Eine Spaltung der internationalen Rechten mag in Anbetracht der aktuellen Geschehnisse unbedeutend erscheinen. Dennoch lohnt es sich, darüber nachzudenken. Denn in den letzten Jahren hat sich unter den Konservativen auf beiden Seiten des Atlantiks eine interessante Kluft aufgetan. Auf der einen Seite stehen die Krieger des Kalten Krieges und ihre Nachfolger, die Wladimir Putins Russland weiterhin als strategische Bedrohung ansehen. Unterdessen ist eine neue Generation aber zu einer anderen Auffassung gelangt.
Während der Westen sich selbst mit Angriffen auf seine eigene Geschichte, auf die Biologie und vieles mehr verrückt macht, sieht eine Reihe von Konservativen in Putin eine Art Gegengewicht. Ein Bollwerk – sogar ein bewundernswertes Korrektiv – gegen den Wahnsinn unserer eigenen Gesellschaften. Wie es ein Gast in Steve Bannons Talkshow kürzlich ausdrückte: „Das russische Volk weiß immer noch, welche Toilette es benutzen muss.“ Natürlich reicht die Kenntnis über die richtige Toilette nicht aus, um alle Fragen zu beantworten und ist gewiß keine Basis für Außenpolitik. Aber es bringt eine allgemeine Stimmung auf einen kurzen Nenner.
Es gibt zum Beispiel Leute, die Putin dafür bewundern, dass er die orthodoxe Kirche umarmt. Warum, so fragen sie sich, treten unsere eigenen politischen Führer nicht auf so aufrichtige und völlig unzynische Weise für den christlichen Glauben ein?
Eine Reihe von Konservativen sieht in Putin ein bewundernswertes Korrektiv zum Wahnsinn unserer eigenen Gesellschaften. Mehr noch: während der Westen vor lauter Wokeness durchdreht, erkennt Putin nicht einmal die elementarsten Rechte von Homosexuellen an. Während unsere politischen und kulturellen Eliten dabei sind, unsere eigene Geschichte in eine Geschichte der Schande zu verwandeln, präsentiert Putin eine Version der russischen Geschichte, die ganz von Stolz erfüllt ist. Doch wie sehr sich diese Leute in ihm geirrt haben, ist in den letzten Tagen klar geworden.
Am äußersten Extrem, an Amerikas winzigem weißem nationalistischem Rand, sind die Teilnehmer der America First Political Action Conference, auf der die republikanische Kongressabgeordnete Marjorie Taylor Greene Ende letzten Monats sprach. Diese Konferenz bestand aus Möchtegern-Faschisten, die einem besonders widerwärtigen kleinen Antisemiten namens Nick Fuentes folgen. Die Menge skandierte tatsächlich „Putin, Putin, Putin“, bevor die ignorante Kongressabgeordnete die Bühne betreten hatte. Sie tat so, als habe sie nichts gehört.
Sogar bedeutendere Zeitgenossen verhalten sich ähnlich. Unmittelbar nach Putins Einmarsch in die Ukraine hat Donald Trump Kommentare abgegeben, die auf aberwitzige Weise bewundernd klangen. Unmittelbar vor dem Einmarsch, als Putin auf ihn einstimmte, indem er die „Unabhängigkeit“ des Donbass „anerkannte“, sagte Trump zu einem Radiomoderator: „Das ist genial“. Über die „Friedenstruppe“, die Putin zu entsenden drohte, sagte Trump, dies sei „die stärkste Friedenstruppe, die ich je gesehen habe“.
Es ist zu einem Leitmotiv der amerikanischen und europäischen Rechten geworden: „Wir sind schwach, Putin ist stark. Wir sind dumm, er ist klug. Wir sind besessen von dummen Kleinigkeiten, Putin sieht das große Ganze.“ Oder wie die Senatorin des Bundesstaates Arizona, Wendy Rogers, vor kurzem sagte: „Putins Militär bekommt die Ukraine. Unser Militär bekommt Transen und Gesichtsmasken“. Natürlich werden wir noch sehen, ob Putin die Ukraine bekommt, mal ganz davon abgesehen, ob er sie halten kann. Und wir sehen bereits jetzt, wie viel „Genialität“ in seiner unprovozierten Invasion steckt. Ich habe den leisen Verdacht, dass sich die meisten wie begossene Pudel von Positionen wegschleichen werden, die sie besser erst gar nicht eingenommen hätten.
Auf einer Konferenz von Konservativen in Florida im November verglich ein Podiumskollege die lächerlichen „intersektionellen“ Rekrutierungsanzeigen des US-Militärs mit den wahnwitzigen Rekrutierungsanzeigen der russischen Armee für harte Roboter. Wie ich schon damals klarstellte, fallen solche Konservative unwissentlich auf einen Teil der Propaganda des Kremls herein. Ja, unsere Gesellschaften haben Probleme. Ja, manchmal erscheinen wir zu dumm, um überlebensfähig zu sein. Aber daraus folgt nicht, dass wir der Version des Kremls, die er über sich selbst verbreitet, geifernd zustimmen müssten.
Selbst die klügsten Republikaner der neuen Generation sind auf dieses Gleis geraten. J.D. Vance, der derzeit für das Amt des Senators von Ohio kandidiert, beklagte sich darüber, dass Joe Biden sich anscheinend mehr Sorgen um die Integrität der ukrainischen Grenzen mache als um seine eigenen. Da ist schon etwas Wahres dran. Im vergangenen Jahr sind mehr als zwei Millionen illegale Einwanderer über die südliche Grenze in die Vereinigten Staaten geströmt – obgleich sie nicht in Panzern ankamen. Doch geht es hier um ein Entweder-Oder? Es muss doch möglich sein, die Südgrenze der Vereinigten Staaten zu sichern und dennoch nicht tatenlos zuzusehen, wie russische Panzer in ein befreundetes Land rollen?
In den USA waren Hillary Clinton und die Demokratische Partei jahrelang nicht bereit zu akzeptieren, dass sie die Wahl 2016 verloren hatten. Anstatt darüber nachzudenken, wie sie gegen Donald J. Trump verlieren konnten, taten sie ab der Woche nach der Wahl so, als ob es an den Russen gelegen haben müsse. So war es auch in Europa, wo noch erschwerend hinzukommt, dass einige Parteien tatsächlich von Russland unterstützt wurden. Doch anstatt herauszuarbeiten, was davon Wahrheit und was Lüge war, haben wir erlebt, wie Konservative und konservative Bewegungen in ganz Europa routinemäßig mit der pauschalen Beleidigung „Putin“ beschmiert wurden. Ebensowenig hilfreich ist es, dass sich die Familie Biden in den letzten Jahren in der Ukraine bereichert hat und dass die Aufklärung darüber vom Silicon Valley verhindert wurde.
Vielleicht war es unvermeidlich, dass die Rechten die Nase von all dem voll haben. Was nicht unvermeidlich war, ist die Schlussfolgerung, die ein Teil von ihnen daraus gezogen hat. Vielleicht erkennen sie jetzt ihren Irrtum und können zugeben, dass die eigene Gesellschaft zwar ziemlich verrückt geworden ist, aber dass der Mann im Kreml noch verrückter ist.
Früher waren die Konservativen stolz darauf, zwei Dinge gleichzeitig tun zu können. Das wäre jetzt auch notwendig. Wir sollten wenigstens halbwegs intelligent sein.
Dieser Beitrag von Douglas K. Murray erschien in The Spectator. Wir danken Autor und Verlag für die freundliche Genehmigung zur Übernahme.
Douglas Murray, Wahnsinn der Massen. Wie Meinungsmache und Hysterie unsere Gesellschaft vergiften. Edition Tichys Einblick im FBV, 352 Seiten, 24,99 €.
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