zu gründen: Nach dem Waffenstillstand blieb der heutige Gazastreifen in ägyptischer Hand, die Westbank und Ostjerusalem in jordanischer. Allerdings zeigten weder die ägyptische noch die jordanische Führung oder sonstige Staatsmänner der Arabischen Liga das geringste Interesse daran, diese Territorien an die Araber des früheren Palästina zu geben. Erst, als israelische Truppen diese Gebiete 1967 nach einem weiteren arabischen Angriffskrieg besetzten, dem Sechstage-Krieg, entdeckten die arabischen Regierungen das Thema der angeblich heimatlosen Palästinenser. Selbst den Begriff ‚Palästinenser‘ für Araber dieser Region benutzte vorher kaum jemand.
Die gesamte Geschichte des arabischen Angriffskriegs auf Israel 1948 ließ die Deutsche Welle in ihrer Geschichtsklitterung also weg – genauso wie die Tatsache, dass umgekehrt auch 700.000 Juden aus den arabischen Staaten emigrierten. Stattdessen folgt die „Nakba“, die Katastrophe für die Araber für die DW unmittelbar auf die Ausrufung Israels. Diese Pseudogeschichte der Deutschen Welle entspricht exakt der ‚Nakba‘-Propaganda, die etliche palästinensische und islamische Organisationen im Westen seit Jahren betreiben. Vor allem in Deutschland bemühen sich Ideologen, die ‚Nakba‘ zur propagandistischen Chiffre für das Leid der Palästinenser zu machen – und zwar so, wie die Deutsche Welle es praktizierte: Weder werden der arabische Angriffskrieg noch die Vertreibung der Juden aus den arabischen Staaten erwähnt. Auch für den ‚Nakba‘-Tag am 15. Mai 2022 meldeten verschiedene Organisationen in Deutschland wieder Demonstrationen an.
Die Deutsche Welle fällt nicht zum ersten Mal mit einer propagandistischen Nahost-Geschichtsbearbeitung auf. Schon 2018 klitterte der Sender das Ereignis unter der Überschrift: „Nakba – die ‚Katastrophe’ der Palästinenser“ mit der perfiden Formulierung: „Die Staatsgründung Israels vor 70 Jahren hatte für die in der Region lebenden Araber dramatische Folgen. Nach erfolglosem Widerstand gegen die Einwanderung europäischer Juden mussten sie zu Hunderttausenden fliehen“.
Auch dieses Narrativ, als hätten im Nahen Osten nicht schon seit Jahrtausenden Juden gelebt, entspricht eins zu eins dem arabischen Propagandaversatzstück, die Anwesenheit von Juden in diesem Weltteil ausschließlich mit Einwanderung aus Europa zu erklären, und vor allem die lange jüdische Geschichte Jerusalems völlig zu bestreiten.
Immerhin erwähnte die Deutsche Welle in ihrem Beitrag von 2018 den arabischen Angriffskrieg von 1948 noch – wenn auch weit unten im Text.
Eigentlich hätten die Verantwortlichen des aus Steuermitteln der Bundesregierung finanzierten Senders allen Grund, gerade bei ihrer Israel-Berichterstattung sehr genau hinzuschauen. Erst 2021 erschütterte ein Antisemitismus-Skandal die Anstalt. Sehr spät war kritischen Beobachtern im Sender selbst aufgefallen, wie sich Mitarbeiter der arabischen Redaktion auf sozialen Medien in Arabisch äußerten. Bassel Aridi, damals Leiter des Korrespondentenbüros in Beirut, meinte beispielsweise auf Facebook: „Jeder, der mit den Israelis zu tun hat, ist ein Kollaborateur und jeder Rekrut in den Reihen ihrer Armee ist ein Verräter und muss hingerichtet werden.“
Ein anderer DW-Mitarbeiter bezeichnete den Holocaust als „künstliches Produkt“. Nachdem mehrere Zeitungen über die antisemitischen Ausfälle bei dem deutschen Staatssender berichteten, beauftragte Intendant Peter Limbourg die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und den Psychologen Ahmad Mansour damit, die antisemitischen Tendenzen in der arabischsprachigen Redaktion zu untersuchen. Im Ergebnis stellte der Sender fünf Mitarbeiter frei. „Es tut der Geschäftsleitung und mir aufrichtig leid“, erklärte Limbourg damals: „Allein der Verdacht, dass es in einer deutschen, steuerfinanzierten Einrichtung Antisemitismus gibt, muss für Juden in diesem Land und weltweit unerträglich sein.“ Vielen Nichtjuden übrigens auch.
Publico fragte bei der Deutschen Welle nach deren Berichterstattung vom 5. Mai 2022, wieso in dem Beitrag weder der Angriff mehrerer arabischer Länder auf Israel 1948 noch der Exodus von 700.000 Juden aus arabischen Ländern erwähnt wurde.
Es bleibt unklar, wann genau der Sender den Text auf seiner Webseite änderte. Aber mittlerweile enthält er beide Punkte:
Allerdings fehlt in der kurzen Bemerkung des Senders aus seiner Webseite ganz unten nicht nur der Zeitpunkt der Korrektur, sondern auch jeder Hinweis, was eigentlich geändert wurde. Ein DW-Sprecher antwortete auf die Anfrage des Autors:
„Wir haben den Artikel um den notwendigen Kontext ergänzt und das mit einem redaktionellen Hinweis kenntlich gemacht. Die DW wendet eine Reihe von Maßnahmen an, um ihre Journalistinnen und Journalisten bei der Berichterstattung über Israel zu unterstützen. Wir bedauern es sehr, wenn im journalistischen Alltag dennoch Fehler passieren. Diese korrigieren wir und gehen damit transparent um.“
Außerdem heißt es in der Antwort:
„Die Chefredaktion hat eine umfassende Guideline für die Berichterstattung erarbeitet, die in mehreren Sprachen allen Kolleginnen und Kollegen zur Verfügung steht und den notwendigen historischen Kontext erläutert. Ein Expertenteam schult die Redaktionen fortlaufend in der Thematik und setzt Impulse für die Berichterstattung. Es werden Hintergrundberichte und Explainerformate zu Antisemitismus, zu Israel und den palästinensischen Gebieten und zur besonderen Verantwortung Deutschlands gegenüber Israel produziert.“
Eine Erklärung, warum der DW-Text trotz dieses angeblichen Aufwandes – Guideline, Expertenteam, Schulung – historische Ereignisse unterschlägt, die sich in jedem Standardwerk nachlesen lassen, liefert der DW-Sprecher nicht. Grundsätzlich erklärt er:
„Die DW nimmt ihre Aufgabe, unparteiisch und akkurat zu berichten, sehr ernst. Ihren Vorwurf einer vermeintlich antiisraelischen Berichterstattungstendenz muss ich entschieden zurückweisen.“
Bei der DW handelt es sich nicht um den einzigen öffentlichen Sender, der die Nahost-Historie kurzerhand umschreibt. Vor einiger Zeit praktizierte der ARD-ZDF-Gemeinschaftssender Phoenix in einer Reportage eine noch weitergehende Verdrehung als die DW: Phoenix fälschte kurzerhand den Angriffskrieg der arabischen Staaten auf Israel zu einem „Bürgerkrieg“ um.
Zum Sechstagekrieg 1967 hieß es in der gleichen Sendung: „Israel besetzte palästinensisches Land, das Westjordanland und den Gazastreifen.“ Die Tatsache, dass diese Gebiete vorher gar nicht in „palästinensischer“ Hand lagen, sondern, siehe oben, in jordanischer und ägyptischer, ließen die Autoren des Films einfach weg.
Im Mai 2021 geriet der RBB-Reporter Dietmar Teige regelrecht außer sich vor Begeisterung, als er über eine palästinensische Demonstration mit antiisraelischen Parolen in Berlin berichtete: Die Kundgebung habe eine „ganz tolle Atmosphäre“ und sei „sehr bunt“. Seinem Publikum servierte Teige folgende alternative Sicht auf die Weltgegend, auf die sich deutsche Journalisten mit Vorliebe kaprizieren, wenn auch meist frei von jeder Sachkenntnis: „Das Ganze richtet sich gegen die Kriegspolitik der Israelis. Und auch gegen den langandauernden Siedlungskonflikt im Gaza-Streifen.“ Tatsächlich gibt es im Gazastreifen schon seit September 2005 keinen einzigen Juden mehr. Geschweige denn eine israelische Siedlung.
Der RBB entschuldigte sich zwar nach mehreren Medienanfragen für die groteske Propagandaeinlage ihres Mitarbeiters. Aber sie ging erst einmal über den Sender – so, wie auch die DW-Geschichtsklitterung lange auf der Webseite stand.
Da die Deutsche Welle sich nicht über Rundfunkgebühren finanziert, sondern direkt über Zuweisungen aus dem Bundeshaushalt, könnte die Bundesregierung hier besonders leicht auf professionelle Standards dringen – eigentlich. Ernsthaften Druck muss die Senderführung allerdings kaum fürchten. Denn im Bundeskabinett bemüht sich die maßgebliche Ministerin nach Kräften, den antiisraelischen Antisemitismus von palästinensisch/islamischen Gruppen kleinzureden, der wiederum in öffentlichen Sendern seine Stichworte immer besser platzieren kann. Als es Ende April 2022 zu mehreren antiisraelischen Demonstrationen kam, bei denen Teilnehmer Polizisten mit Steinen und Flaschen bewarfen und Journalisten als „Zionistenpresse“ beschimpften, schwieg Bundesinnenministerin Nancy Faeser tagelang. Dann rang sie sich einen Tweet ab, in dem sie jeden Hinweis darauf vermied, wer dort aufmarschiert war:
„Für Judenfeindlichkeit gibt es in unserer Gesellschaft keinen Platz. Hier muss der Rechtsstaat konsequent handeln. An antisemitische Beschimpfungen dürfen wir uns niemals gewöhnen – egal von wo oder von wem sie kommen.“
Am 10. Mai twitterte sie:
So, als würden „Corona-Leugner“ mit Rufen wie „Scheißjuden“ und „Zionistenpresse“ durch die Straßen marschieren, und als wären sie daran schuld, dass es in manchen Teilen Berlins heute gefährlich ist, mit Kippa auf die Straße zu gehen.
Dass diese Zustände herrschen, liegt vor allem an der Propaganda arabisch-islamischer Organisationen in Deutschland. Aber auch daran, dass deren Aktivisten bereitwillige Helfer in öffentlichen deutschen Sendern finden.