Tichys Einblick
Leise Friedenshoffnung:

Sucht Putin eine gesichtswahrende Lösung?

Nach dem Scheitern des geplanten Blitz-Feldzugs stellt Russland der Ukraine Bedingungen – verlangt aber deutlich weniger als früher. Am Donnerstag wollen die Außenminister der beiden Länder verhandeln.

Russlands Machthaber Wladimir Putin, 5.3.2022

IMAGO / ITAR-TASS

In allen offiziellen russischen Verlautbarungen heißt es stets, die Armee führe in der Ukraine eine „spezielle militärische Operation“ durch – der Begriff „Krieg“ ist russischen Medien strikt untersagt. Wladimir Putin will die Illusion eines sehr begrenzten und erfolgreichen Militäreinsatzes aufrechterhalten. Nur: dass sein ursprüngliches Konzept eines Blitzkrieges gegen die Ukraine gescheitert ist, kann er vor seinen Landsleuten kaum noch verbergen. 

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In dieser Situation lässt eine Erklärung des Kreml-Sprechers Dimitri Peskow aufhorchen. Sie lässt sich so deuten, dass Putin nach einer gesichtswahrenden Lösung sucht, um den für die eigenen Truppen sehr verlustreichen Krieg in absehbarerer Zeit zu beenden. Die Nachrichtenagentur Reuters zitierte Peskow nach einem Telefongespräch am 7. März mit einem Forderungskatalog an die Ukraine, der nur noch aus drei Punkten besteht, während zwei ursprüngliche russische Forderungen auffälligerweise fehlen.

Peskow sagte laut Reuters, Russland könne seinen Feldzug „sofort“ stoppen, falls die Ukraine folgende Bedingungen erfülle: Sie müsse

Vorbild dafür könnte die „bewaffnete Neutralität“ sein, zu der sich Österreich nach dem Zweiten Weltkrieg verpflichtet hatte. 

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Zwei wesentliche ursprüngliche Forderungen des Kreml fehlen in Peskows Aufzählung: erstens die so genannte „Entnazifizierung“ der Ukraine –  mit dem Schlagwort meinte Putin einen Regierungswechsel, der nach seinen ersten Plänen offenbar auf die Installation einer pro-russischen Führung in Kiew hinauslaufen sollte. Zweitens ist in Petrows Statement auch von einer „Entmilitarisierung“ der Ukraine nicht mehr die Rede.

Wenn die Ukraine auf die drei Forderungen einginge, würde sich ihre Lage real nicht verschlechtern: Die Separatistengebiete Donetsk und Luhansk sind für sie ohnehin verloren, genau so wie die Krim. Und eine Nato-Mitgliedschaft der Ukraine hatten westliche Regierungschefs schon vor Beginn des Krieges de facto ausgeschlossen. 

Die Regierung der Ukraine unter Präsident Wolodymyr Selenskyj bliebe – und sie ginge nach dem hartnäckigen militärischen Widerstand gegen die Supermacht Russland sogar gestärkt aus dem Krieg hervor. Die Ukraine wäre außerdem auch künftig Militärmacht. 

Sollten sich beide Staaten auf dieser Basis auf einen Waffenstillstand und schließlich auf einen Frieden mit russischem Truppenabzug einigen, dann hätte Putin weit weniger erreicht, als er wollte – könnte den blutigen Feldzug aber mit Hilfe der gut funktionierenden staatlichen Propagandamaschine immer noch als Erfolg verkaufen.

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Bis jetzt stellt dieser Verzicht auf ursprüngliche russische Bedingungen nur eine vage Hoffnung dar. Aber immerhin bestätigten beide Seiten, dass sich Russlands Außenminister Sergej Lawrow und sein ukrainischer Kollege Dmytro Kuleba am Donnerstag zu Gesprächen im türkischen Antalya treffen werden. Ein solches Gespräch auf Außenministerebene, vermittelt durch die Türkei, würde vermutlich nicht stattfinden, wenn es nichts Substanzielles zu verhandeln gäbe.

Noch sind die Aussichten auf ein baldiges Ende des Krieges dünn. In der Vergangenheit hatte Putin immer wieder mit politischen Winkelzügen Hoffnungen genährt, um sie anschließend wieder einzukassieren. In diesem Fall könnte ihn der von ihm völlig unterschätzte Widerstand der ukrainischen Truppen allerdings dazu zwingen, seine Pläne tatsächlich an die Realität anzupassen. Denn es gibt offenbar auch einen zunehmenden Druck des strategischen Partners Chinas, zu einer Lösung zu kommen. China unterhält enge Wirtschaftsbeziehungen zu Russland – aber auch zur Ukraine. Peking deutet schon an, es könnte als Vermittler und Friedensstifter auftreten. Das würde das internationale Gewicht Chinas erheblich stärken.

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