Während die ARD-Konkurrenz bei Maischberger das neue Jahr am Mittwoch mit einem Knall begonnen hat – Sie erinnern sich vielleicht an die Äußerungen von Boris Palmer – war die erste Illner-Sendung nach der Winterpause mehr so auf dem Tarotkarten-Trip. Von Nahtod-Erfahrungen (sarkastische Übertreibung meinerseits) bis hin zu Glaskugeln war alles dabei. Aber der Reihe nach.
Kein einfacher Job für Illner an diesem Abend – ihr persönlicher Held Lauterbach steht wegen der Impfpflicht immer stärker in der Kritik, und er ist gar nicht da, um sich herauszureden. Aber sie gibt sich beste Mühe!
Klaus Holetschek, der bayerische Gesundheitsminister, gibt derweil zu: Die Impfquote wurde „ja ein Stück weit geschätzt“. Na wenigstens ist er ehrlich. Für die allgemeine Impfpflicht ist er trotzdem. Wir könnten also unsere Zielquote schon längst erreicht haben, aber dann trotzdem eine Impfpflicht einführen, weil sich ein paar Statistiker verschätzt haben? Tja, dann ist das Zeug halt drin. Melanie Brinkmann behauptet parallel: „Die Bevölkerung ist zum großen Teil immunisiert.“ Immun ist natürlich das richtige Wort. Man kann sich zwar weiterhin anstecken und ist auch noch ansteckend und vielleicht landet man trotzdem auf der Intensiv, aber wenigstens ist man dann nach dem zehnten Booster ganz sicher immun, irgendwie.
Manuela Schwesig ist auch da, die SPD-Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern. Sie ist heute nur dafür zugeschaltet, ihre Kollegen irgendendwie zu verteidigen. Denn tatsächlich versammelt sich ein wenig Kritik an Karl Lauterbach in der Sendung, weil dieser bei der Impfpflicht nun doch keinen Antrag im Bundestag einbringen will (TE berichtete). Das Hin und Her sieht man tatsächlich auch bei Illner ein wenig kritisch. Schwesig springt dem Parteigenossen bei und sorgt für das Statement des Abends. Damit Sie Bescheid wissen, sie begründet Lauterbachs Entscheidung so: „Weil es so ein hohes Vertrauen, auch in der Politik, zu ihm gibt, auch parteiübergreifend. Aber in seiner jetzigen Entscheidung noch einmal zu sehen: Damit würde er die breite Debatte vielleicht von Anfang an zu sehr überstrahlen oder alleine führen, was er angeführt hat.“
Klar, würde Lauterbach seine Meinung sagen, wäre das quasi Wettbewerbsverzerrung. Dann würden ihm alle gleich folgen – das wäre unfair. Seine Autorität ist zu groß für das alles, wie nobel von ihm!
Nochmal Glück gehabt!
Anne Arend ist „Südwesteuropa-Korrespondentin“ beim ZDF und schildert aus Paris mit Eiffelturm im Hintergrund die Lage – in Spanien. Die investigative Frontberichterstatterin erklärt, warum das Land eine so hohe Impfquote hat (80 Prozent).
Man scheint beim ZDF wohl schon ein bisschen kalte Füße zu bekommen – was ist, wenn Spanien Corona wie eine Grippe behandelt (TE berichtete) und einfach nix passiert? Kein großes Massensterben, keine spanische Flüchtlingswelle auf der Flucht vor einer unverantwortlichen Regierung, keine explodierenden Köpfe und Long-Covid-Zombies? Für dieses Worst-case-Szenario will man beim ZDF strategisch gewappnet sein, deshalb kritisiert man die Regierung, lobt aber die Impfbereitschaft. Sollte der Schlimmstfall also eintreten und die Zahlen steigen nicht exorbitant, sondern sinken vielleicht sogar, dann waren es Pfizer und Astra, die den Tag gerettet haben, nicht die blöden Spanier, die zu viel Sonne abgekriegt haben.
Allerdings ist da auch das Segment, in dem man für eine Millisekunde die pure Angst erblicken konnte – Maybrit Illner hat wohl schon kurz ihr Leben in Bildern an sich vorbeiziehen gesehen. Als die ZDF-Korrespondentin schilderte: „Diese Gesundheitszentren, die ich schon angesprochen habe, wenn da Ärzte sagen oder empfehlen, sich impfen zu lassen, dann wird das auch gemacht“, wirft Illner nämlich ein sehr ernst ausgesprochenes „Unglaublich“ ein – was ja schon an Impfleugnung grenzt. Großer Fehler.
Sofort zickt ihr eine Frauenstimme entsetzt dazwischen: „Was ist daran unglaublich?“ Illner mimt ein Lachen und rechtfertigt sich sofort, es sei doch nur eine ironische Bemerkung gewesen. Nochmal Glück gehabt. Um ein Haar wäre Illner als rechtsextreme Impfgegnerin wohl in ihrer eigenen Sendung gecancelt worden. Da sie bei der Bemerkung nach rechts geschaut hat – wo nur Melanie Brinkmann saß – und sie die auch sofort danach dran nahm, wird sie es wohl gewesen sein, die so achtsam das Image der Impfung behütet.
Sie schimpft dann gegen Leute, die eine Infektion für wirksamer halten als die Corona-Impfung – schließlich wurden die Pocken doch mit der Impfung besiegt! Tja, mir war es zwar neu, dass die Ärzte von damals die Pocken ausgerottet haben, indem sie ihren Patienten alle paar Wochen die volle Dröhnung Astra in den Arm gejagt hätten, aber sie ist die Expertin. Das ist das Schöne daran, alle Leute, die nicht gegen Corona geimpft sind, als Impfverweigerer zu framen: Man kann ihnen von Esoterik bis zu mangelnder Impfkenntnis alles unterstellen und rund 30 Prozent der Bevölkerung pauschal etwas in den Mund legen, was Attila Hildmann bei Telegram geschrieben hat.
Damit aber noch nicht genug: Frau Brinkmann legt noch einmal großen Wert darauf zu betonen, wie gefährlich Corona doch immer noch sei – vor allem für uns. Wir sollten weiterhin sehr vorsichtig bleiben und keine großen Schritte wagen: „Wir sind davon noch sehr weit entfernt im Vergleich zu Spanien.“ Nun an dieser Stelle musste ich wirklich herzhaft lachen, und ich erzähle Ihnen auch gerne warum. Zurzeit kursiert ein etwas älterer Videoausschnitt im Internet, indem Melanie Brinkmann bei Lanz ein sehr fragliches Statement abgegeben hat. Sinngemäß rechtfertigte sie die Impfpflicht mit der besonders hohen Impfquote in Deutschland – da war sie der Meinung, dass damit auch eine übergroße Mehrheit quasi automatisch für die Impfpflicht gestimmt hätte. 77 Prozent derjenigen, die sich impfen lassen können, seien damals nämlich geimpft gewesen.