Natürlich ist Putin schon ein wenig ärgerlich. Erst gibt der Westen die Ukraine zum Abschuss frei, finanziert den Mord auch noch üppig, macht dann aber so ein Getüdel mit Sanktionen und Stürmen der wortgewaltigen Entrüstung. Das nervt total, aber klar, irgendwie müssen die Regierungen im Westen so tun, als würden sie etwas tun.
Ganz so weit wie bei ihm und in China ist die Staatsgewalt noch nicht fortgeschritten, obwohl das Bemühen durchaus erkennbar ist. Die „Basisgrundrechtsbeschränkungen“ unter dem Vorwand einer Krankheit, die mittlerweile in der Regel ein Schnupfen ist, sind ein Super-Trick. Und eine Impfpflicht nebst digitalem Impfpass einzuführen, ist auch eine geniale Idee. Man sieht, der Westen macht sich, von Putin und China lernen heißt siegen lernen – oder so ähnlich.
Nur sind sie halt noch nicht ganz so weit, haben ihre Bevölkerung noch nicht ganz unter Kontrolle, das macht es lästig. Deshalb muss Putin zu Hause andere Saiten aufziehen, damit seine Landsleute vor dem schrecklichen Unfug über die Ukraine, der von Teilen der Presse und den sozialen Medien verbreitet wird, geschützt werden. Letztlich kein Problem für jemanden, der die Macht und Arbeitslager hat.
Ansonsten reagiert der Westen wie immer. Das altbewährte Programm wird wieder abgespult, er plustert sich auf, tut aber nichts. Jedenfalls nichts in dem Sinne, wie Putin es versteht. Der Westen bezahlt die Bomben und Raketen, mit denen unschuldige Menschen massakriert werden, denn sonst würde es dort kalt und unbequem, und das will ja keiner.
Deeskalation ist auch etwas, was sie unbeirrt weiter betreiben, auch wenn sie immer und immer wieder sehen müssen, dass es daneben geht. Es kümmert sie nicht, sie halten an Illusionen fest, allen voran Deutschland, regiert vom neuen Mini-Merkel namens Scholz. Er hat als Kronprinz von ihr gelernt, wie man das Volk sediert. Man labert es mit leeren Worthülsen voll und schmeißt eine unvorstellbar große Summe Geld auf ein Problem, als ließen sich die Probleme damit lösen. Auf kluge Stimmen wie den Militärhistoriker Sönke Neitzel hört keiner. Dieser wies darauf hin, dass die Wehrlosigkeit der Bundeswehr vor allem auf ein Komplettversagen der politischen Eliten und deren Mangel an strategischer Kultur zurückzuführen sei. Derartige Grundeinstellungen ließen sich aber nicht über Nacht ändern, ergo könne die Wehrhaftigkeit der Bundeswehr allein mit viel Geld nicht wiederhergestellt werden.
So kann Putin munter weiter eskalieren, während die westlichen Staaten deeskalieren. Er kann laute Drohungen ausstoßen und seine roten Linien bestimmen, sie weichen zurück wie immer. Und denken, das sei eine super Idee. Man glaubt, so bescheuert könne keiner sein, aber die sind es wirklich!
Dabei kennen sie seine Pläne, wissen, dass er ein Nationalist ist und vom großrussischen Reich träumt. Sie haben seine Vorbereitungen gesehen, die Stationierungen der Waffen. Die Polen und Baltenstaaten haben „Alarm“ gerufen, aber auf die wollte ja keiner hören. Selbst die „Weiber“ der schwedischen und der finnischen Regierung haben aufgerüstet, denn sie erkennen, dass er den Korridor nach Kaliningrad schließen will, die Baltenstaaten vom Nachschub abtrennen und auch sie in Gefahr wären. Aber obwohl es jeder weiß, bei uns will es keiner wahrhaben.
Selbst der Nato ist bewusst, dass die im Baltikum stationierten Soldaten Kanonenfutter wären, bewirken können sie nichts. Schon gar nicht, wenn sie vom Nachschub abgeschnitten sind, und das sind sie sofort, wenn Putin den Suwalki-Korridor besetzt hat. Dass dieser zu Polen gehört, ist aus seiner Sicht ein nebensächliches Detail, eine vorübergehende Verirrung der Zeitgeschichte, die korrigiert werden muss.
Luftunterstützung kann er mit „roten Linien“ unterbinden. Die Nato-Soldaten könnten ihm als Geiseln dienen. Überhaupt, wie sollte das Baltikum aus der Luft versorgt werden? Immerhin wurde die größte Transportmaschine, die Antonov An-225 zerstört. Lustig der Gedanke, dass Nato-Staaten militärische Transportkapazitäten outsourcen, zum Beispiel im Rahmen des Programms Strategic Airlift International Solution (SALIS).
Unterstützung des Baltikums vom Meer her ist für die Nato auch schwierig. Der Norden kann von St. Petersburg abgeriegelt werden, der Süden von Kaliningrad aus. Die größte Schutzmacht der Ostsee-Anrainerstaaten hätte Deutschland sein müssen, aber vor dessen Marine muss keiner zittern. Beispielsweise über die neuen Fregatten macht sich die halbe Welt lustig, denn sie haben kein Vertical launching system für Luftziele über den unmittelbaren Nahbereich hinaus – und nicht nur das fehlt. Wie hieß es noch mal in dem Artikel „The curious case of Germanys massive new but relatively toothless type 125 ’frigates‘“?
„What’s critically lacking here is any sort of area air defense capability. Not to mention any organic anti-submarine weaponry beyond the two potentially embarked helicopters. The ship lacks any type of anti-submarine sonar as well.
For such a large surface combatant, lacking some sort of air defense capability beyond close-in weapon systems seems outright bizarre, especially considering the ship’s capable sensor suite … In the case of the F125, just watching a missile approach before it can be engaged just a couple miles away at best by a RIM-116 seems almost reckless, especially for such a prominent target.“
Die Deutschen sind wirklich gut, sie bauen teure Schiffe mit technisch hochwertiger Ausrüstung, aber verweigern diesen effektive Verteidigungsmöglichkeiten. Auf den Gedanken muss man erst einmal kommen! Das Baltikum ist also kein Problem und überhaupt: Wer aus der Nato wollte das überhaupt verteidigen?
Also weiter nach Westen, Durchmarsch durch Polen und dann willkommen zu Hause: Manuela Schwesig wird Fähnchen schwingend auf ihren Helden warten. Praktisch wäre für die Russen ein direkter Nordsee-Zugang, gern auch mit Tiefwasserhafen, also weitermarschieren. Wilhelmshaven liegt im Bundesland des Busenfreundes Gerhard Schröder, der hat da bestimmt gute Kontakte, seine Partei regiert dort genau wie in Mecklenburg-Vorpommern und in Berlin. Überhaupt regiert die SPD, zu der so gute Kontakte bestehen, auch im Bund seit Jahren eifrig mit, mehr als die Union. Von den letzten 23 Jahren immerhin 19, da haben sich die russischen Investitionen in gute Beziehungen durchaus gelohnt.
Dass Putin so oder so ähnlich denkt, dass er derartige Pläne hat, ist bekannt. Daher die Truppenaufstockungen an den Ostflanken der Nato. Die Frage ist, wann er seine Pläne umsetzt. Biegt er gleich rechts ab, jetzt während des Ukraine-Feldzugs? Es mag sein, dass ihn das Hinterland der Ukraine gar nicht weiter interessiert und er den Schwung des Angriffs nutzen will. Die Gedanken, die Julian Reichelt äußerte, treiben einige um:
„Wer davon ausgeht, dass es nichts Gefährlicheres gibt als unsere eigenen Gewissheiten, wer hinterfragt, was in unseren Hauptstädten schon wieder Konsens zu werden droht, muss sich fragen: Was, wenn Putin uns derzeit eine Falle stellt, wie er uns seit Jahren Fallen stellt? Was, wenn er nicht nur die Ukraine meint, sondern die Nato? Was, wenn Putin seit Jahren alles dafür tut, um ein nationalistisches Selbstverteidigungsnarrativ zu schaffen, in dem er gegen die Nato losschlagen kann? Was, wenn er der Überzeugung ist, dass er ohne Konsequenzen Artikel 5 auslösen kann, zum Beispiel mit einem taktischen Atomschlag gegen eine kleine deutsche Stadt, weil er weiß, dass wir nach Frieden und Verhandlungen rufen würden, nicht nach nuklearer Vergeltung?“
Kann es sein, dass Gari Kasparow Recht hat und wir befinden uns längst im Dritten Weltkrieg? Er – wie viele andere auch – hatten bereits 2014 gewarnt, dass die Annexion der Krim und der Ostukraine nur der Anfang sein würde, dass man ihm das nicht durchgehen lassen dürfe, damit es nicht schlimmer komme. Dieselben, die das damals als Kriegstreiberei bezeichneten, sind heute diejenigen, die beschwichtigen und lieber nichts tun. Um es mit Kasparows Worten zu sagen:
„Hier kann man nicht einfach nur abwarten. Das ist kein Schachspiel, es gibt kein Unentschieden und auch keine Pattsituation. Entweder zerstört Putin die Ukraine und beschert der Nato dann eine noch größere Katastrophe, oder Putin wird in Russland gestürzt. Mit Schwäche ist er nicht aufzuhalten … Ich habe schon 2014 und auch vor dieser einen schicksalshaften Woche erklärt, dass der Preis dafür, einen Diktator aufzuhalten, immer weiter steigt. Was vor acht Jahren, sechs Monaten oder zwei Wochen noch ausgereicht hätte, um Putin aufzuhalten, ist jetzt längst nicht mehr genug – und morgen wird der Preis noch einmal höher sein.“