Tichys Einblick
Spritpreisbremse als Wahlkampfthema

Ministerpräsident Tobias Hans versucht mit allen Mitteln die Stimmung an der Saar zu drehen

Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) will eine Spritpreisbremse. Als politische Initiative ist das kaum ernst zu nehmen – vielmehr als Hans' Versuch, sein Image loszuwerden.

IMAGO / Political-Moments

Das Saarland hätte es ohne Kohle nie gegeben. Bis 1919 war es ein Flickenteppich aus Landstrichen, die zu den unterschiedlichsten deutschen Monarchen gehörten. Darunter das Haus Oldenburg. Dann erst machten die Sieger des Ersten Weltkriegs eine politische Einheit daraus. Wegen seines Reichtums an Kohle sollte Deutschland nicht weiter den Zugriff auf die Saar haben. So begann die Geschichte des kleinsten deutschen Flächenlandes.

Die Kohle hat die Menschen an der Saar geprägt. Nicht nur wirtschaftlich. Sondern vor allem mental. Heinz Beckers „Dummschwätzer“ gehört tatsächlich zu den schlimmsten Ausdrücken, die Saarländer ihren Landsleuten an den Kopf werfen können. „Der schafft ordentlich was weg“ ist indes das größt mögliche Kompliment. Fleiß und Bescheidenheit zählen im Land, das einst der kleine Bruder des Reviers war.

Da kommt es in der Landespolitik drauf an, wie man auftritt. Am besten nicht so wie Heiko Maas (SPD). Der galt den Saarländern als „Pippi“: weich, nicht geradeaus, ein „Dummschwätzer“ halt. Dreimal trat Maas an, um saarländischer Ministerpräsident zu werden. Dreimal verlor er. Zuletzt gegen Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU). Die galt den Saarländern eher als das, was sie „e Kerl“ nennen – und was für sie denkbar positiv besetzt ist.

Nun bahnt sich eine Wiederholung dieser Geschichte an – mit vertauschten Parteibüchern. Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) hat sein Amt geerbt, als Kramp-Karrenbauer nach Berlin ging. In zwei Wochen muss er es zum ersten Mal selbst verteidigen. Aber es sieht nicht gut aus: In den Umfragen liegt er zwischen fünf und acht Prozent hinter der SPD. Und was noch schlimmer ist; durch die Ampel hat die SPD eine realistische Regierungsoption. Die fehlt Hans. Er kann nur im Amt bleiben, wenn eine Große Koalition notwendig wird und die CDU dabei vor der SPD landet.

Hans genießt ein ähnliches Ansehen wie Maas. Zu weich. Zu wenig geradeaus. Der Studienabbrecher kämpft gegen dieses Image an. In der Pandemie versuchte er, den Hardliner zu geben. Zuhause mutete er seinen Landeskindern mit die härtesten Regeln der Republik zu – und fuhr dann selbst in Urlaub. Etwas, was ihm selbst konservative Parteigänger heute noch übel nehmen.

Im Wahlkampf kommt es auf das Image an. Allzumal in einem Land, das so pleite ist wie das Saarland. Gestalten lässt sich da kaum. Hans hat auch das versucht. Der Studienabbrecher wollte die Zeit auf dem Gymnasium von acht auf neun Jahre verlängern. Die Reduzierung auf „G8“ war allerdings 20 Jahre lang ein christdemokratisches Vorzeigeprojekt an der Saar. Tobias Hans: zu weich. Zu wenig geradeaus.

Seine Herausforderin Anke Rehlinger inszeniert sich da deutlich geschickter. Sie macht mit einer zwölf Seiten starken Broschüre Wahlkampf. Landespolitische Themen finden sich in den Überschriften nicht. Es sei denn, man betrachtet die Pandemie als ein solches. Punkte wie die Kita-Gebühren zählt sie zwar auf. Aber sie dienen nicht wirklich als Thema, über das im Wahlkampf gesprochen werden soll – eher als Soundteppich, der den Bürgern das Gefühl vermitteln soll, die stellvertretende Ministerpräsidentin und Wirtschaftsministerin des Landes sei kompetent.

Wichtiger als die Inhalte ist aber in diesem Wahlkampf die Bildsprache: Rehlinger zeigt sich in Erdfarben, die Layouts der Broschüre oder der Plakate sind klassisch. Bloß nicht den Eindruck aufkommen lassen, die Kandidatin sei etepetete. Der Slogan lautet „Echte #SaarlandLiebe“. Dass mit Heimatliebe Wahlkampf gemacht wird, ist nicht neu. Schon gar nicht im Saarland. Aber die Planer im Team Rehlinger scheinen Hans’ Bresche entdeckt zu haben. Mit dem Wort „echt“ greifen sie diese an. Die ehemalige Kugelstoßerin hat bei den Saarländern eher das Zeug dazu, als „e Kerl“ durchzugehen. Als wahrhaftig. Stark. Geradeaus.

Hans experimentiert. Auf den Wahlplakaten zieht die CDU das Wort „Saarland“ auseinander: Der Flussname steht ganz oben, der Begriff „Land“ ganz unten. Was beim Vorbeifahren die Frage aufwirft: „Häh?“ Und Hans versucht sich an einem Imagewechsel. Das ging allerdings schon bei Maas in die Hose. Der ließ sich an der Straße fotografieren – mit Dreitagebart und offenem Hemdknopf. Den harten Kerl nahm ihm aber keiner ab. Zu weich. Zu wenig geradeaus. Das Image blieb.

Hans spielt nun den Wutbürger. Er hat eine Kampagne für eine „Spritpreisbremse“ gestartet. Nicht mit einer Rede. Nicht in einem Interview oder einer Presseerklärung. Sondern mit einem Selfie-Video. Hans hält sich darin das Smartphone kurz vors Gesicht und legt los: Er sei jetzt hier an einer Tankstelle vorbeigefahren und es reiche ihm. Diese hohen Preisen. Wir armen einfachen Leute. Und das Schlimmste: „Wirklich irre … Der Staat bereichert sich an diesen gestiegenen Energiekosten.“ Wir sollten uns ihm, Tobias Hans, jetzt anschließen und für eine Spritpreisbremse kämpfen.

Was zählt, ist der Subtext: Ich bin einer von Euch. Ich kämpfe zusammen mit Euch. Die eigentliche Aussage, es solle was gegen steigende Energiekosten getan werden, ist nicht wichtig. Denn es ist nicht glaubwürdig, dass Hans dieses Ziel nach der Wahl nachhaltig verfolgen wird. Geschweige denn, dass er damit einen praktischen Erfolg erzielen könnte. Hans ist ein Wetterfähnchen: „Wir konnten beim Thema Klimaschutz nicht die richtigen Antworten geben, obwohl die Bewahrung der Schöpfung zur DNA der CDU gehört“, sagte Hans. Beim Klimaschutz habe die CDU bisher zu sehr „herumlaviert“. Solche Aussagen sind gerade mal drei Jahre alt. Damals beherrschten die FFF-Demonstranten die Straße und die Nachrichtenlage. Da schloss der heutige Spritpreisbremsenkämpfer sich den entschlossenen Klimaschützern an. Hans ist ein Hirte, für den die Herde entscheidet, wohin er mitläuft.

Zwei Wochen hat Hans noch, um mit seinem Imagewechsel auch den Wahlkampf zu drehen. Den letzten Schritt zum harten Kerl ist der Ministerpräsident in seinem Selfie-Video noch nicht gegangen: Der oberste Hemdknopf blieb zu. Vielleicht, weil das schon bei Maas nicht geholfen hat.

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