„Das erklärte Ziel dieses Buches ist es nicht, eine neue Klasse von Mitbürgern zu schaffen, die eine tödliche Gefahr darstellen. (…) Wenn sie mit einem Amokläufer oder Terroristen konfrontiert sind, ist die erste Wahl, wegzurennen – erst die letzte Option darf der Kampf sein.“
aus „Wie Navy Seals dem Tod entrinnen.“, von Clint Emerson, erschienen 2016 im Riva Verlag
Nach den in Gruppen organisierten Straftaten gegen Frauen auf der Kölner Domplatte fragte der Journalist Uwe Schmitt in der WELT: „Müssen Männer ihre Frauen mit der Faust verteidigen?“ Und die Publizisten Birgit Kelle antwortete ihm umgehend: „Ja, wir wollen Helden!“
Nun reicht die reine Willensbekundung längst nicht mehr aus, den deutschen männlichen „Memmen“ (B. Kelle) zum Helden zu machen. Eine Studie der Techniker Krankenkasse brachte es an den Tag: Eine große Gruppe unter den Deutschen wird immer träger. „Der Anteil der Sportmuffel oder Totalverweigerer ist gestiegen.“ Und klar, wer körperlich fit ist, der ist auch tendenziell wehrhafter.
Aber was nutzt der ideale Body-Mass-Index (BMI), den zu messen sogar schon Edeka im Programm hat, wenn das ultimativ Böse vor einem steht? Abwehr von Gewalt verlangt auch eine mental wie technisch effektive Ausrüstung und eine planvolle Gegenwehr.
Die Süddeutsche fragte unlängst Ihre Leser: „Wie beeinflusst die Angst vor Gewalt Ihren Alltag?“ Und die Antworten zeigen, dass nicht nur die Sorge, Opfer eines Attentates zu werden hoch ist, sondern das man sich auch individuelle effektive Abwehrmaßnahmen wünscht.
Der Springer-Journalist Claus Strunz ging deshalb bei Maischberger sogar noch weiter und forderte Anti-Terror-Kurse für alle Bürger. Ob er dabei freilich auch an die Abwehr individueller Gewaltattacken gegen einzelne auf den Straßen dachte, ließ er offen.
Angst macht erfinderisch
Kurzum, Angst macht erfinderisch. So titelte wieder die WELT Ende 2015: „Deutsche bewaffnen sich“. Ein Land würde aufrüsten. Der Terror und die Flüchtlingswellen hätten die Bundesbürger verunsichert. „Sie tendieren zur Selbsthilfe.“ Anne Kunze fuhr für die ZEIT sogar ins düstere Tröglitz und befragte dort Jugendliche, die ihr erklärten: „Mach Kampfsport, damit du dich gegen die wehren kannst. (…) Wenn dich jemand angreift, wirf ihn zu Boden. Schlag ihm am besten mitten ins Gesicht.“
Und, man will es kaum glauben, Deutschlandradio Kultur hat herausgefunden, dass in Norwegen Kurse gegen sexuelle Gewalt längst Pflicht sind. Aber gemeint sind damit nicht etwa Kurse für Frauen, sondern Kurse für potentielle Täter! Der Trailer beginnt so politisch unkorrekt wie irgend möglich:
„Auch in Norwegen kam es vor einigen Jahren zu sexuellen Übergriffen (…). Die Täter waren oft Asylsuchende. Seither gibt es Integrationskurse, in denen auch der Respekt vor Frauen gelehrt wird.“
„Man bemühe sich, die Asylsuchenden in diesem Pflichtkursen wie Zeugen, nicht wie Täter zu behandeln“, fühlt sich tatsächlich einer der Initiatoren dieser Kurse bemüßigt zu erklären. „Damit soll verhindert werden, dass die Kursteilnehmer von Anfang an zu machen, dass sie sich verschließen.“
Was aber tun, wenn der Ernstfall eintritt?
Ein guter Weg? Ein Anfang? Oder alles nur Fragmente des Scheiterns von Fachleuten auf die Frage, wie sich der einzelne gegen Gewalt zur Wehr setzen kann? Viele Bürger sehen letzteres heute so. Man fühlt sich unsicher und fremd im eigenen Land, wie die FAZ ermittelt haben will.
Und da kommt jetzt das immer erfolgreicher werdende Programm des Riva Verlages ins Spiel. Alleine 237 Titel des in der Münchner Verlagsgruppe beheimaten Verlages haben TrueCrime & Navy Seals ebenso wie Sport & Fitness der härteren Gangart zum Thema. Ein eigenes FunctionalTrainings Magazin wird bei Riva explizit beworben. Auf dem Titelbild der Ausgabe der Rücken eines Kämpfer mit T-Shirt-Aufdruck: „train more fear less“ und im Innenteil keine Bodybuilderin, sondern zähe durchtrainierte Frauen, die im Gym LKW-Reifen hochheben wie andere ihre Penny-Einkaufstüten mit dem Ziel körperlicher Fitness also auch maximaler Wehrhaftigkeit. KämpferInnen eben. Training for Warriors.
Hier hat der Riva Verlag seine Marktlücke gefunden. Und er ist höchst erfolgreich damit. Der aktuelle Titel im Programm macht aus der Intention dahinter überhaupt kein Geheimnis mehr: „In einer Welt, die zunehmend von Krieg, Terrorismus und Kriminalität beherrscht wird, wird es immer wichtiger, sich selbst schützen und verteidigen zu können.“
Beworben wird so Clint Emersons „Wie Navy Seals dem Tod entrinnen.“ Riva führt eine opulente Sport- und Fitness-Sparte. Hier erscheinen zwar auch Autobiografien von Karel Gott und Helene Fischer. Aber es dominieren die Heldengeschichten für die ganz harten Jungs und Mädels: Gedruckt werden Lebensbeichten von Outlaws, von Rockern, von Hells-Angels-Aussteigern, von Ex-Bandidos.
Schrecklich patriotisch. Schrecklich militant
Einer der Verlagsbestseller ist übrigens „American Sniper“, die 2014 von Clint Eastwood verfilmte Besteller-Autobiografie von Chris Kyle. Ein schrecklich patriotisches Buch in einer schrecklich militanten Sprache: „I hate the damn savages. I couldn’t give a flying fuck about the Iraqis.“ Killermaschine Kyle vertrieb nach 160 bestätigten tödlichen Treffern im Irak Fitnessgeräte für Veteranen. Auch er war ein Navy-Seal, genauso, wie Marc Divine und Marc Lauren, die neuen Fitness-Helden für Deutschland, wenn man den riva-Verkaufszahlen glauben will.
„Wie Navy Seals dem Tod entrinnen – die 100 wichtigsten Strategien der Eliteeinheiten“ ist jetzt aber noch einmal von einem ganz anderen Kaliber. Was da auf den deutschen Büchertischen gelandet ist, möchte, dass wir uns und unsere Familie schützen und verteidigen, wie der Klappentext erzählt. Fast so, als wäre Deutschland bereits Kriegsgebiet Nr. 01 in Europa. Die 100 Strategien sollen „einen Ausweg aus allen erdenklichen Gefahrensituationen garantieren.“
Der Protagonist des Buches ist der „gewaltbereite Nomade“, also Sie als Leser sollen das sein. Für den, der es mag, sicher eine Gänsehautsituation, für alle anderen befremdlich.
Leichen verschwinden lassen, Analverstecke anlegen
Fangen wir gleich mal mit der zweifellos bizarrsten Strategie an. Nr. 085 erläutern doch tatsächlich inklusive dreier Zeichnungen, wie man eine Leiche verschwinden lässt. Und ausgerechnet Nr. 007 erklärt Ihnen, „Wie Sie ein Analversteck anlegen“.
Der Stadtnomade auf Mission. Der Feind steht bereits tief im Land und nun gilt es für die Einheimischen zu überleben, bis der Gegner besiegt ist. Auf den ersten Blick klingt das wie Wahlkampfhilfe für die den rechten Flügel der AfD. Die einzelnen Kapitel mit jeweils bis zu 15 Strategien lauten jedenfalls: Vorbereitung der Mission, Infiltration, Aufbau der Infrastruktur, Überwachung, Zugang, Informationsbeschaffung, Operative Aktionen, Säuberung des Tatorts, Absetzbewegung und Flucht.
Jede einzelne Strategie ist mit Text und Zeichnung versehen. Sie erfahren also nicht nur, wie sie einen Kugelschreiber in eine Waffe verwandeln (Nr. 029) oder wie Sie einen Schlagstock aus einem Nagel und einer Zeitung anfertigen (Nr. 032), die Strategien werden bildhaft gemacht. Zeichnungen, wie man sie sich so ähnlich aus alten RAF-Lehrgängen zum Bau eines Molotow-Cocktails vorstellt. Apropos Molotow-Cocktail – na klar, Nr. 069. Aber nicht die poplige RAF-Version, sondern gleich noch in einer verschärften Version, die wir hier jetzt beschreiben könnten, wollen wir aber aus gutem Grunde nicht.
Wie Sie sehen, man kann schon fast mehr Angst vor den Strategien bekommen, als vor dem potentiellen Feind selbst. Darf man so etwas seinen jugendlichen Kindern zu lesen geben? Was macht das mental aus denen? Oder was, wenn das die Falschen in die Hände bekommen? Und eine Menge Menschen lesen es schon: auf amazon ist das Buch in der Sparte „Kampf & Selbstverteidigung schon auf Platz 1. geklettert (Strategie Nr. 015, wie Sie auf ein Zielobjekt klettern können).
Vernichtender Ellenbogenstoß leicht gemacht
Sicher, außergewöhnliche Maßnahmen erfordern außergewöhnliche und mutige Lösungen. Und es finden sich durchaus auch vergleichsweise „nur“ einem realen Gefahrmoment europäischer Großstädte Rechnung tragende Strategien wie Nr. 065, „Landen Sie einen vernichtenden Ellenbogenstoß“ – Frauen, die sexuell belästigt werden, wäre die Beherrschung so einer martialischen Technik sicher zu wünschen.
Aber wo soll das hinführen, wenn eine wachsende Anzahl von Selbstverteidigern durch Deutschland robbt? Und wenn die dann auch noch das Körperset für den Alltag (Strategie Nr. 002) am Leibe tragen inkl. Mundschutz, SIG-Pistole, kugelsicherem Klemmbrett, Wechselkleidung und Handschellenschlüssel?
Nein, das kann alles nicht so ganz ernst gemeint sein mindestens für den deutschen Markt. Die Verlagsprogrammmacher müssen den Titel mitgenommen haben, weil er zugegebener Weise auch einen hohen Unterhaltungswert hat. Der Zeichner hat sogar eine ähnliche Strichführung wie jener aus „Joy of Sex“, dieser Fummelbibel aus den 1970ern. Und die Texte entbehren nicht eines gewissen Humors, in ihrem so erschreckend bierernsten Vortrag.
Ernsthafter und besser aufgehoben ist man sicher bei Riva Produkten wie „Navy Seal Resilienz“ von Eric Greitens. Hier lernt man, wie man mental stark wird, wie ein Elitesoldat und den Weg aus der Krise findet. Braucht man jetzt zwar vielleicht noch nicht beim Einkaufen.
Aber hey, wenn die Erkenntnis schon beim Lesen einsickern sollte, wer würde da nein sagen, oder? Aber nehmen Sie dazu bitte unbedingt die Lesebrille mit ins Bett, wenn sie die Gläser noch nicht zu einer tödlichen Waffe umgebaut haben: Riva hat „Resilienz“ leider in Schriftpunkt 8 oder 9 gedruckt. Und das ist geradezu ein Attentat auf die alten Augen.