Bauexperten befürchten in den kommenden Jahren einen massiven Personalengpass in der Branche. Das geht aus einer Umfrage der FAZ unter Forschungsinstituten und Verbänden hervor. Allein der Plan der Ampel, 100.000 zusätzliche Wohnungen pro Jahr zu bauen, würde die Personalnot deutlich verschärfen. So schätzt etwa der Zentrale Immobilien Ausschuss, dass für das Vorhaben rund 45.000 Fachkräfte fehlen – vor allem in den Bereichen Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik sowie in der Bauelektrik. Die Gewerkschaft IG Bau und das Bundesinstitut für Berufsbildung rechnen sogar mit einem Zusatzbedarf von bis zu 100.000 Fachkräften.
Dabei sind Fachkräfte am Bau ohnehin extrem knapp. Das ergab etwa die Engpassanalyse 2020 der Bundesagentur für Arbeit. Auf den ersten vier Stellen der Engpassliste liegen Berufe im Tiefbau, in der Leitungsinstallation und -wartung, in der Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik sowie im Rohrleitungsbau. Auf den Plätzen sechs bis acht folgen der Brunnenbau, die Bauelektrik sowie der Kanal- und Tunnelbau. Laut dem DIHK-Fachkräftereport 2021 können 66 Prozent der Bauunternehmen Stellen längerfristig nicht besetzen, weil Personal fehlt. Das sind 11 Prozentpunkte mehr als im Jahr 2020.
Doch nicht bloß Fachkräfte am Bau fehlen. Für die Pläne brauche es auch mehr Personal in den Elektro- und Energieberufen sowie Informatiker, erklärte Axel Plünnecke vom IW Köln gegenüber der FAZ. Das Problem: Bereits Ende 2021 hätten viele beruflich qualifizierte Fachkräfte in den Elektroberufen und rund 40.000 Informatiker gefehlt. Plünnecke hat außerdem Zweifel, ob sich die Dauer von Planungsverfahren wie im Koalitionsvertrag beabsichtigt halbieren lässt. „Hierfür ist mehr Personal nötig“, sagt er, was „schwierig zu realisieren sein dürfte“. Derzeit würden überdurchschnittlich viele öffentlich Bedienstete kurz vor der Rente stehen. Außerdem sei die Zahl der Beschäftigten in den vergangenen fünf Jahren fast gleich geblieben, die bei den Kommunen im Bereich räumliche Planung und Entwicklung arbeiteten.
Die Wohnimmobilienpreise sind ohnehin auf einem Rekordhoch. Zuletzt stiegen sie um satte 12 Prozent innerhalb eines Jahres. Für junge Familien und Geringverdiener ist ein Eigenheim unerreichbar geworden. Wenn der Staat weiteres Geld in den Wohnungsbau pumpt, dürfte das viele Materialpreise und Bauleistungen verteuern. Material ist ohnehin knapp und das Bauen extrem teuer. Wer einen Handwerker anfordert, muss monatelang warten. Im Schnitt seien es 14 Monate im Bauhauptgewerbe, erklärte kürzlich Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer.
Bundeswirtschaftsminister Habeck und die Mittelstandsvereinigung der Union fordern mehr qualifizierte Zuwanderung, um die Fachkräftelücke zu schließen. Jedoch scheiterte die Zuwanderung in den Arbeitsmarkt bereits in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten. Selbst die Arbeitsagentur stellt fest, dass Ausländer für lediglich zehn Prozent der Beschäftigten stehen, aber für 25 Prozent der Arbeitslosen. Außerdem entzieht die Zuwanderung Fachkräfte in den Herkunftsländern und verschärft die Wohnungsnot hierzulande, weil viele Zuwanderer Familien mitbringen dürften.