Tichys Einblick
Handeln statt reden

Merkel und Afrika

Wenn Merkel und andere Anführer Europas in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft Wirkungsvolles tun wollen, müssen sie ein paar Singapurs und Hongkongs errichten: Sonderwirtschaftszonen mit Millionen guter Jobs. Statt wohlfeiler Sprüchen auf Gipfeln.

Hong-Kong

Angela Merkel nennt ein richtiges Stichwort, Afrika, aber kein Rezept. Die politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Führungsschicht Deutschlands, aber auch aller anderen europäischen Länder, versinkt im Klein-Klein eines dilettantischen Abwehrkampfes gegen linke und rechte populistische Parteien und Bewegungen. Mit ihrer hilflosen Verdammung des Protests treiben sie diesem immer noch mehr Anhänger zu. Wer genauer hinschaut, sieht, dass die Tonangebenden ebenso wie die gegen sie Antönenden nicht fähig sind, aus den Strukturen des Status Quos geistig auszubrechen.

Während die Union im Verein mit SPD und FDP lange nach Wegen suchte, die deutsche Bevölkerung durch mehr Geburten konstant zu halten, kamen Grüne und linke Sozialdemokraten früh auf die Idee, den deutschen Nachwuchsmangel durch Zuwanderung auszugleichen und dabei nicht nur Beitragszahler für die Sozialkassen zu importieren, sondern auch die deutsche Gesellschaft aufzusüden. Die Stammtische sollten durch Einwanderer aus anderen Kulturen bunte Konkurrenz bekommen.

Einen Irrtum teilen beide Seiten: Warum muss Deutschland (müssen die Länder des Westens) die Zahl der Einwohner konstant halten? Ist es nicht sogar besser, wir werden weniger? Die technische Entwicklung von immer sophistischer IT-gesteuerten Abläufen und Prozessen kommt mit immer weniger Menschen aus – das ist der Trend. Aus wirtschaftlichen Gründen brauchen die meisten Unternehmen morgen weniger, aber gut qualifizierte Leute. Qualität statt Quantität ist die weltweite Entwicklung, wenn auch in unterschiedlichen Erdteilen mit verschiedenem Tempo. Dass etliche Unternehmen bis dahin, noch billigere einfache Arbeitskräfte aus dem Einwandererpool als aus dem schon vorhandenen Billiglohnsektor nutzen wollen, steht auf einem anderen Blatt.

Überall wo der Wohlstand wächst – wie relativ von uns aus gesehen auch immer – nehmen die Geburtenzahlen ab. Warum ist allgemein bekannt: weil es für die Altersversorgung den Nachwuchs nicht mehr braucht. Ein Trend, der bei uns darin gipfelt, dass der Aufzug von Nachwuchs so kostspielig wird, dass er die Altersversorgung gefährdet.

Die Kulturkreise, in denen das Nachwuchs zeugen religiöse Gründe hat und/oder solche des Männlichkeitsnachweises der Väter, klammere ich hier mal aus. So etwas regelt der natürliche Verlauf der Geschichte, auch wenn das dauert.

Bei ihrem Wunsch nach einem bunteren Deutschland und Europa vernachlässigen die Protagonisten und Anhänger dieser Meinungsrichtung von Anfang eine Frage, die stellen muss, wem es um das geht, was alle Menschen suchen, Einwanderer und Einheimische: ihr Glück.

Modell Hongkong statt Migrationschaos
Neu-Karthago
Finden Menschen ihr Glück eher in Gegenden und unter Menschen, die ihnen vertraut sind, oder unter nicht vertrauten Umständen? Eine Minderheit ist polyglott, die Mehrheit nicht. Warum siedeln alle Einwanderer zu allen Zeiten und überall mit ihresgleichen? Warum verlassen sie diese Nähe erst Generationen später und auch dann oft nur teilweise? Jeder, der seine ursprüngliche Heimat verlassen hat, kann diese Frage beantworten. Der Mensch ist ein soziales Wesen und jene, die er als näher empfindet, lassen sich nicht beliebig gegen andere austauschen. Auch wenn das Einleben und Einfinden einzelner oft sehr gut gelingt. Das schaffen immer nur einzelne, keine Projekte und Programme.

Dass die Haltung einer großen Helfergemeinde einen anderen Aspekt fast ganz ignoriert, ist bei ihrer mehr oder weniger deutlichen Zugehörigkeit zum Gedankengut der Linken – wie unpräzise der Ausdruck auch ist – schon einigermaßen sonderbar. Alle die kommen, fehlen heute oder morgen dort, wo sie zuhause waren. Der Vorwurf des Neokolonialismus liegt nahe.

In jedem Fall ist es für alle Beteiligten besser, wenn die Zustände in den Herkunftsländern so verbessert werden, dass jene, die sich heute auf den Weg machen, daheim ihr Glück finden können. Damit sind wir wieder bei Merkel und Afrika. Wenn sie und die anderen Anführer in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft Wirkungsvolles tun wollen, müssen sie in Afrika (und im nahen Osten) ein paar Singapurs und Hongkongs bauen: Sonderwirtschaftszonen mit Millionen guter Jobs. Und für ein paar Generationen mit Leuten managen, die das können. Aus den dortigen Gesellschaften werden binnen einer Generation welche von dort nachwachsen, die an ihre Seite und in ihre Fußstapfen treten können. Solche Ausnahme-Talente sind überall Minderheiten. Und die gibt es eben auch überall.

Das Geld für solche Großprojekte ist da. Die Milliarden, die zur Zeit für dilettantische Reparaturen innerhalb der europäischen Staaten ausgegeben werden, um mit dem Einwanderungschaos irgendwie zurecht zu kommen, ist dort richtig eingesetzt. Das gilt auch für die ganze Entwicklungshilfe (und von ihr lebende Industrie). Seitdem die in Europa arbeitenden jungen Männer aus Afrika jedes Jahr mehr Geld nachhause schicken, als die gesamte Entwicklungshilfe einsetzt, muss das jedem klar sein.

Wollen die Anführer Europas wirklich Geschichte schreiben, müssen sie gleichzeitig alles an Privilegien abräumen, was den Unternehmen des Nordens billige Gewinne in Afrika verschafft und die eigene Entwicklung dieser Länder massiv behindert. Es gibt einen Partner für mutige Afrikapolitik, China. Dann allerdings muss Europa mit dem Reich der Mitte selbstbewusst Vereinbarungen treffen, weil die chinesische Politik das Geschäft sonst einfach weiter alleine betreibt. Europa hat dafür ein Pfand: Chinas Prestigeprojekt einer neuen Seidenstraße von der South China Sea an die europäische Altantikküste. Klotzt Leute, hört auf zu kleckern.

Ich höre Kritiker sagen, aber das können Merkel und die anderen Anführer in Europa doch nicht. Dann werden England, Amerika und Russland es tun (zusammen mit immer mehr kleinen Staaten in Europa) – am Rest von Europa vorbei.

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