Prof. Dr. Harald Matthes ist ärztlicher Leiter des Gemeinschaftskrankenhauses Havelhöhe in Berlin und Stiftungsprofessor an der Berliner Charité. Seit zwei Jahren führt er für die Charité eine Studie zur Sicherheit der Covid-19-Impfstoffe durch. Bereits in einem aufsehenerregenden Film des MDR zum Thema sprach er dabei von einer deutlichen Untererfassung von Impfnebenwirkungen durch das Paul-Ehrlich-Institut (TE berichtete).
„Wenn man sich dann aber anguckt, wie in der Öffentlichkeit zurzeit schwarz/weiß gemalt wird und mit welcher Heftigkeit bestimmte Meinungen ausgetauscht werden, ohne dass da Fakten sind“, so Matthes im Interview mit Focus Online, „dann merkt man schon, wie ungerecht er für etwas abgestraft worden ist, das vielleicht nicht ganz vorsichtig formuliert war.“
Seinen Forschungsergebnissen auch im Vergleich zu anderen Registern nach würde die Untererfassung der Nebenwirkungen durch das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) „mindestens bei 70 Prozent“ liegen, analysiert der Berliner Professor. Dieses „Underreporting“ des PEI hat für Matthes mit dem Meldesystem grundsätzlich zu tun. So seien Ärzte zwar gesetzlich zur Meldung verpflichtet, „aber es macht eben viel Arbeit und wird deshalb oft nicht so ausgeführt, wie man es sich wünschen würde“.
Matthes bemängelt den medialen Umgang mit der Debatte: „Wenn man sich ansieht, was nach dem Beitrag vom MDR zum Beispiel auf Twitter geschrieben wird, erkennt man, wie schwierig aktuell eine sachliche Diskussion zu diesem Thema ist.“ Die Wissenschaft sei missbraucht worden: „…wir haben keine differenzierten Diskussionen in der Öffentlichkeit geführt, sodass wir inzwischen neben einer breiten Mitte auch zwei extreme laute Lager vor allem in den sozialen Medien haben“.
Das ursprünglich mit dem Paul-Ehrlich-Institut geplante Gespräch über die Daten sowie eine in Aussicht gestellte Studie fand dann wohl nicht statt. Für den zuständigen Gesundheitsminister Karl Lauterbach war die Sache damit gelaufen – er interpretierte die Kündigung Schöfbecks sogar als Quasi-Beleg dafür, dass es keine Untererfassung der Nebenwirkungen geben würde (TE berichtete).