Immer, wenn der Name Angela Merkel fällt, leuchtet bei Friedrich Merz fast sichtbar im Gehirn eine rote Lampe auf. Jetzt ist für ihn höchste Vorsicht geboten! Dabei weiß doch jeder, der den hageren Langen aus dem Sauerland auch nur ein wenig kennt, wie tief die Abneigung gegen die „Pfarrerstochter aus Templin” in ihm sitzt. Er macht Merkel nicht nur für die schweren Fehler zum Schaden Deutschlands während ihrer 16-Jährigen Amtszeit verantwortlich, sondern sieht in ihrem Wirken auch die Ursache für den maroden inneren Zustand der Union – und schließlich sind da noch die schweren persönlichen Demütigungen, die Merkel ihm beigebracht hat.
Merz streicht um „Mutti” herum, wie die Katze um den heißen Brei
Doch der wäre nicht er, wenn er nicht genau kalkulierte, was die Folgen seiner Worte sein könnten. Wenn auch nach jüngsten Umfragen bereits jedes zweite CDU-Mitglied die Amtsjahre Merkels kritisch sieht, sind es immerhin noch andere fünfzig Prozent, die diese Ära als gut bewerten. Zwar hat der Sauerländer die Führungsspitze ausgewechselt, dabei aber bewusst keine ausgesprochenen Merkel-Kritiker in Stellung gebracht. Die von den Merkel-abtrünnigen Mitgliedern der Werte-Union und anderen erhoffte Richtungsänderung blieb aus und wird wohl auch nicht stattfinden.
Um dies zu verstehen, muss man versuchen, die Gedankenwelt des Friedrich Merz zu durchdringen. Ein totaler Bruch mit der Merkelschen Strategie, die CDU nach links – und hier insbesondere in Richtung grüner Ideologie – zu verschieben, würde nicht nur lautstarke Widerstände der treuen Alt-Merkelianer hervorrufen, sondern zugleich dem politischen Gegner im Verbund mit der überwiegend linken Publizistik die Gelegenheit geben, das Bild einer zerstrittenen und damit politikunfähigen Opposition zu zeichnen. Hinzu kämen mögliche Solidarisierungseffekte aus einer Mischung von nostalgischer Verklärung der Merkel-Zeit und einer Prise Mitleid mit der „alten Frau”. Auch ein schlechtes Gewissen dürfte bei vielen als innere Selbstentschuldigung eine Rolle spielen. Denn schließlich war es Merkel gelungen, die Partei weitgehend gleichzuschalten, systematisch kritische Geister auszubooten und ein Klima der Duckmäuserei entstehen zu lassen. Doch wer gibt schon gern zu, ein Opportunist gewesen zu sein?
Merz spekuliert auf die normative Kraft des Faktischen
Will Merz also die alte Schlagkraft der CDU ernsthaft wiederherstellen, muss er jegliche innere Konflikte vermeiden. Dies umso mehr, als dass niemand vorher sehen kann, wann die fragile Ampelkoalition unter der großen Last der Herausforderungen an ihren Gegensätzen zerbricht.
Was könnte nun aber das Konzept der neuen Nummer eins der CDU sein? Kalt und nüchtern, wie Merz nun mal ist, könnte er auf die normative Kraft des Faktischen setzen, die für unser Land vorhersehbar harte Zeiten mit sich bringen wird. Ganz automatisch wird in den bevorstehenden gesellschaftlichen Konflikten auch eine Aufarbeitung der vergangenen Jahrzehnte seit der Wiedervereinigung erfolgen müssen. Dazu gehört dann auch das Nennen von „Ross und Reitern”. Der Name Angela Merkel dürfte dann mit oder ohne Merz an erster Stelle stehen.