Tichys Einblick
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Anne Will: Eine einzige Zumutung von Corona-Talk

Wer gestern Abend aus Gewohnheit Anne Will einschaltete, musste mit tiefer Verzweiflung unter die Decke schlüpfen. An allen entscheidenden Stellen fragte sie chronisch nicht nach.

Screenprint ARD / Anne Will

Anlass zur Kritik an einseitiger Auswahl der Gäste oder unprofessioneller Gesprächsführung gab es beim „Will-Talk“ immer wieder. Doch die gestrige Sendung war ganz einfach eine Zumutung. Wenn schon die Will-Serie „Corona und kein Ende“ nach sehr langer (!) Abwesenheit der Moderatorin wieder aufgegriffen werden musste, hätte man wirklich etwas Neues erwarten können. Doch Fehlanzeige – entweder wurde Bekanntes wiederholt oder allgemeine Ratlosigkeit demonstriert. Zudem machte die Moderatorin gar keinen so erholten Eindruck – Frische und Energie strahlte sie jedenfalls nicht aus. Das war eher eine Mischung aus Aggressivität und plötzlichem Desinteresse. Der Zuschauer jedenfalls musste nach der Sendung verwirrter sein als zuvor.

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Da stocherten alle vier Gäste, Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP), Nordrhein-Westfalens neuer Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU), die Chefin des deutschen Ethikrates Frau Alena Buyx, die Journalistin Helene Bubrowski und der einzige Fachmann, der Intensivmediziner Uwe Jannsens, mit der Stange im Nebel herum. Man wisse noch nicht, wie sich Omikron oder besser seine Auswirkungen auf unser Gesundheitssystem entwickelten, denn bislang ist es so, dass zwar die Inzidenzen (was übrigens infiziert, aber nicht unbedingt erkrankt meint!) mit hoher Geschwindigkeit ansteigen, die Situation auf den Intensivstationen sich hingegen stabilisiert. Auf den normalen Stationen habe man nicht zu wenig Betten, sondern nicht ausreichende Personalstärken. Abwarten sei jetzt die Devise – eine Lockerung der Maßnahmen aber käme nicht in Frage.

Buschmann sagte, eine Impfpflicht habe rechtlich nur Bestand, wenn sie eine Überlastung des Gesundheitswesens verhindert. Wie wäre dann eine Impfpflicht der unter 50-Jährigen zu rechtfertigen? Aber so etwas fragt Frau Will nicht.

Es bleibt auch das Geheimnis der Moderatorin, warum sie an dieser Stelle nicht die eingangs von ihr selbst erwähnten Willkürakte gegen Millionen Bürger noch einmal auf den Tisch brachte. Gemeint ist die überfallartige Verkürzung der Genesenen-Bescheinigung um drei Monate, sowie der „Ungeimpft“-Stempel für alle, die mit besten Wissen und Gewissen den Impfstoff von Johnson&Johnson gewählt hatten. Von einem Moment auf den anderen galten sie als ungeimpft. Ein Umgang mit Bürgern, den man nur aus Diktaturen kennt.

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Auch beim Thema Impfpflicht ein nicht ausdiskutierter Widerspruch. Da hieß es einmal, dann seien endlich auch die Impfverweigerer an der Reihe. Sie seien nämlich schuld, dass alle anderen nur ihretwegen unter den Beschränkungen leiden müssten. Gleich danach wurde mit Blick auf die Impfstoffe festgestellt, dass wider Erwarten auch Geimpfte sich erneut ansteckten und auch andere anstecken könnten. Ja, was denn nun Frau Will? Sind die Impfmuffel nun die Haupttäter und damit so etwas wie „Sozialschädlinge“ oder sind sie es nicht? Erneute Hilflosigkeit!

Dann auch schon zum hundertsten Mal vorgetragene Klagen: Die mangelnde Digitalisierung im Gesundheitswesen und die sich auch unter der neuen Bundesregierung fortsetzenden organisatorischen Mängel. Da fehlt immer mal wieder Impfstoff und jetzt gehen auch noch die PCR-Tests aus. In der Bundesrepublik können zur Zeit nur 25 von 1.000 Personen mit PCR-Test kontrolliert werden – in Österreich 400. Dabei liegt das Land doch gleich nebenan und nicht hinter dem Hindukusch.

Also, wer gestern Abend aus Gewohnheit Anne Will einschaltete, musste mit tiefer Verzweiflung unter die Decke schlüpfen.

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Aber jetzt mal ganz im Ernst, Frau Will, musste es nun wirklich wieder Corona sein? In Deutschland galoppiert die Inflation in seit Jahrzehnten nicht gekannte Höhen. Die Energiepreise explodieren und bringen Haushalte in Existenznöte. Bundesinnenministerin Nancy Faeser trägt sich öffentlich mit dem Gedanken, das Demonstrationsrecht zu demontieren – und schließlich steht Europa in der Ukraine am Rande eines Krieges. Wären nur eine einzige dieser Aktualitäten nicht interessanter und wichtiger gewesen? Eine Frage, die nur Frau Will selbst oder die Verantwortlichen in der ARD beantworten können.

Ganz nebenbei: Wäre es für die Gebührenzahler, die ja in gewisser Weise auch die Arbeitgeber der Talk-Dame sind, nicht interessant, einmal in die Verträge mit diesem Star am deutschen Fernsehhimmel hineinschauen zu können? Wie viele Sendungen pro Jahr muss Will moderieren? Wie sind die Abwesenheiten geregelt? Wird pauschal oder per Erscheinen honoriert? Welche Aufwendungen für die Sendung könnten von dem bekanntlich reichlich vorhandenen eigenen Personal des NDR erbracht werden? All dies würde sicherlich mehr als nur eine Will-Sendung füllen. Aber da der Gebührenzahler sowieso nichts zu melden hat, werden diese Fragen wohl nie beantwortet werden.

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