Fed-Präsident Jerome Powell kann sich vorstellen, dass die Fed entschiedener gegen die Inflation vorgeht als bislang geplant. Das geht aus Aussagen auf einer Pressekonferenz am Mittwoch hervor. Auf den Finanzmärkten gab es anschließend Kursverluste. Bislang stand im Raum, dass die Fed in diesem Jahr den Leitzins in drei Schritten um jeweils 0,25 Prozentpunkte anheben könnte. Der Leitzins würde also zum Ende des Jahres in der Spanne von 0,75 bis 1 Prozent liegen.
Die Fed selbst bekräftigte diesen Kurs am Mittwoch. Man werde den Leitzins „bald“ über die derzeitige Spanne von 0 bis 0,25 Prozent setzen, heißt es in einer Mitteilung des zinssetzenden Offenmarktausschusses. Die Wertpapierkäufe sollen demnach bis Anfang März auf Netto-Null sinken. Langfristig wolle man vor allem Staatsanleihen halten. Wann die Fed Wertpapiere verkauft und somit die Geldmenge und die Bilanz verkleinert, ließ die Mitteilung offen. „Der Ausschuss geht davon aus, dass die Reduzierung der Bilanzsumme der Federal Reserve beginnen wird, nachdem der Prozess zur Erhöhung des Zielbereichs für die Federal Funds Rate [den Leitzins] begonnen hat“, erklärte die Fed.
Doch Jerome Powell redete in der anschließenden Pressekonferenz frei und hielt sich nicht streng an den Inhalt der Mitteilung. Der frühere Investmentbanker ließ offen, ob die Fed den Leitzins im Jahr 2022 bloß in 0,25-Prozentpunkten-Schritten erhöhen wird, oder ob sogar eine Erhöhung um 0,5 Prozentpunkte kommen könnte. Auch die Frage, ob die Bilanzverkürzung schon im März oder erst im Sommer anstehen wird, ließ Powell offen. Das müsse der Offenmarktausschuss beim nächsten Treffen am 15. und 16. März diskutieren, sagte er (siehe hier und hier).
Der Fed-Chef sagte stattdessen, dass sich Arbeitsmarktdaten und Wachstumszahlen sehr positiv entwickelt hätten. Bloß bei der Inflation sei die Lage “leicht schlimmer” geworden, als er das noch im Dezember erwartet habe. Im Jahr 2022 werde die Kerninflationsrate wohl einige Zehntel-Prozentpunkte höher ausfallen, als er bislang angenommen habe. Die Aussichten seien aber sehr unsicher und die Fed müsse sich flexibel anpassen, betonte der promovierte Jurist mehrmals.
Dennoch dürfte die Zinswende der Fed – selbst bei 0,5-Prozentpunkte-Schritten – kein großer Wurf werden, was die Inflationsbekämpfung angeht. Im Dezember stiegen die Verbraucherpreise in den USA um 7,0 Prozent. Laut dem US-Ökonomen John Williams, der den US-Verbraucherpreisindex nach der Messmethode von 1980 berechnet, liegt die wahre Inflation aber bei 15 Prozent. Das wäre sogar höher als Anfang 1980, als der damalige Fed-Chef Paul Volcker den Leitzins auf mehr als 15 Prozent anhob, um die Inflation in den Griff zu bekommen.
Nach Schätzungen des VWL-Professors Steve Hanke wird die US-Inflation bis zum Jahr 2024 bei 5 bis 6 Prozent bleiben. Hanke schätzt die Zahl auf Basis des Geldüberhangs, der sich in der Corona-Krise angesammelt hat. Bislang hat die Fed jedenfalls ihre Bilanz weiter ausgeweitet. Zuletzt hat sich das Bilanzwachstum sogar beschleunigt. Allein in der Woche vom 12. bis 19. Januar wuchs die Gesamtbilanz des Fed-Systems um knapp 80 Milliarden US-Dollar.
Derweil hält die EZB weiter die Füße still – trotz 5 Prozent Inflation in der Eurozone im Dezember. Zwar gab Christine Lagarde kürzlich bei einem Treffen des World Economic Forum zu, dass die EZB die Inflation unterschätzt habe. Aber eine Zinserhöhung ist für die Französin derzeit keine Option. Lagarde rechnet für dieses Jahr mit stabilisierenden Energiepreisen und rückläufiger Inflation. Zinserhöhungen kämen erst infrage, wenn die EZB für die kommenden Jahre mehr als 2 Prozent Inflation erwarte, sagte Lagarde. “Wir werden handeln, sobald die Kriterien erfüllt sind, aber im Moment sind sie nicht erfüllt.” Derzeit rechnet die EZB mit 1,8 Prozent Inflation in den kommenden zwei Jahren.