Für ihre Mitglieder ist es keine echte Nachricht mehr – denn sie werden es selbst gewusst haben. Doch in Berlin gibt es eine Redaktion, die heute Grund zum Feiern hat: die Welt am Sonntag. Sie hat ihre einzeln und im Abo verkaufte Auflage innerhalb eines Jahres um knapp 39.000 Exemplare auf 228.000 Exemplare erhöht. Das ist ein Zuwachs von 20,3 Prozent. Zum Vergleich: Im ersten Quartal lagen Welt am Sonntag und Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung noch in etwa auf Augenhöhe. Doch im letzten Jahr ging es für die FAS um 12.000 Exemplare nach unten. Jetzt sind es nur noch 175.000 verkaufte Exemplare – ein Rückgang von 6,3 Prozent.
Inhaltlich hat sich die Welt am Sonntag vor allem durch ihre Berichterstattung zum Corona-Komplex hervorgetan. Erst an diesem Wochenende konnte die Zeitung exklusiv darüber berichten, wie Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) eine Reform des Robert-Koch-Instituts torpediere und so einen gesicherten Wissensstand über die Entwicklung der Pandemie verhindere. Laut IVW hat sich diese Themensetzung nun bei den Lesern bewährt. Während die Branche insgesamt an Zuspruch verliert. So hat die altehrwürdige FAZ als Tageszeitung im vergangenen Jahr 5,5 Prozent ihrer Leser verloren – und kommt nur noch auf eine verkaufte Auflage von 172.000 Exemplaren. Zum Vergleich: Das ist etwas weniger, als Saarbrücken Einwohner hat.
A propos Saarbrücken: Nicht nur die überregionalen Zeitungen befinden sich auf dem Rückzug. Beispiele: Die Verbreitung der Saarbrücker Zeitung ist vom ersten Quartal 2021 aufs erste Quartal 2022 zurückgegangen von 110.000 Exemplaren auf 104.000 Exemplare. Noch krasser hat es in Hessen und Rheinland-Pfalz den Verlag VRM erwischt, in dem unter anderem die Mainzer Allgemeine Zeitung erscheint. Das Paket „VRM plus“ hatte Anfang 2021 noch eine verbreitete Auflage von 290.000 Exemplaren – Anfang dieses Jahres waren es dann nur noch 256.000 Exemplare; das entspricht einem Rückgang von 11,7 Prozent. Hier zeigt sich Ähnliches wie in der gesamten Branche: Die Verbreitung der E-Paper-Abos nimmt zwar zu – kann aber den Rückgang im Print-Geschäft nicht annähernd ausgleichen.
Die IVW ist ein Verein: „Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern“. Unter anderem melden 325 Tages- und 15 Wochenzeitungen ihre Zahlen an die IVW. Wie der Name sagt, geht es im Wesentlichen darum, die Relevanz für die werbetreibende Wirtschaft zu belegen. Doch die Zahl für die Branche sind seit Jahren rückläufig. Während der Corona-Pandemie gab es kurzfristige Momente, in denen es nach Erholung aussah. Aber das scheint wieder vorbei zu sein.
Eine Auflage von zusammen 16,1 Millionen Exemplaren hatten alle Zeitungen zusammen noch im ersten Quartal 2021 der IVW gemeldet. Im zurückliegenden Quartal waren es nur noch 15,3 Millionen Exemplare. Besonders hart trifft es die Wochenzeitungen. Ihre Auflage ist laut IVW von 1,685 Millionen Exemplare auf 1,452 Millionen Exemplare zurückgegangen – ein Verlust von 13,8 Prozent. Umso beachtlicher lässt das den Zugewinn der Welt am Sonntag erscheinen.
Eine Umfrage von Insa lässt vermuten: Das Zeitungssterben wird noch weiter an Fahrt aufnehmen. Denn es wachsen buchstäblich keine Zeitungsleser nach. Demnach informieren sich schon jetzt nur noch 28 Prozent aller Befragten regelmäßig über eine Zeitung. 60 Prozent gaben indes ausdrücklich an, dies nicht zu tun. Wobei Frauen mit 25 Prozent weniger häufig in die Zeitung schauen als Männer mit 31 Prozent.
Blickt man auf die Altersgruppen, fallen die Ergebnisse noch deutlicher aus: Während die Menschen über 60 Jahre noch angaben, dass 40 Prozent regelmäßig in die Zeitung schauen, waren es bei den 18- bis 29-Jährigen nur 18 Prozent. Eine Mehrheit von insgesamt 53 Prozent gab laut Insa an, dass ihre wichtigste Informationsquelle das Internet ist. Dass die Jüngeren eher und die Alten sich weniger aufs Internet verlassen, dürfte kaum einen überraschen. Spannend ist jedoch eine Zahl: Menschen mit Migrationshintergrund vertrauen zu 61 Prozent aufs Internet, Menschen ohne Migrationshintergrund nur zu 52 Prozent.
In früheren Zeiten galten Todesanzeigen als Indikator für den Erfolg einer Zeitung: War sie voll damit, war sie erfolgreich. Heute ist es statistisch gesehen umgekehrt: Umso mehr Menschen gestorben sind, desto mehr Zeitungsleser sind unwiderbringlich verloren.