Tichys Einblick
ÖRR-Zuchtmeister Harald Lesch

Hart aber Fair: Die Deutschen „energetisch verfettet“ – Strom „muss teurer werden“

Bei Hart aber Fair werden die horrenden Kosten der Energiewende gemanagt – ohne die Ursache zu hinterfragen. Manche haben dabei zumindest Mitleid mit den Opfern, andere sehen die Opfer geradezu als Ziel.

Screenshot ARD: Hart aber Fair

Die steigenden Energiepreise machen sich für jeden bemerkbar – auch für die Redaktion von „Hart aber Fair“, die dem Thema die aktuelle Sendung am Montagabend widmet. Endlich mal keine Corona-Talkshow – stattdessen die Frage, wer sich die horrenden Energiepreise noch leisten könnte. Dieses Thema diskutiert Frank Plasberg, wie immer, mit fünf Gästen.

Einer von ihnen ist Jürgen Trittin. Der grüne Bundestagsabgeordnete war als Bundesumweltminister in den Kabinetten Schröder maßgeblicher Konstrukteur der Energiewende – und verewigte sich mit seinem berühmt-berüchtigten Satz, dass die Finanzierung von erneuerbaren Energien via EEG-Umlage den Verbraucher nicht mehr als „eine Kugel Eis“ kosten würde, in den Zitatesammlungen der Politik. Keine Sorge: Auf diesen Satz kommen wir nachher noch zurück. Heute, rund 20 Jahre später, hört man ganz andere Töne von Herrn Trittin: Den steigenden Energiepreisen werde die Ampel einen Riegel vorschieben, verspricht er. Und: Die EEG-Umlage solle für die Verbraucher auch wegfallen.

Das alles vor dem Hintergrund eines Beispiels, mit dem Moderator Frank Plasberg die Runde begonnen hat: Einer Stromkundin wurde kurzfristig durch den Anbieter gekündigt, sie fühlt sich „falsch behandelt“. „Man muss festhalten, dass viele dieser Kündigungen schlicht rechtswidrig sind“, meint Trittin dazu. „Das ist ein unlauteres Geschäftsgebaren“, meint auch Kerstin Andreae, Chefin des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft. Trittin führt weiter aus: Die Regierung plane, dass Versorger in Zukunft nicht einfach so kündigen können sollen. Es brauche eine Vorlauffrist und Preiskontrollen.

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Zu Gast ist auch der meinungsmachstarke ÖRR-Wissenschaftler Harald Lesch. „Die Ökonomisierung des Strommarktes ist ein Riesenproblem“, meint dieser: Man habe „wilde Firmen“ einfach darauf losgelassen. Für ihn scheint der Markt an der Situation Schuld zu haben. Wie ein Lesch die Dinge regeln würde, offenbart er kurz darauf selbst: Energie sei nämlich eigentlich viel zu billig. „Sie muss teurer werden!“, konstatiert Lesch. Die Deutschen seien „energetisch verfettet“, sollten ihren Stromverbrauch halbieren, um das Klima zu retten. Diese Preissteigerungen seien halt so – da kann man, sollte man nichts machen, scheint die Botschaft des Professors und Moderators zu sein, der heute offenbar aus dem Elfenbeinturm zugeschaltet ist. Sonst droht in ein paar Jahrzehnten die Apokalypse, denn immerhin ist „Klimakrise“.

JU-Chef und CDU-Bundestagsabgeordneter Tilman Kuban übt daraufhin Kritik an der Politik: Im Wahlkampf hätten alle Parteien versprochen, dass die Energiewende gelinge und nicht teurer werde. „Der Staat wird ausgleichen müssen“, sagt Kuban und verweist auf 40 Prozent des Strompreises, die sich nur aus Abgaben und Steuern zusammensetzen würden. Tatsächlich machen Umlagen und Steuern über 50 Prozent aus. Die erneuerbaren Energien wären erst in „20, 25 Jahren“ wirklich marktreif, erklärt er – dass alle anwesenden und die regierenden Politiker sowieso diese unreifen Technologien trotzdem zum Rückgrat unserer Energieversorgung machen, wird nicht hinterfragt, geschweige denn diskutiert.

Jürgen Trittin rechnet sich um Kopf und Kragen

Die steigenden Preise könnten „wir, privilegiert wie wir hier alle sitzen“ noch hinnehmen, meint Kuban – viele andere könnten das nicht, schießt er in Richtung Lesch. Dessen Haltung könne er „mit meinem Gewissen auch als Abgeordneter nicht vereinbaren“. Autor und Publizist Wolfram Weimer unterzieht die Elfenbein-Ausführungen des Professors dann einem Reality Check: „In Frankreich zahlt man 21 Cent für die Kilowattstunde, in den USA 15 Cent“ – in Deutschland über dreißig Cent, meint er und hält fest, dass wir „die höchsten Energiepreise der Welt“ hätten. „Der Staat macht unsere Energie wahnsinnig teuer“, konstatiert er.

Und weiter: „Die Energiepreise lösen eine grüne Inflation aus – und die schleicht sich durch die ganze Gesellschaft“. Die Ausführungen von Professor Lesch hätten „echte Schäden“: „Zwei Millionen Deutsche frieren“ bereits jetzt aufgrund der horrenden Heizkosten. Der Vorwurf des Publizisten an den Professoren ist klar: Mit seinen Klima-Absolutismen aus der doppelt staatlich gesicherten Komfortzone eines ÖRR-Mitarbeiters und Professors heraus agitiert Lesch für soziale Härten. Das bestreitet dieser natürlich: Der Staat müsse abfedern. Er spricht sich für Umverteilung im Rahmen der „Energietransformation“ aus.

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„Für Verbraucher ist es derzeit schwierig“, konstatiert Christina Wallraf von der Verbraucherschutzzentrale NRW. „Ich glaube an den Wettbewerb“, erklärt sie – auch, wenn es auf dem Markt „schwarze Schafe“ gäbe. „Wettbewerb ist wichtig, der sorgt für die günstigen Preise.“ Doch bevor sie wirklich ausführen kann, ist wieder Lesch dran: Er fragt, warum man denn davon ausgehe, dass Energie wieder billiger werden sollte. „Was ist das für ein Naturgesetz?“, fragt er schnippisch. Auch hier ist wieder Wolfram Weimer zur Stelle. Der verweist auf die stromintensive Industrie in Deutschland, die aufgrund der hohen Kosten vor dem Weggang stehe.

Traditionsunternehmen wie Glashütte hätten „zwei Weltkriege“ überlebt, drohten aber nun an der Stromrechnung zugrunde zu gehen. „Wenn wir so weiter machen, nimmt uns China die industriellen Kerne weg“, warnt er: So sei es beispielsweise schon in der Stahlindustrie geschehen. Wenn man, wie Deutschland, aus so ziemlich jedem Energieträger gleichzeitig aussteigen wollte, sei das unklug. Hier zitiert er das Wall Street Journal: „Die Deutschen machen die dümmste Industriepolitik der Welt!“

Darüber lacht Jürgen Trittin: Vielleicht Grund genug für Plasberg, sich den Grünen vorzuknöpfen. Jetzt wird er per Einspieler mit seiner „Kugel Eis“ konfrontiert: Nicht mehr als einen Euro pro Kilowattstunde sollte die Energiewende den deutschen Verbraucher kosten, hatte Trittin als Minister einst versprochen. Die EEG-Umlage heute: 11,40 Euro. Doch Trittin verteidigt die Einführung 2005: Fehler wären nur durch die Nachfolgeregierungen gemacht worden. Unter seiner Führung wäre das alles anders verlaufen, prahlt er: Das könne er nachrechnen. Die Runde bittet drum: Und so muss Trittin eingestehen, dass selbst mit seiner Rechenakrobatik der Deutsche heute nur 2 Cent weniger pro Kilowattstunde zahlen müsste. Am Endpreis der wohl teuersten Kugel Eis aller Zeiten ändert das natürlich herzlich wenig.

Energiewendewahnsinn
Der Rückbau der Kernenergie kostet nicht nur Geld, sondern auch CO2-Emissionen
Mit Blick auf die Uhr folgt nun die eilige Abarbeitung einiger Themenfelder: Die Einstufung von Kernenergie als „nachhaltig“ durch die EU-Kommission wird von Trittin und Lesch selbstredend abgelehnt – bemerkenswert, da gerade Letzterer doch so gerne vor der imminenten Klimakatastrophe warnt, in puncto Atomkraft aber doch Bedenken zur Nachhaltigkeit in Tausenden von Jahren anführt. Das von den Grünen versprochene „Klimageld“ schiebt Trittin auf die lange Bank, indem er es nach Brüssel verweist. Zuletzt wird noch russisches Gas diskutiert. „Wir sind in einer Abhängigkeit von Russland“, stellt Trittin dort treffend fest – er müsste es auch besser wissen als die meisten in der Runde. Auf Nordstream 2 sei man aber nicht angewiesen. Lesch widerspricht. Grund zur Panik sei die Abhängigkeit von Moskau aber nicht, meint Kerstin Andreae. Die Lage in puncto Gasversorgung entspanne sich ohnehin, meint sie.

Damit geht eine Runde zu Ende, die angenehm ist – allein dadurch, dass es nicht um Corona geht. Die titelgebende Frage wird, wie fast immer bei „Hart aber Fair“, nicht wirklich beantwortet: Stattdessen sitzen fünf Herrschaften beieinander und diskutieren die möglichst kluge Verwaltung der Energiemangelwirtschaft. Ein Denken „outside the Box“ findet nicht statt: Der Kurs Energiewende bleibt vorgegeben. Es geht nur noch darum, den Schaden zu managen.

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