In seiner Haushaltsrede hat sich Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) gefeiert: Die Einnahmen des Bundes seien gestiegen und würden weiter steigen. Hinter dieser Jubelmeldung steckt ein Verständnis vom Staat, als ob dieser ein Unternehmer sei und ein Produkt verkaufe, das so erfolgreich war, dass die Einnahmen halt gestiegen sind. Wäre Lindner ein Liberaler, käme ihm vielleicht die Idee, dass mehr Einnahmen für den Staat für dessen Bürger mehr Ausgaben bedeuten – und weniger Möglichkeiten, den eigenen Lebenserhalt zu finanzieren oder gar in Unternehmen zu investieren, die mehr Wohlstand und auch mehr Steuern generieren.
Doch Finanzminister Lindner ruht sich auf den steigenden Einnahmen aus – obwohl selbst die nicht reichen, um mit den steigenden Ausgaben mitzuhalten: Ein Defizit in Höhe von 350 Milliarden Euro haben Bund, Länder, Kommunen und Sozialversicherungen in der Pandemie erwirtschaftet, wie das Statistische Bundesamt mitgeteilt hat. Im Jahr 2020 waren es 190 Milliarden Euro, von Januar bis Oktober 2021 kamen noch einmal 160 Milliarden Euro dazu.
1307 Milliarden haben die öffentlichen Kassen demnach in den ersten drei Quartalen 2021 ausgegeben, wie das Bundesamt mitteilt. 1146 Milliarden Euro haben sie eingenommen. Im Jahr 2019 kam im gleichen Zeitraum noch ein Überschuss von 19 Milliarden Euro zusammen. Die Zahlen von Ländern, Kommunen und Sozialversicherungen wirken noch relativ harmlos, weil der Bund geholfen hat, deren Lücken teilweise zu schließen.
Entsprechend verheerend ist die Bilanz des Bundes: In den ersten drei Quartalen 2019 hat der Bund einen Überschuss von 4 Milliarden Euro erwirtschaftet. 2020 brach dann die Finanzstabilität zusammen: Zu 94 Milliarden Euro Defizit kam es im Vergleichszeitraum. Diese erschreckende Bilanz steigerte der Bund im Folgejahr noch einmal um fast 30 Prozent: 122 Milliarden Euro betrug das Defizit des Bundes zwischen Januar und Oktober 2021.
Und wie reagiert der liberale Finanzminister darauf? Er feiert das staatliche Geldausgeben: „60 Milliarden Euro für Zukunftsinvestitionen sind ein Booster für die Volkswirtschaft“, sagte Lindner, als er knapp zwei Wochen vor Weihnachten den neuen Haushalt vorstellte. Mit diesen Investionen wolle der Staat „die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie nachhaltig bewältigen“.
Jetzt könnte man es sich leicht machen und sagen: Die Arbeitnehmer sollen im Sinne des Klimaschutzes zuhause bleiben und im Home Office arbeiten. Doch da kommt unter anderem die schlechte Netzversorgung Deutschlands ins Spiel. Die Marktforscher von Ookla haben jüngst die weltweite 5G-Abdeckung miteinander verglichen. Die Stadt Berlin landet da hinter Sofia, Athen oder Dublin. Und auch auf dem Land sieht es nicht besser aus. Da landet Deutschland hinter Rumänien, Slowenien oder den Philippinen. Selbst ein Land mit einer so schwierigen Topographie wie Finnland ist hier besser als Deutschland.
Doch was ist Lindners Hauptanliegen mit den angekündigten Investitionen: „Die Bundesregierung schafft damit die finanziellen Voraussetzungen, die Auswirkungen der Corona-Krise durch Investitionen in den Klimaschutz und die Transformation der Wirtschaft nachhaltig zu bewältigen“, heißt es dazu in der Pressemitteilung seines Ministeriums. Lindner sieht einen „kraftvollen Aufbruch in eine klimaneutrale und digitale Zukunft Deutschlands“.
Der liberale Finanzminister mag eine „Transformation“ des Staates in einer utopischen Zukunft sehen – doch in absehbarer Zeit wird er genug damit zu tun haben, die alte Gesellschaft zusammenzuhalten.