Neues Ende von „Fight Club“: Chinas Zensur breitet sich längst auf den Westen aus
Mario Thurnes
Chinesische Zensurbehörden ließen den Film „Fight Club“ ändern. Das in Revolution endende Original fällt weg, dafür erscheint eine Schrift und der Zuschauer erfährt, dass sich die Partei um alles gekümmert hat. Wirkt lustig. Zeigt aber auch, wie sich die chinesische Unfreiheit allmählich auf den westlichen Kulturbetrieb ausbreitet.
Zu den ungeschriebenen journalistischen Gesetzen gehört, dass der Name „Fight Club“ nicht geschrieben werden darf, ohne dass davor die erklärende Bezeichnung „Kultfilm“ steht. Diesen Status hat sich der 1999 erschienene Thriller durch seine düstere Optik verdient, seine namensgebenden Kampfszenen, eine Vielfalt an Filmzitaten und durch die spektakulären Wendungen in der Handlung: Ein unter Schlafstörung leidender Erzähler (Edward Norton) wird von Tyler Durden (Brad Pitt) in den Fight Club gezogen. Der startet als Selbsthilfegruppe, dann erwächst daraus eine anarchistische Widerstandsbewegung. Diese will durch einen Terroranschlag das Finanzsystem lahmlegen. Doch bevor es zum Showdown kommt, bemerkt der Erzähler, dass Durden nur eine Wahnidee war und tatsächlich er selbt hinter ihm steckt. Am Ende bricht alles zusammen.
Im Originalende. Diese anarchistische Version war für den chinesischen Markt nicht tragbar. Die Filmplattform Tencent Video biegt dort vorm Finale ab: Die Revolution bleibt aus. Stattdessen wird auf einer Schrift erklärt: Die Partei habe die Terroristen gestoppt, um die Hauptfigur sei sich gekümmert worden. Er sei in eine Irrenanstalt geliefert und später als geheilt entlassen worden.
Der Autor der Romanvorlage, Chuck Palahniuk, fand das zuerst lustig und twitterte: Das ganze sei wunderbar und in China bekomme jeder ein Happyend. Dann gab er dem amerikanischen Portal TMZ ein Interview und erklärte zum einen, das chinesische Ende komme der Romanvorlage näher als das ursprüngliche Filmende. Zum anderen verstehe er die Aufregung nicht. In den USA würden seine Bücher auch verboten. Er bezieht sich dabei unter anderem auf staatliche sowie auf christliche Privatschulen, in denen seine Werke auf dem Index stehen.
Die Aussage Palahniuks nahmen deutsche Medien dankbar auf. Sie betonten erwartungsgemäß den Aspekt, dass es Zensur auch in den USA gebe. Ein beliebtes Motiv in einem Land, das sich und seine Regierungschefs gerne selbst als „Führerin der freien Welt“ sieht. Befremdlich wirkte indes die Betonung, das chinesische Ende sei letztlich künstlerisch wertvoll. Als ob das die Absicht der Zensurbehörden wäre. Der Beigeschmack von Freispruch für die Zensur lag so unter der deutschen Berichterstattung.
Es waren nicht westliche Medien, die den Eingriff in „Fight Club“ aufdeckten. Chinesische Filmfans hatten sich beschwert, die das Original von Raubkopien kannten. Zwar lässt China ausländische Filmexporte zu – vorwiegend amerikanische -, begrenzt aber deren Anzahl. Zum einen soll so die heimische Filmindustrie gefördert werden. Zum anderen erleichtert es die Zensur ausländischer Werke. Wie im fiktiven „Fight Club“ will die Partei auch real alles unter Kontrolle haben.
Eingriffe wie beim 23 Jahre alten „Fight Club“ sind dabei nur selten notwendig. Der internationale Markt passt sich in den letzten Jahren an den Markt der Boomnation an. So kommt es zu Co-Produktionen wie „The Great Wall“, in dem Matt Damon und Jing Tian die Hauptrollen spielen. Aber auch die eigenen Neuveröffentlichungen produzieren die Amerikaner schon nach staatlichen Wünschen – aus China. So wurde der Comic „Dr. Strange“ 2016 verfilmt. Doch die tibetische Hauptfigur wurde ersetzt – durch einen Kelten. Gespielt von Tilda Swinton.
„Dem Volk und dem Sozialismus dienen“ solle der Film grundsätzlich, heißt es in den chinesischen Zensur-Bestimmungen. Also liefert Hollywood nun Filme, die Volk und Sozialismus dienen, weil das auch dem kapitalistischen Hauptzweck entspricht: Geld verdienen. Ohne diese lästige Freiheit sind sich Kapitalismus und Sozialismus erstaunlich schnell einig.
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