Auf die Rücktrittsforderung gegen die frühere rheinland-pfälzische Umwelt- und jetzige Bundesfamilienministerin wegen ihres Versagens in der Ahrtal-Flut reagieren die Grünen mit einer Beschimpfung des politischen Gegners, ohne konkret auf die Faktenlage einzugehen.
„Wir erachten es außerdem als sexistisch und chauvinistisch, eine derzeitige Bundesministerin und eine ehemalige stellvertretende Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, als ‚politische Marionette‘ von zwei Männern zu bezeichnen“, erklären die beiden grünen Landesvorsitzenden von Rheinland-Pfalz, Josef Winkler und Misbah Khan: „Das entspringt einem politischen Denken des letzten Jahrhunderts und lässt uns fassungslos zurück.“
Die Stilkritik, zu der sich die Partei-Doppelspitze des Landes bemüßigt fühlt, bezieht sich auf eine Bemerkung des CDU-Obmanns im Flut-Untersuchungsausschuss des Landtags Dirk Herber. Der Abgeordnete hatte Spiegel als „politische Marionette des grünen Fraktionsvorsitzenden Bernhard Braun und des Staatssekretärs Erwin Manz“ bezeichnet und die Frage aufgeworfen, wer die Geschäfte des Umweltministeriums während der Flutkatastrophe eigentlich geführt habe.
Herbers Kritik zielt auf die Kommunikation in der ersten Nacht der Ahrtalflut vom 14. auf den 15. Juli 2021. Nachdem Spiegels Ministerium am 14. Juli um 16.43 Uhr eine Pressemitteilung mit der falschen Prognose herausgegeben hatte, es drohe „kein Extremhochwasser“, fragte jemand aus Spiegels Pressemitteilung bei Staatssekretär Erwin Manz später angesichts der steigenden Pegelstände der Ahr nach, ob es nicht doch nötig sei, deutlicher zu warnen. Manz antwortete per SMS: „Heute nicht.“
In der Ahrtal-Flut starben insgesamt 134 Menschen, mehr als 800 wurden verletzt.
Die Ministerin selbst entschied zu der Frage der Warnung nichts; sie hatte sich in der Flutnacht schon frühzeitig zu einem Abendessen mit einem Parteifreund verabschiedet. Am nächsten Tag sorgte sie sich dann darüber, dass ein „Blame game“ beginnen könnte, und bat ihren Pressesprecher, ihr ein passendes „Wording“ zusammenzustellen, also geeignete Textbausteine, um sich rechtfertigen zu können.
Warum es „sexistisch“ und „chauvinistisch“ sein sollte, einer Ministerin vorzuhalten, dass sie sich um wesentliche Abläufe in ihrem Haus nicht selbst kümmerte, erklärte das grüne Führungsduo nicht. Die beiden Landesvorsitzenden gingen auch sonst auf keinen der Vorwürfe gegen Spiegel ein. Stattdessen erklärten sie: „Wir sehen nach den Ergebnissen des Untersuchungsausschusses, der im Übrigen ja noch immer tagt und auch noch keinen Abschlussbericht vorgelegt hat, keinen Raum für Rücktrittsforderungen und weisen diese in aller Entschiedenheit zurück.“
Spiegel selbst teilte mit, keine Konsequenzen aus ihrer Rolle während der Flut ziehen zu wollen. Sie freue sich nach ihrer Genesung von einer Omikron-Infektion auf die anstehenden Aufgaben in Berlin.