Arbeitgeber in Deutschland haben 2021 im Durchschnitt 37,30 Euro für die Arbeitsstunde gezahlt. Das sind 1,4 Prozent mehr als im Jahr davor. Ausgewertet hat das Statistische Bundesamt die Zahlen der Bereiche „Wirtschaftliche Dienstleistungen“ und Produzierendes Gewerbe – also vereinfacht ausgedrückt die Industrie.
Im Vergleich mit anderen Ländern der Europäischen Union belegt Deutschland damit Platz sieben. Spitzenreiter ist Dänemark, wo der Arbeitgeber für die Arbeitsstunde 48,30 zahlt. Auf dem letzten Platz steht Bulgarien mit 6,80 Euro die Stunde. Durchschnittlich kostet die Stunde in der EU 28,60 Euro, sodass Deutschland um 30 Prozent über dem Schnitt liegt.
In der Industrie kostet die Arbeitsstunde laut Statistischem Bundesamt 41,90 Euro. In diesem Bereich liegt Deutschland demnach 45 Prozent über dem EU-Schnitt und belegt Platz vier der teuersten Länder. Wobei sich die Arbeitskosten aus zwei Faktoren zusammensetzen: dem Lohn, den der Arbeitnehmer erhält, und den Abgaben, die er dem Staat und den Kassen überlassen muss. Durch die diversen Corona-Hilfen ist der internationale Vergleich schwieriger geworden. Beziehungsweise weniger aussagekräftig. Denn die Mitarbeiter, die Geld für „Kurzarbeit“ erhalten haben, fließen in diese Statistik nicht ein. Deutschland hat von diesem Instrument in der Pandemie stark Gebrauch gemacht.
Die Erzählung vom reichen Deutschland stimmt daher nicht. Zumindest dann nicht, wenn man sich die Arbeitnehmer anschaut. Diejenigen, die den Wohlstand erwirtschaften. Ein deutscher Haushalt verfügt im Schnitt über ein Vermögen von 70.800 Euro, wie die Bundeszentrale für Politische Bildung mitteilt. Damit ist der deutsche Haushalt ärmer als der portugiesische, der über 74.800 Euro verfügt. Ärmer als der slowenische Haushalt, der 91.600 Euro hat. Ärmer als der italienische Haushalt, der 132.300 Euro besitzt. Und erst recht ist der deutsche Haushalt ärmer als der luxemburgische, dem stolze 498.500 Euro zur Verfügung stehen.
Die Berechnung der Bundeszentrale beruht auf dem „Median“, einzelne extrem Reiche werden aus der Wertung genommen, weil sie das Ergebnis verzerren. In der Wertung mit den Super-Reichen liegt Deutschland im Vergleich um etwa 1,5 Prozent über dem Schnitt der europäischen Staaten. In der Wertung ohne die Superreichen sind es rund 30 Prozent unter dem Schnitt.
Deutschland ist halt ein Sozialstaat, könnte die Erklärung heißen. Der Deutsche muss halt viele Abgaben bezahlen, bekommt dafür aber vom Staat viel zurück. Nun ja. Nein. Nach einer Berechnung der OECD erhalten deutsche Rentner zum Beispiel künftig ein Rentenniveau von 51 Prozent. Im OECD-Schnitt sind es 63 Prozent. Wobei deutsche Geringverdiener 55 Prozent des früheren Einkommens erhalten. Eine gute Nachricht? Auch nicht. Denn in diesem Bereich beträgt der OECD-Durchschnitt 73 Prozent.
Der Staat ist es, der von den vergleichsweise hohen Arbeitskosten profitiert. Allein im Januar erhielt er 57,6 Milliarden Euro an Steuern. Ein Rekord, wie die Welt berichtete. Also kann der Staat sparen? Jein? Eigentlich müsste er es angesichts der Rekordeinnahmen können. Aber Bund, Länder, Gemeinden und Kassen sind im Ausgeben noch schneller. Allein in den Jahren 2020 und 2021 haben sie über 300 Milliarden Euro mehr rausgehauen als eingenommen, berichtet das Statistische Bundesamt.
Deswegen ist Aufgabenkritik des Staates ein großes Thema. Allen voran Finanzminister Christian Lindner (FDP) will den Steuerzahler entlasten, auch um die Arbeitsstunde billiger zu machen und die deutsche Industrie wettbewerbsfähig zu halten – halt, stopp, nicht glauben. Die letzten zwei Sätze waren ein Scherz – Ironie. Eine Aufgabenkritik findet eben nicht statt. Weder in Sachen Steuern noch in Sachen Abgaben. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat bereits gesagt, dass er eine weitere Erhöhung der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung gut findet. Lindners einziger Beitrag zum schlanken Staat besteht bisher darin, dass er Schulden in „Sondervermögen“ umgetauft hat.