Sein Name ist Scholz, Olaf Scholz. Und er glaubt offenbar, dass an ihm ein Kommandeur verloren gegangen ist. Sein Motto ist: „Wer bei mir Führung bestellt, muss wissen, dass er sie dann auch bekommt.“ Das hat er schon 2009 als SPD-Landesschef in Hamburg und dann noch mehrfach verkündet. Gegen die Pandemie will er tun, „was immer notwendig“ ist, und bekanntermaßen kennt er dabei keine „roten Linien“. Als Finanzminister kündigte er an, die „Bazooka“ rauszuholen; im Kampf gegen Corona setzte er einen General der Bundeswehr als obersten Organisator ein. So ganz kommt er nicht aus sich heraus, doch immerhin kündigt er an, den Kampf gegen die Pandemie mit der „größten Entschlossenheit“ zu führen – „und ja, wir werden diesen Kampf gewinnen“. Das Virus werde man „besiegen“.
Im Bundestag philosophiert er auch gerne darüber, wie richtige Führung aussieht. Scholz‘ neues Lieblingswort ist „Leadership“, wahlweise auch „demokratische Leadership“ oder „moderne Leadership“, die englische Übersetzung macht ‚Führerschaft‘ wohl etwas politisch korrekter. Der ansonsten steife Scholz leistet sich bei solchen Formulierungen auch mal ein Lächeln – hier ist er in seinem Element. Den Hang zu martialischen, militärischen Formulierungen teilt er indes mit vielen anderen, die bei Corona ganz in ihrem Element sind – neben Ärzte-Fieldmarshall Montgomery auch Darth-Vader-Fan Markus Söder.
Die ‚Impfpflicht‘ ist das zentrale erste Vorhaben der Regierung Scholz. Großspurig tönte er noch vor nicht allzu langer Zeit: „Dass die notwendigen Maßnahmen eingeleitet werden, das ist meine Aufgabe, dafür trage ich die Verantwortung, und das hat meine oberste Priorität.“ Deswegen wäre es die endgültige Blamage für ihn, von der ‚Impfpflicht‘ wieder abzurücken – erst das Wahlversprechen, nach dem es keine ‚Impfpflicht‘ geben wird, zu brechen, um sich als oberster Impfpflicht-Ritter zu inszenieren, nur um dann wieder von der ‚Impfpflicht‘ abzurücken. Das wäre mehr Worst Case als eine Corona-Modellierung des RKI.
Zeichen gegen Grundrechte
Hätte Scholz das Ganze nicht dummerweise vor vier Wochen so angekündigt, würde im Kontext von Omikron aber vermutlich niemand mehr ernsthaft über eine gesetzliche Impfpflicht nachdenken. Omikron ist nach den vorliegenden Daten schließlich wohl weniger tödlich als eine herkömmliche Grippe, zwei ‚Impfdosen‘ wirken kaum noch gegen Ansteckung und Weiterverbreitung, Omikron breitet sich so schnell aus, dass die ‚Impfpflicht‘ erst kommen würde, wenn es zu spät ist, und außerdem weiß man gar nicht, wie viele ‚Impfdosen‘ man denn eigentlich anordnen müsste – konsequent wäre wenn überhaupt ein ‚Impfabo‘, alle paar Monate. Das dürfte wohl nicht mehrheitsfähig sein.
Immer mehr Menschen erkennen das. Als erster der regierungsnahen Experten erklärte Christian Drosten Omikron zum „perfekten endemischen“ Virus, dann rückte Corona-General Markus Söder auf einmal von der ‚Impfpflicht‘ ab. Jetzt kommt Alena Buyx, Vorsitzende des Deutschen Ethikrates um die Ecke: Die Ethikrats-Empfehlung für die ‚Impfpflicht‘ sei „im Kern unter den Bedingungen der Delta-Variante geschrieben“ worden. Wenn sich die Faktenlage in der Pandemie deutlich ändere, müsse man sich aber auch „normative Einschätzungen, wie man sie getroffen hat, noch einmal neu anschauen“. Bei Omikron gelte das nicht einfach fort.
Das ist das Problem mit der Corona-Politik: Auf nichts ist Verlass. Steigen „die Zahlen“, ist in einer allgemeinen Armageddon-Stimmung alles beliebt, was hart klingt und stark – sinken die Zahlen, erinnert sich daran aber keiner mehr. Dann stehen die Hardliner wegen ihrer Grobschlächtigkeit auf einmal belämmert da. Spahn und Söder sind so unter die Räder gekommen. Gegenüber Scholz und Lauterbach wirkt der ehemalige Gesundheitsminister aber in der Tat noch wie ein ausgefuchster Polit-Profi.
Die Frage, die bleibt ist, wie lange sich die Regierung noch gegen das unausweichliche stemmen wird und stemmen kann. Die ‚Impfpflicht‘ ist nur noch ein Vorhaben zur Rettung des eigenen Wortes, so verquer das auch ist. Grundrechte werden eingeschränkt, nur damit der Bundeskanzler konsequent erscheint.
Clausewitz lehrt alle tatsächlichen Generäle und solche, die es werden wollen: „Nichts ist schwieriger, als der geordnete Rückzug aus unhaltbarer Position.“ Und lange vor dem preußischen Militär-Vordenker wusste es schon der chinesische Militärtheoretiker Sun Tsu: „Begib dich nie in ein Gelände, das du nicht jederzeit und ohne Verluste wieder verlassen kannst.“ Wir sehen aktuell den Beweis für die Richtigkeit dieser Behauptung. Für Scholz könnte sein verdeckter Rückzug im allgemeinen Chaos enden.