In einer Demokratie kommt dem Duell zwischen Regierungschef und Oppositionsführer immer eine besondere Aufmerksamkeit zu. Gelten sie doch, den Gladiatoren im alten Rom gleich, als die Schwergewichte im Ring. Kanzler Olaf Scholz und CDU-Chef Friedrich Merz standen sich zum ersten Mal in einer Haushaltsdebatte des Bundestages in diesen Funktionen gegenüber. Um es gleich vorwegzunehmen: Beide setzten ihre Duftmarken und ließen erkennen, was uns bis zum Ende der Ampel-Koalition erwartet. Um es mit einem Bild aus der Tierwelt zu beschreiben: Die Deutschen erlebten ein Aufeinandertreffen von Igel und Luchs.
Oberflächlich betrachtet müsste das Rennen schon vor dem Beginn entschieden sein. Natürlich gilt der Luchs von vornherein als der schnellere und geschmeidigere Sieger. Doch weit gefehlt: So oft der Luchs auch versucht, seine spitze Schnauze mit den gefährlichen Reißzähnen unter die Rüstung des Igels zu schieben, scheitert er an der Heimtücke der widerlichen Stacheln. Am Ende verlassen beide weder als Sieger noch als Verlierer die Arena. Igel und Luchs sind einfach zu verschieden, als dass sie aneinander gemessen werden könnten, vergleichbar einem Hai und einem Adler.
Die Stärken des Friedrich Merz sind seine Klarheit und sprachliche Präzision. Lässt er dabei noch, wie diesmal, jeden Anflug von Arroganz und Herabwürdigung seines Gegenübers beiseite, gewinnt er fast staatsmännische Züge. Die Lage des Landes analysierte „der Lange aus dem Sauerland“ kräftig und grausam realistisch: immer weiter wachsende Verschuldung des Staates, eine galoppierende Inflation, technologischer Stillstand in Forschung und Wirtschaft und nicht zuletzt eine fehlende Konzeption zur Bewältigung der Energiekrise.
Konkret wurde Merz mit bohrenden Fragen nach der Glaubwürdigkeit der Solidaritätsbekundungen zur Ukraine: Wann und welche Waffen wurden der Ukraine, wie versprochen, tatsächlich geliefert? Wie wird garantiert, dass die zur Stärkung der Bundeswehr zusätzlich geplanten Mittel eines Sondervermögens in Höhe von 100 Milliarden Euro tatsächlich und ausschließlich der Bundeswehr zugutekommen. Ohne eine Mitsprache der CDU werde es seitens der Opposition keine parlamentarische Zustimmung dazu geben. Die ist aber zu einer dafür notwendigen Ergänzung des Grundgesetzes durch eine Dreiviertel-Mehrheit des Bundestages zwingend erforderlich! Der Führer der stärksten Oppositionspartei forderte damit nicht nur mehr Aufklärung über die Vorhaben der Regierung, sondern formulierte für die nächsten Monate eine klare Kampfansage.
Dann aber verschwand alles wieder im Scholz’schen „Sowohl als Auch“. So würdigte er zum einen die Bemühungen seines Wirtschaftsministers Habeck, neue Quellen für die Versorgung mit fossilen Trägern wie Öl und Kohle zu eruieren, bekräftigte aber gleichzeitig das Ziel einer Transformation unserer Wirtschaft hin zu mehr Energieeffizienz und ökologischer Nachhaltigkeit. Als Motto gab er hierzu die Devise aus: „Jetzt erst recht“. So redete der gewiefte Taktiker in einem Satz gleich allen Seiten zu Munde. Führung ist das nicht!
Mit keinem Wort streifte er auch nur die Möglichkeit eines begrenzten Weiterbetriebes der noch drei verbliebenen und voll funktionsfähigen Kernkraftwerke oder die zusätzliche Nutzung der riesigen Braunkohlevorräte unseres Landes. Ebenso beantwortete Scholz keine einzige der von Merz gestellten Fragen zum Ukraine-Krieg, den versprochenen Waffenlieferungen, so wie er auch das Verlangen der CDU/CSU nach einer Mitwirkung bei der Verwendung der neuen finanziellen Mittel zur Stärkung der Bundeswehr schlicht ignorierte.
Mit diesem Auftakt zu den Haushaltsdebatten des Jahres ist jeder Hauch von Harmonie und Konsens zwischen Regierung und Opposition verschwunden. „Igel“ und „Luchs“ werden immer wieder aufeinander treffen, wobei man gespannt sein darf, ob sie Strategie und Taktik des Kampfes beibehalten.