Tichys Einblick: Herr Lomborg, mit „Klimapanik“ erscheint Ihr neuestes Buch zum Klimawandel. Was gibt es noch Neues, was man bisher in an deren Publikationen von Ihnen nicht erfahren hat?
Björn Lomborg: Viele der heutigen Klimadiskussionen sind tatsächlich etwas, was man vor zehn, 20, 30 Jahren hätte voraussagen können. Es ist nicht so, als wäre das meiste Wissen neu. Was Sie aus meinem neuen Buch mitnehmen können, sind die gleichen Argumente wie in meinen vorangegangenen Büchern, aber gerichtet auf die neuen Behauptungen. Ein Beispiel: In den 2000er Jahren haben wir viel über verschwindende Eisbären gesprochen; heute spricht niemand mehr über sie. Wieso?
Weil es ihnen ganz gut geht. Das bedeutet nicht, dass es auf lange Sicht nicht möglicherweise ein kleineres Problem mit Eisbären gibt. Aber neue Schätzung zeigen, dass es seit den 1960ern nie so viele Eisbären wie heute gegeben hat. Das ist ein tolles Argument. Und dann können Sie auch anfangen, über all diese anderen Dinge zu sprechen, über die sich die Leute jetzt Sorgen machen. Meist zu Unrecht.
Sie stimmen der Theorie des menschengemachten Klimawandels zu. Wie unterscheidet sich Ihre Prognose von der in den Massenmedien?
Globale Erwärmung bedeutet, dass wir CO2 durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe freisetzen und dass wir damit den Planeten aufheizen. Das ist unumstritten, das geschieht. Und es ist wichtig hinzuzufügen, dass dies insgesamt negativ sein wird. Ich lebe in Südschweden. Da ist das nicht so schlimm, wahrscheinlich auch nicht für Kanada, Russland, Dänemark oder Deutschland. Aber wir sind ein sehr kleiner Teil der Welt.
„Der Klimawandel ist nicht für alle Katastrophen verantwortlich – sondern nur eine gute Ausrede für Versagen an anderer Stelle“
Die Entscheidungen, die wir zum Thema Klima treffen, basieren fast ausschließlich auf dem Worst-Case-Szenario. Sie haben wahrscheinlich von RCP 8.5 gehört: das Szenario, das im Grunde davon ausgeht, dass wir bis zum Ende des Jahrhunderts fünf- oder sechsmal mehr Kohle produzieren werden. Das hieße, dass wir für den Rest des Jahrhunderts jeden Tag ein Kohlekraftwerk errichten müssten – was absurd unrealistisch ist, aber fette Schlagzeilen macht. Das ist keine gute Möglichkeit, uns zu informieren.
Eines Ihrer Themen ist, dass die Klimapolitik den Ärmsten schadet. Zugleich proklamiert der indische Premierminister Narendra Modi, dass der globale Süden unter der Klimapolitik des reichen Nordens leide.
Da gibt es mehrere Aspekte in ihrer Frage. Zuerst: Die reiche Welt verfängt sich in ihrer eigenen Rhetorik. Wenn man sagt, dass dies das Ende der Welt sei, dann müssen wir nicht nur für unsere eigene Klimapolitik bezahlen, sondern auch für die Klimapolitik der Entwicklungsländer. Ich fand es sehr interessant, dass der indische Premierminister sagt, Indien werde den Weg zur Klimaneutralität nur beschreiten, wenn wir ihnen eine Billion Dollar gäben. Es bedeutet demnach nicht nur, den deutschen Wähler von der Wichtigkeit zu überzeugen und viel Geld in Deutschland auszugeben, sondern auch für Indien – und sonst überall auf der Welt. Das wird richtig schwierig.
Sie fordern in Ihrem neuen Buch eine CO2 -Steuer. Das ist ein Thema, das auch viele Leser aus dem bürgerlichen und konservativen Spektrum verschreckt. Warum plädieren Sie für eine solche Maßnahme?
Wenn ich meine privaten Entscheidungen in einer unregulierten Welt treffe, werde ich Sachen verbrennen, wenn es zu meinem Vorteil ist. Aber ich berücksichtige nicht, dass dies für viele Menschen in der Summe negative Auswirkungen hat. Eine CO2 -Steuer verbessert also die Anreizstruktur. Viele Konservative befürchten, dass es sich nur um eine weitere Steuer handelt. In Schweden, Dänemark und Norwegen traf man deswegen die Übereinkunft, diese Steuer zu „verschieben“. Die Verschiebung besteht darin, schlechte statt guter Dinge zu besteuern – etwa Lohnsteuern zu senken und die auf CO2 zu erhöhen.
„Klimawandel ist eine Frage der Identität. Man will einer heroischen Generation angehören, die das größte Problem anpackt“
Wenn man eine CO2-Steuer erhebt, sollte man aufhören, Windturbinen und Sonnenkollektoren zu subventionieren. Das ist genau das Marktsignal, das wir brauchen. Und es besagt: Wir wollen, dass keine fossilen Brennstoffe verbrannt werden, aber auch nicht, dass Sie Solarmodule aufstellen, weil es eine Doppelung wäre – die implizite Subvention aus der CO2-Steuer und eine echte Subvention sowie viele andere Vorteile. Das machen wir oft. Elektroautos werden auf alle möglichen Arten schlecht und ineffizient subventioniert. Lasst uns eine intelligente Steuer machen und das dumme Zeug loswerden.
In Ihrem Buch findet sich häufig der Begriff „apokalyptisch“, wenn Sie die Gegenseite thematisieren. Würden Sie sagen, dass Teile der Klimabewegung von einem religiösen Eifer beseelt sind? Ich frage, weil ich häufig den Eindruck habe, dass man einige Menschen nicht bekehren kann, weil der Klimawandel in ihrem Leben kein lösbares Problem, sondern eine Mission ist.
Es besteht kein Zweifel daran, dass ein Teil der Klimawandeldebatte eine Frage der persönlichen und politischen Identität ist. In den USA hatten die Generationen vor uns ein Lebensziel, eine Mission. Etwa die „Greatest Generation“, die in den Zweiten Weltkrieg zog. Sie bekämpfte das Böse, sie stand für das ein, was richtig war. Es scheint, als hätten wir nicht denselben Sinn in unserem Leben. Es macht keinen Spaß, nur noch „eine andere“ Generation zu sein. Wir wollen eine Generation sein, die wirklich wichtig ist. Und deshalb wird alles hineingelegt, um die heroische Generation zu sein, die die größte Herausforderung der Welt, nämlich die globale Erwärmung, bewältigt hat. Diese Selbstüberhöhung ist offensichtlich ein sehr verlockendes Ziel. Ich stimme zu: In dem Fall ist es dann schwer, dagegen zu argumentieren.
Wie bewerten Sie die deutsche Energiewende und Klimapolitik, und was würden Sie deutschen Politikern raten?
Es kommt immer etwas ungehobelt daher, wenn man sagt: Ihr müsst dies und das machen. Ich bin nicht hier, um zu sagen, wie die Deutschen ihre Politik betreiben sollen. Aber ich gebe zu bedenken, dass Deutschland es kaum geschafft hat, seinen CO2 -Ausstoß zu reduzieren. Das dürfte doch zum Nachdenken führen. Wenn wir erfolgreiche Klimapolitik machen wollen, müssen wir viel CO2 zu geringen Kosten einsparen – und Deutschland schafft im Grunde das Gegenteil: Mit hohem Aufwand wird nicht CO2 eingespart, sondern mehr ausgestoßen. Dass Deutschland aufhört, bestehende Kernkraftwerke zu nutzen, ist so ziemlich das Dümmste, was man tun kann. Man kann lange darüber diskutieren, ob Kernkraft sicher und kosteneffektiv ist. Aber das ist irrelevant, wenn bereits alle Kosten entstanden sind und Atommüll bereits herumliegt. Weiterbetrieb erhöht nur die Masse des Abfalls ein wenig, braucht aber kein eigenes Endlager.
„Deutschland hat es trotz größtem Aufwand nicht geschafft,
seinen CO2- Ausstoß zu reduzieren“
Der andere Teil lautet: Was wollen wir erreichen? Wollen wir uns wohlfühlen, oder wollen wir den CO2 -Ausstoß senken? Ein großer Teil der Klimapolitik ist darauf ausgerichtet, ein „Tugendsignal“ zu senden: „Hey, ich bin ein besserer Kerl als viele andere auf der Welt.“ Es sieht so aus, als würden sich viele Deutsche dadurch moralisch überlegen fühlen. Tatsächlich waren es die USA, die in den vergangenen zehn Jahren mehr CO2 eingespart haben als jede andere Nation auf dem Planeten. Das liegt daran, dass sie auf Fracking gesetzt haben. Man bekommt billiges Gas und muss deshalb aus Wettbewerbsgründen keine Kohle mehr verbrennen. Und weil Gas etwa halb so viel CO2 ausstößt wie Kohle, bekommt man die CO2-Einsparung quasi umsonst. Die Leute mögen es, Elektrizität zu haben und mobil zu sein, und sie mögen es nicht, arm zu sein und in der Kälte zu sitzen. Eine wirkliche Energiewende kann man nur erreichen, wenn man einen Weg findet, Energie zu bekommen, die sehr kohlenstoffarm oder kohlenstofffrei und gleichzeitig preiswert ist. Wir müssen uns viel mehr auf die Technologiefront konzentrieren.
Ich hätte mir gewünscht, dass Deutschland die reife Nation ist, die sagt: Wir werden diejenigen sein, die dafür sorgen, dass wir innovativ sind. Stattdessen war es die Nation, die gesagt hat: Wir werden viele Windräder kaufen, die leider nicht effektiv sind. Wenn wir uns bewegen wollen, müssen wir uns voranbewegen. Die einzige Lösung wird sein, dass wir durch Innovationen grünen Strom entwickeln, der so billig ist, dass ihn sich jeder leisten kann – und nicht nur reiche, wohlmeinende Deutsche, die die Probleme maximieren, statt sie zu lösen.
Björn Lomborg, Klimapanik. Warum uns eine falsche Klimapolitik Billionen kostet und den Planten nicht retten wird. FBV, 320 Seiten, 22,00 €.