Tichys Einblick
Experte für Desinformation

ARD-„Faktenfinder“ Patrick Gensing wechselt zum FC St. Pauli in die Zweite Liga

Der „Faktenfinder“ Patrick Gensing übernimmt die Kommunikation des Fußball-Zweitligisten FC St. Pauli. Seine Tweets legen nahe, dass sein Abschied von der ARD nicht ganz so harmonisch verlaufen ist, wie der Wahrheits-Experte es vorgibt.

Getty Images | Screenshot: Twitter | Collage TE

Ein Faktenfinder ist eine sinnvolle journalistische Einrichtung. Grundsätzlich. Falsche Zahlen, Namen oder auch nicht korrekt zugeordnete oder wiedergebene Zitate schleichen sich in die Berichterstattung ein, verbreiten sich und werden im Prinzip der „Stillen Post“ vom einen zum nächsten falsch weitergegeben. Ein Faktenfinder klärt zum Beispiel, ob die Zahl wirklich stimmt, was ihre Quelle ist oder wie sie methodisch zustande gekommen ist. Wird diese Aufgabe gründlich erfüllt, hilft sie, die Qualität der Berichterstattung zu erhöhen.

Grundsätzlich. Doch als die ARD sich vor gut fünf Jahren entschied, einen „Faktenfinder“ zu installieren, fiel ihre Wahl auf Patrick Gensing. Einen bekennenden Linken. Selbst für ARD-Verhältnisse. „Zahlengläubigkeit“ verurteilte Gensing in öffentlichen Aussagen. Es brauche den Experten, der die Zahlen einordne. Sodass mit ihm von Anfang an das „Fakten“-finden eher ein „Einordnung“-finden war. Wobei die Einordnung meist in eine Richtung ging: seine, nach links.

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Weshalb die Kritik gegen Gensing in den fünf Jahren seines Wirkens immer wieder aufflammte. Sodass er nicht daran vorbeikam, auch linke Vertreter:innen wie SPD-Chefin Saskia Esken zu untersuchen. Die hatte im April ein Bild mit sich und dem ukrainischen Botschafter Andrij Melnyk veröffentlicht und dazu geschrieben: Nach „erneut scharfer Kritik des ukrainischen Botschafters Andrij Melnyk an der Russland-Politik der Sozialdemokraten hat sich die SPD-Spitze mit dem Diplomaten getroffen“. Ein Bild mit dem Botschafter, ein Text, man habe sich mit ihm getroffen. Die Aussage Eskens war so eindeutig, dass die Nachrichtenagentur dpa darüber berichtete.

Doch dann fand Bild-Reporter Paul Ronzheimer heraus: Das Foto ist älter und das erwähnte Gespräch hat noch gar nicht stattgefunden. Ein Thema für Gensings Faktenfinder: Den Bild-Mann widerlegen konnte der ARD-Experte für Desinformation nicht. Deshalb schrieb er als Fazit: „Bei gezielter Desinformation werden immer wieder mutwillig alte Bilder und Videos benutzt, um die Öffentlichkeit in die Irre zu führen.“ Nun lernen Journalisten aktive Sätze statt passive zu formulieren und auf diese Weise Ross und Reiter beim Namen zu nennen. Zumal es sich hier mit Saskia Esken eindeutig um eine Person des öffentlichen Lebens handelt. Doch die SPD-Chefin in einem Satz mit „gezielter Desinformation“ zu erwähnen, brachte Gensing nicht über das Herz, das bekanntlich links sitzt.

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Den Text überschrieb Gensing mit „Verwirrung nach Esken-Tweet“ – „Verwirrung“. Nicht „Lüge“, „Schwindel“, „gezielte Falschaussage“ oder wenigstens „missverständliche Aussage“. Er entscheidet sich für „Verwirrung“ und folgte damit einem beliebten linken Weg, auf eigene Falschaussagen zu reagieren: einen Fehler verleugnen, bis es wirklich nicht mehr anders geht. Und dann, aber nur dann, sich dafür entschuldigen, leider falsch verstanden worden zu sein. Dann kann man das Thema immer mit dem Hinweis abtun, sich ja entschuldigt zu haben – obwohl man in Wirklichkeit nur gesagt hat, die anderen seien zu dumm, einen richtig zu verstehen. Gensing glaubt vielleicht nicht an Zahlen. Dafür aber an Wörter. Vor allem wenn sie die Welt in seinem Licht erstrahlen lassen.

Doch das ist nun vorbei. Er leitet künftig den Bereich Medien und Kommunikation beim FC St. Pauli. Ein Jugendtraum, wie Gensing mit einem Bild von seiner Abizeitung dokumentiert. Nur: Der Job ist laut Hamburger Morgenpost nur vorläufig. Gensing vertritt demnach Anne Kunze, die ein Jahr in Elternzeit geht. Außerdem ist es ein Abstieg vom Deutschen Meister der Nachrichten zum Fußball-Zweitligisten. Zwei Spieltage vor Saisonschluss hat der Club drei Punkte Abstand auf einen Aufstiegsplatz und die schlechteste Tordifferenz der fünf Aufstiegskandidaten.

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„Ich habe gekündigt, bin nicht rausgeflogen“, formuliert Gensing auf Twitter klar und deutlich wie ein Journalist. Er sage das präventiv, bevor etwas anderes in die Welt gesetzt werde. Okay. In einem anderen Tweet schreibt Gensing: „Ich wünsche dem ÖRR den notwendigen Mut, sich gegen unsachliche Attacken beherzt zu wehren und MitarbeiterInnen zu schützen“, formuliert der Journalist in einer Deutlichkeit, für die früher das Orakel von Delphi bekannt war. Wie der Esken-Tweet zeigt, sind Zweifel angebracht, wenn sich Gensing ins Undeutliche flüchtet. Dann sucht der Zahlenskeptiker nach den Worten, die seine Weltsicht als Fakt erscheinen lassen.

Würde Gensing der ARD wünschen, Mitarbeiter zu schützen, wenn sie das nicht ohnehin tut? Aufklären und zu mehr Wahrheit in der Welt beitragen, wird Gensing nach eigenen Aussagen nicht: „Bitte habt Verständnis, dass ich zur Zukunft der Ressorts #faktenfinder und Investigativ nichts sagen kann, das liegt nicht in meinen Händen“, schreibt er auf Twitter. Weiter heißt es dort: „Es gab berechtigte Kritik, aber auch viele harte persönliche Angriffe. Aber den Kopf einziehen? Nö.“.Hört sich kämpferisch wie der FC St. Pauli an – aber nicht so ganz nach harmonischem Abschied.

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