Tichys Einblick
Vereinigte Parallelgesellschaft

Erster Mai: Migrantengruppen und radikale Linke vereinen sich im Hass auf Israel, den Westen und die Polizei

Dieser erste Mai war antisemitisch wie selten zuvor. Die radikale Linke scheint sich aller inneren Widersprüche zu entledigen und gemeinsam mit arabischen Nationalisten ein Kampfbündnis gegen den Westen zu schmieden. Nancy Faeser sieht kein Grund zur Besorgnis.

IMAGO / Future Image

Der 1. Mai in Berlin ist dieses Jahr gar nicht mal so revolutionär – er hat etwas fast schon Konservatives an sich oder sagen wir: Altbackenes. Steht man am Rand und lässt die Demo in Berlin auf dem Weg zum Oranienplatz so an sich vorbeiziehen, dann ist es wie ein Schaulauf aus einer anderen Zeit: Sterne, Hammer und Sicheln in Gelb und Weiß auf rotem Grund tanzen lustig im mittelmäßigen Berliner Frühlingswetter. Dazu die verschiedensten Kombinationen von kryptisch-abgekürzten Namen: Man sieht Abzeichen der trotzkistischen Sozialistische Gleichheitspartei, der quasi-maoistische MLPD und der (aus Sicht der MLPD wiederum) sozialistisch-revisionistischen DKP, dazu diverse Arbeitsgruppen der Linkspartei, unabhängige kommunistsiche Jugendverbände.

Das ist aber erst der Anfang: Man sieht da ebenso die Fahne der Türkischen Kommunistischen Partei, die der Türkisch-Kommunistischen Partei/Marxisten Leninisten, der Arbeitspartei der Türkei, der Kommunistischen Partei des Iran und so weiter und so weiter. Dazwischen immer Symbole von einer der unzähligen Abspaltungen von PLO und der PFLP.
Und natürlich Silhouetten von Helden der Bewegungen. Neben Dauerbrennern wie Che und Fidel sieht man ab und an mal auch neuere Idole wie Alexandria Ocasio-Cortez – vor allem aber arabische Märtyrer. Wie etwa das Konterfei von Georges Ibrahim Abdallah: der Libanese sitzt wegen Doppelmordes seit Ende der 80er in Frankreich im Gefängnis – einer seiner Opfer war ein israelischer Diplomat.

Und ein Meer aus Palästina-Flaggen und Symbolen hin – das rote Dreieck auf Schwarz-weiß-grünem Grund ist wohl das häufigste Symbol dieser Demonstration. Natürlich immer verbunden mit dem Aufruf: „From dem River to the Sea – Palestine will be free“, also der Auslöschung Israels.

Und natürlich sieht man Tücher, die in unterschiedlichen kurdischen, palästinenischen und libanesischen Farb-Kombinationen eine ganz eigene Wissenschaft darstellen, etwa wie die Tartans der schottischen Clans. Und davon sieht man sogar auch welche: Keltische Symbole von der IRA bis zum schottischen Fußballclub Celtic Glasgow, dessen Fanszene nicht nur für seinen Kampf gegen die britische Regierung, sondern auch für seine Solidarität im Kampf gegen den israelischen „Apartheidsstaat“ bekannt ist.
Und so schließt sich irgendwie immer der Kreis.

Die Parolen, die man hört, enthalten viel „Yallah“ und sind teils ganz auf arabisch gehalten, die Musik ebenso. Auf wundersame Weise vereint sich ein permanenter Migrationsbezug in jeder Parole von Baklava bis zur Intifada mit Wörtern wie „Flinta-Personen“ und „Klassenkämpfer:innen“.

Auch zum Ukraine-krieg hat man eine klare Meinung: Nato und Russland seien Aggressoren, auch die alte Leier von der Nato-Osterweiterung wird hier gespielt. Wie auch sonst: Das Übel kommt immer aus Washington.

Der Schmelztiegel

Dieses Jahr ist etwas anders bei dieser Demo: Während die radikale Linke in den Vorjahren zwischen ihren ganzen Symbolen vor allem gespalten wie die sprichwörtliche Volksfront von Judäa schien, wirkt sie jetzt neu vereint. Insbesondere eine Frage scheint abschließend geklärt zu sein: Das Verhältnis zum Staat Israel. Entledigten sich die Jusos schon vor einigen Jahren mit ihrem Bündnis zur Fatah-Jugend ihres halbwegs pro-israelischen Flügels, so schien die Linksjugend bis zuletzt noch gespalten. Der „Bundesarbeitskreis Shalom“ sorgte auch bis in höhere Parteigremien der Linkspartei in Berlin für eine jedenfalls nicht konsistent antiisraelische Linie. Doch auch das ist jetzt vorbei: Ganz offen solidarisiert man sich jetzt mit dem Kampf gegen Israel.
Die dezidiert pro-israelische „antideutsche Antifa“ war im Norden von Berlin zuletzt noch eine Größe. In dem Gebiet wo die von ihren Gegnern als „Kartoffel-Antifa“ beschimpfte Szene noch vorherrschend war: Meistens eher bürgerlich sozialisierte Linksradikale ohne Migrationshintergrund, die sich lieber mit der Frage der Geschlechtergerechtigkeit als mit den Belangen der Arbeiterklasse beschäftigten, und ansonsten vor 12 Uhr nicht aufstehen.

Doch vor allem in Neukölln wächst eine neue dominierende Strömung: Hier übernahm die „Migrantifa“, die ihre Botschaften teils direkt in arabischer Sprache verfasste. Für sie war der Hass auf Israel genauso abgemacht, wie der Hass auf die Polizei. Der Kampf gegen Amerika, den Kapitalismus und den Westen schlechthin verband linkes und arabisch-nationalistisches Gedankengut, irgendwo dazwischen auch immer noch eine Prise Islamismus.

Speerspitze dieser Szene war vor kurzem noch der „Kommunistische Jugendwiderstand“, der seine Hochphase vor rund drei Jahren in Neukölln erlebte: Antisemitisch, maoistisch, verbandelt mit allerlei migrantischen Gruppen – die Mitglieder meist mit strammen Kurzhaarfrisuren ausgestattet und mit einem Faible für Muskelaufbau statt für Drogen und Partys. Sie richteten sich vor allem gegen die in ihren Augen verweichlichte Bürgersöhnchen-Linke. Nach breiter Kritik und Polizeivorgehen löste die Gruppe sich auf – doch ihre Mitglieder dürften immer größere Teile der linksradikalen Szene unterwandern.

Dieser 1. Mai ist ein Sieg für sie. Denn das Meer an palästinensischen Flaggen, die unwidersprochenen Rufe nach der Auslöschung Israels, die Bilder von palästinensischen Terroristen, lassen keinen Zweifel, genau wie das Motto des diesjährigen Aufmarsches: „Yallah Klassenkampf“.
Die radikale Linke scheint ihre inneren Widersprüche aufzulösen, das Feindbild macht es möglich.

Für Berlin ist diese Entwicklung gefährlich. Denn während linke und migrantische Gruppen in den letzten Jahren oftmals ihre „revolutionäre Energie“ darauf verwendeten, sich gegenseitig zu bekämpfen, ist man sich auf einmal einig. Es ist eine vereinigte Parallelgesellschaft, die jetzt übernehmen will.

Und sie verfügen nicht nur über die Gewaltbereitschaft der arabischen Gruppen, die die der „Kartoffel-Antifa“ doch nochmal deutlich übertrifft – sie haben auch Kontakte in die Parteien, Gewerkschaften und Verbände. Ihr bester Freund: Innenministerin Nancy Faeser. Nachdem diese an diesem 2. Mai erstmal auf Twitter frohen Ramadan wünschte, schrieb sie hinterher: „Herzlichen Dank und großen Respekt an die tausenden Einsatzkräfte der Polizei der Länder und der Bundespolizei! Danke, dass Sie für weitgehend friedliche, offene und vielfältige Demonstrationen zum 1. Mai gesorgt und Gewalt und Randale verhindert haben“.

Die nicht zu übersehende Bereitschaft zur Auslöschung Israels nennt Faeser „friedliche, offene und vielfältige Demonstrationen“. Auch der Berliner Senat sieht in punkto Antisemitismus jetzt kein weltbewegendes Problem.

Während die Mainstream-Linke sich in immer absurdere Wohlstandsträumerein von klimagerechter LGBT-Politik verliert, wird sie von hinten aufgerollt: Ihre Speerspitze ist nicht mehr bei Fridays for Future, sondern auf dem Weg zu Stalin und Arafat.
Der israelbezogene Antisemitismus explodiert förmlich. Und die parlamentarische Linke muss jetzt klären, auf welcher Seite sie steht.

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