Ausgehend von den Energiepreisen rollt auf die privaten Haushalte eine Teuerungswelle bislang nicht gekannten Ausmaßes zu. Auf die öffentlichen Haushalte dagegen nicht. Im Gegenteil, sie sind sogar über steigende Steuereinnahmen Gewinner der Preishausse. Die Belastung ist also asymmetrisch. Was Tobias Hans, Ministerpräsident des Saarlands, dazu veranlasst hat, der Bundesregierung sogar „Bereicherung“ an den hohen Spritkosten vorzuwerfen. Schaut man als Ökonom genauer hin, muss man sagen: der Mann hat Recht – unabhängig davon, dass im Saarland demnächst gewählt wird und der Autor selber Saarländer ist.
Die Globalisierung – so positiv sie sich auch in den letzten drei Jahrzehnten auf die Weltwirtschaft ausgewirkt hat – macht auch vor den Energiepreisen nicht Halt. Waren es früher nur die – politisch ausgelösten – Preisexplosionen bei Erdöl, die sich als „Ölkrisen“ in den westlichen Industrieländern dreimal seit Beginn der 1970er als Rezessionen niedergeschlagen haben, so haussieren diesmal die Preise bei allen Energieträgern und -rohstoffen – Erdöl, Erdgas, Kohle, Strom. War es früher nur Erdöl, so sind inzwischen alle Energieträger knapp geworden, sogar Kohle. Der Energiehunger der Welt, vor allem aus China, treibt die Preise an.
Der Krieg Russlands gegen die Ukraine hat die Entwicklung nicht ausgelöst, aber erheblich verstärkt: Energierohstoffe werden zur strategischen Waffe. Und der deutsche Staat ist über steigende Steuereinnahmen dabei sogar Gewinner, während die privaten Haushalte, vor allem wenn sie zur Tankstelle müssen und kein warmes Ausweichquartier in sonnigen Gefilden im Süden haben, erheblich zur Kasse gebeten werden.
Im Einzelnen ergibt sich folgendes Bild:
Weltweit sind die Energiepreise stark gestiegen. So schossen allein die Rohölpreise (Brent) Anfang Februar 2022 (in US-$) um über 50 Prozent in die Höhe. Dies schlägt unmittelbar auf die Heizölpreise durch. Noch stürmischer erhöhten sich die Gaspreise. Die Spotpreise hatten sich im Januar 2022 innerhalb eine Jahres vervierfacht. Selbst Kohle wurde plötzlich knapp, der Weltmarktpreis hat sich seit Mitte 2021 teilweise mehr als vervierfacht.
Die Ursachen des Gaspreisanstiegs (Chart) sind vielfältig: hohe Nachfrage durch anhaltend kalte Winter, Ersatz von Stromausfall durch Flaute bedingter mangelnden Windkraft durch Gaskraftwerke, hohe internationale Nachfrage. Andererseits verknappte sich das Angebot. Russland hält zwar seine langfristigen Lieferverpflichtungen bislang zuverlässig ein, verknappt aber gleichzeitig seine Lieferungen in den Spotmarkt. Dieser hatte in den letzten Jahren der Corona bedingten weltweiten Wirtschaftsflaute erheblich zugenommen, getrieben durch teilweise aggressiv agierender Energie-Discounter. Mit dem wieder starken Anstieg von Konjunktur und Preisen brachen eine Reihe Discounter zusammen, andere kamen ihre vertraglichen Lieferverpflichtungen jenseits der Rechtslage einfach nicht nach und stoppten die Versorgung. All dies nutzten die klassischen Energieversorger, allen voran die kommunalen Anbieter zu massiven Preiserhöhungen. In der Grundversorgung wurden neue Vertragsmodelle entwickelt, wobei die Rechtslage zumindest unklar ist. So werden – Stand heute – die Gaspreise für private Haushalte absehbar in 2022 um bis zu 100% steigen.
Bei Strom ist der Preisanstieg gemessen an den Anstiegsraten in Prozent nicht ganz so dramatisch, aber nur wegen des im internationalen Vergleich ohnehin schon recht hohen deutschen Niveaus.
Für die Verbraucher am spürbarsten hat es die Kraftstoffpreise erwischt. In der Pandemie brachen die Tankstellenpreise für Benzin und Diesel in 2020 zunächst stark ein, da auch der Verbrauch spürbar zurückging. Inzwischen schnellten sie innerhalb weniger Monate in unglaublichem Tempo und Ausmaß nach oben auf über Euro 2,00 /ltr. Wurde die Forderung der Grünen nach Spritpreisen von 5 D-Mark in den Achtzigern noch als utopisch belächelt und abgetan, so ist diese Marke in greifbare Nähe gerückt. Die Spritpreise hatten am Montag im bundesweiten Tagesschnitt erstmals die Schwelle von zwei Euro überstiegen. Superbenzin der Sorte E10 kostete 2,008 Euro je Liter, bei Diesel waren es 2,032 Euro, wie der ADAC in München mitteilte. Damit ist inzwischen Diesel sogar teurer als Benzin. Haupttreiber des Anstiegs an der Zapfsäule sind die Ölpreise, die im Zuge des Konflikts in der Ukraine nach oben geschossen sind.
Selbst in den USA, wo die Spritpreise traditionell niedriger als sonst wo sind, hat der Literpreis für Gasoline inzwischen die historische 1-Doller-Marke überschritten. Ein Ende der globalen Spritpreis-Hausse ist nicht abzusehen.
Die Energiepreise werden in Deutschland durch eine Vielzahl unterschiedlicher Steuern und Abgaben belastet, prozentual am stärksten bei Strom. Auf alles wird aber zusätzlich die Mehrwertsteuer erhoben, so steigt das Mehrwertsteuer-Aufkommen weitgehend parallel zum Preisanstieg. Steigen die Gaspreise um 100% kassiert der Finanzminister ebenfalls 100% mehr. Insgesamt stiegt das Mehrwertsteuer-Aufkommen auf Energie von 2020 bis 2022 geschätzt um rund 7 Mrd. €.
In Europa wurden von den Regierungen vielfältige Maßnahmen ergriffen, um den Energiepreisanstieg für die Verbraucher abzufangen, oder zumindest zu mildern. Die Bundesregierung hat bisher lediglich einen einmaligen Heizkostenzuschuss für rund 700.000 Haushalte ( 1,8% aller Haushalte ) beschlossen. Zudem überlegt sie, die EEG-Umlage schon Mitte 2022 zu erlassen. Dies mag in der Grundversorgung helfen, ansonsten vereinnahmen es die Energieversorger. Bemerkenswert: Selbst wenn die Mehrwertsteuer bei Energie um 5%-Punkte gesenkt, hätte der Finanzminister aufgrund der Teuerungsbedingten Mehreinnahmen per Saldo keine Mindereinnahmen gegenüber 2020.
Die derzeitigen Hilfeansätze der Regierung sind dürftig und könnten den der Ampelkoalition gewährte Vertrauensvorschuss, die Energiewende bzw. den Klimawandel sozialverträglich abzufedern, gefährden. So rigide haben sich die Bürger und Wähler (*innen) den Kampf gegen den Klimawandel nicht vorgestellt!
Schon wird die Forderung aus der Opposition nach einer Spritpreisbremse laut. Drei Wochen vor den Landtagswahlen sich dazu nun der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) deutlich geäußert: »Ich finde, da ist nun wirklich ein Punkt erreicht, da muss man handeln«. Hans kritisierte, dass sich der Staat an den hohen Kraftstoffpreisen sogar »bereichert«, was die obigen Berechnungen auch beweisen. Er forderte die Bundesregierung auf, die Steuern auf den Benzinpreis zu senken.
Die gleiche Forderung stellt auch die saarländische Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger – als SPD-Spitzenkandidatin direkte Wahlkampfgegnerin von Hans – fordert eine Entlastung für die angestiegenen Benzin- und Energiepreise. Die Bundesregierung habe ein erstes Entlastungspaket auf den Weg gebracht, das könne aber es kann nur ein erster Schritt sein. Eine Möglichkeit könnten auch Steuersenkungen sein.
Das ist richtig. Aber dazu aus ökonomischer Sicht folgende Einschränkungen:
- Eine völlige quantitative Entlastung der privaten Haushalte und Autofahrer von der Energieverteuerung durch Steuersenkungen ist quantitativ unmöglich und würde allenfalls die Begehrlichkeit der Märkte wecken.
- Aber was nicht geht, ist Ziele zu verfolgen, auch wenn die Dinge gar nicht zusammen funktionieren. Gleichzeitig die Importe von Energie aus Russland stoppen zu wollen, das ohnehin knappe Angebot also noch weiter zu verknappen, und gleichzeitig die Benzinpreise zu senken oder via Preisbremse zu deckeln, wird nicht machbar sein. Und ist auch ökonomisch sinnlos! Preise haben in einer Marktwirtschaft eine Lenkungsfunktion: Knappheit wird durch steigende Preise angezeigt und animiert dadurch die Verbraucher, mit den knappen Gütern, in diesem Fall Strom, Benzin und Dieselkraftstoff – sparsamer um zu gehen. – Was auch dem Klimaschutz zu Gute kommt.
Diese Lenkungsfunktion des Preismechanismus darf die Politik nicht unterlaufen. Soziale Härten müssen auf anderem Wege als durch Preisbremsen etc. abgefedert werden. In jedem Fall aber sollte der Finanzminister dafür sorgen, dass der Staat an der Verteuerung der Energie nicht auch noch zusätzlich verdient: Steuerliche Mehreinnahmen aus der Preis Hausse sollten an die Bürger zurückgezahlt werden.