Tichys Einblick
Post aus Florida

Warum Kubas Kommunisten immer noch herrschen

Im vergangenen Jahr revoltierten viele Kubaner gegen das Regime. Die Regierung schlug den Aufstand brutal nieder. Wie sieht es heute auf der Insel aus? Viele Emigrierte in den USA sehen die Chance auf ein Ende der Diktatur skeptisch. Dafür gibt es auch paradoxe Gründe. Von Susanne Heger

IMAGO / Agencia EFE

Diana Andrade wurde in den USA geboren. Ihre Familie ist groß, einer der Cousins mütterlicherseits ist der republikanische Senator für Florida, Marco Rubio. Sie ist gut informiert über den Alltag in Kuba – auch wenn sie als Amerikanerin keinen kubanischen Boden betreten darf. Fast täglich bekommt sie Videos und Bilder geschickt. „Kuba ist am Boden. Es wird nur über die Finanzspritzen von außen am Leben gehalten“, lautet ihre Lagebeschreibung. „Der Schwarzmarkt ernährt die Menschen, die Händler auf den Schwarzmärkten sind oft kubanische Soldaten. Es würde den Salonlinken guttun, dort eine Weile zu leben“.

Allerdings nicht in dem Teil Kubas, der für Touristen reserviert ist, sondern in dem Teil, in dem die Einheimischen leben. In dem Teil, in dem Lebensmittel knapp sind, ein Krankenhaus wie eine Garage aussieht und Medikamente über Kurierdienste von den Verwandten aus den USA besorgt werden müssen.

Bis heute gilt bei vielen europäischen Linken das angeblich vorbildliche kubanische Gesundheitssystem als Argument. Die kommunistische Diktatur auf der Insel beschränke zwar die Freiheit, sorge aber auf der anderen Seite für soziale Sicherheit.

Kuba, real und nicht geschönt
Polizeistaat Kuba: Verhör in Havanna
Wie die Gesundheitsversorgung für nichtprivilegierte Einheimische in der Realität aussieht, erfuhr Onelio Baez, einer der vielen Ex-Kubaner in Florida. Sein Bruder, der auf Kuba lebt, erzählt Baez, habe vor einigen Monaten einen Schlaganfall erlitten, anschließend einen Herzinfarkt. Die nötigen Medikamente für ihn gab es nicht. Über eine der in Südflorida verbreiteten „Agencias De Envios De Paquetes A Cuba“ wollte Onelio dem Bruder die nötige Medizin nach Kuba schicken, so wie es viele Emigrierte praktizieren, um ihren Verwandten auf der Insel zu helfen. Ein komplizierter, teurer und zeitraubender Vorgang, bei dem Ärzte und Apotheker in einer Art Grauzone operieren. Der Arzt in Kuba sagt, welches Medikament er benötigt, die Agencia bekommt über einen amerikanischen Arzt das jeweilige Rezept, und schickt die Medizin über Kanada nach Kuba. „Wir haben über 2.000 US Dollar bezahlt, um Antibiotika, Herzmedikamente und natürlich die Bettwäsche für das Krankenhausbett nach Kuba zu schicken“, so Baez. „Mein Bruder ist leider gestorben, bevor das Medikament in Kuba ankam“.

Diana Andrade hat viel über die DDR gelesen. In der Geschichte des SED-Staates entdeckte sie Parallelen zum heutigen Kuba – vor allem, was die Überwachung und Disziplinierung der Bürger betrifft. „Was bei euch der IM war“, meint sie, „nennt sich in Kuba ‚Chivato‘. Ein ‚Chivato‘ wird vom Staat bezahlt und spioniert dafür seine Nachbarn aus. Allerdings interessiert er sich weniger für ihre politische Gesinnung, sondern mehr für ihr Hab und Gut. Bauern wird in Kuba nur erlaubt, einen kleinen Prozentsatz ihrer Erträge selbst zu nutzen. Das Vieh gehört nicht dem Bauern, sondern dem Staat. Rindfleisch muss fast komplett abgegeben werden, ohne Bezahlung natürlich. Das Fleisch geht in die Touristenburgen. Von allem, was die Kuh produziert, kann der Bauer nur einen Bruchteil behalten“.

Chivatos melden, wenn jemand mehr Eier oder Milch behält, als ihm zustehen. Wer erwischt wird, darf für mehrere Monate überhaupt keinen Anteil der Erträge behalten.

Real existierender Sozialismus:
Die Not treibt die Kubaner auf die Straßen
Durch die Corona-Krise spitzte sich die ohnehin schon schlechte Lage in Kuba zu. Einnahmen durch den Tourismus fielen weg, in den Krankenhäusern herrschte kompletter Notstand. Dazu kam, dass die Bevölkerung sich mit hohen Geldstrafen bei Verstößen gegen Maskenpflicht, Abstandsregeln und Hausarrest zusätzlich drangsaliert fühlte. Im Juli 2021 starteten landesweit Proteste gegen die kommunistische Regierung unter dem seit 2018 amtierenden Präsidenten Diaz-Canel, die brachial von Polizei und Geheimdienst niedergeschlagen wurden.
Wie sieht es nach diesem gescheiterten Aufbegehren heute auf Kuba aus? „Es kommt noch immer zu vereinzelten Aufständen in den Straßen, allerdings werden sie schnell von der Regierung eingedämmt“, weiß Diana Andrade. „Die Anfänge, im Sommer 2021, waren schlimm. Menschen wurden auf offener Straße verprügelt, sogar getötet. Das Internet wurde gesperrt, damit niemand Fotos oder Videos schicken konnte. Allerdings haben einige Kubaner Wege gefunden. Sie nutzen Internet über einen Zugang, den die Amerikaner via Satellit geschaffen haben, und sie haben VPN. Leider schaut die Welt weg.“

Sehen Exil-Kubaner in Florida eine Chance auf ein Ende des Regimes? Viele hoffen auf eine Revolution, das nächste Mal breiter und stärker als bei den Unruhen 2021. Ältere Exilkubaner beurteilen die Lage allerdings deutlich skeptischer als junge Amerikaner mit kubanischen Wurzeln. Dazu gehört auch Diana Andrade. „Ich sehe, wie die jahrzehntelange Indoktrination die Menschen verändert hat. Die Exil-Kubaner der ersten Stunde waren fleißig, wollten aufbauen und etwas erschaffen. Heute kommen die 1 year/1 day-Kubaner. Sie bleiben ein Jahr in den USA, bekommen aufgrund der Ausnahmeregelungen für Kubaner in dieser Zeit alles vom US-Staat gestellt und erhalten nach einem Jahr ihre Greencard. Am nächsten Tag reisen diese Kubaner zurück nach Kuba. Dort ist es bequemer. Sie müssen nichts tun für ihren Lebensunterhalt. Sie leben vom Steuergeld der Amerikaner“.

Paradoxerweise stabilisiert diese Regelung das Regime auf der Insel, genauso wie die Medikamente, die Exilkubaner schicken. Beides führt dazu, dass der Lebensstandard nicht noch weiter absinkt.

Nach einem schnellen Ende des Tropen-Sozialismus sieht es zurzeit nicht aus.

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