„Die Pandemie hat Geburtstag“, eröffnet Frank Plasberg die erste „Hart aber Fair“-Sendung des Jahres. Eigentlich, so der Moderator, hätte er gerne eine Rückblicksendung gemacht – zwei Jahre Coronavirus: Lehren aus einer schweren Zeit. Stattdessen wirkt die erste Ausgabe des neuen Jahres wie die zahlreichen Corona-Talks des letzten Jahres. „Es geht wieder los: Wie hart werden die Wochen mit Omikron?“ Ist der Diskussionstitel, unter dem Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), CDU-Politiker Thorsten Frei und die Hausärztin Anke Richter-Scheer sowie Süddeutsche Zeitung-Journalistin Antonie Rietzschel und Welt-Politikchefin Claudia Kade zusammenkommen.
Und so beginnt Lauterbach, sich in seiner unnachahmlichen Art durch die Sendung zu sinnieren. Die Maßnahmen seien notwendig, um mehr Zeit für Impfungen zu erhalten. „Die kontrollierte Ausbreitung wünschen wir nicht“, so der Gesundheitsminister. Aber man würde die Welle dämpfen und den Menschen einen Puffer geben, die noch nicht geboostert sind. „Wir lassen das Virus nicht durchlaufen.“
Welt-Journalistin Claudia Kade attestiert der Debatte eine veränderte Tonlage. „Auch Drosten wirkt jetzt etwas gelassener“, meint die Politikchefin des Springer-Blattes. Trotzdem habe sie sich erhofft, dass die Ministerpräsidentenkonferenz etwas mehr in die Zukunft geblickt hätte und nennt die vierte Impfrunde in Israel. „Ich erwarte eine Impf-Infrastruktur, die dauerhaft Bestand hat“ – man sollte jederzeit zur freiwilligen oder verpflichtenden (Booster)-Impfung gehen können.
„Wir ändern unsere Beschlüsse nicht, nur weil eine kleine Gruppe Druck macht“
Außerdem sitzt der erste parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei, in der Runde. Dass er die Opposition vertritt – darauf muss der Zuschauer erstmal kommen. Denn: „Die große Linie stimmt“, meint der Bundestagsabgeordnete. Die traute Einigkeit von Oppositionsführung und Regierung wird nur dadurch gestört, dass die Union gerne noch schneller und härter handeln würde. „Wir sind bei aller Kritik gut durchgekommen“, sagt Frei. Dort widerspricht ihm Welt-Journalistin Kade: Deutschland habe zwar die komplette Überlastung des Gesundheitssystems vermieden, doch besonders die Kinder und Jugendlichen hätten psychisch sehr gelitten. Lauterbach hakt direkt ein: „Haben Sie Studien, dass das so ist, weil wir strengere Maßnahmen haben?“
Dann driftet die Diskussion in einer Pflichtübung zu den Corona-Demonstrationen ab. Immer mehr Proteste auf Deutschlands Straßen gegen die Pandemie-Politik: SZ-Journalistin Antonie Rietzschel zeigt sich besorgt. Viele würden gegen den Staat protestieren, weil er nicht so handele, wie die Menschen es wollen. Diese würden sich dann in einer „Widerstandshaltung“ wiederfinden, erklärt sie. „Es geht um eine sehr starke Emotionalisierung“, sagt Rietzschel. Dadurch entwickele sich ein anderes Demokratieverständnis.
Dann wird emotionalisiert: Obligatorisch geht es um „Rechtsextreme und Reichsbürger“. „Der Staat muss die Mehrheitsmeinung respektieren“, sagt Lauterbach. „Wir ändern unsere Beschlüsse nicht, nur weil eine kleine Gruppe Druck macht.“ Frei betont, dass man in einer pluralen Gesellschaft lebe und seine Meinung frei äußern dürfe. Aber: „Der Staat darf nicht schwach erscheinen.“
Starker Staat, Impfen, böse Querdenker und der Lockdown gerade richtig: Die erste „Hart aber Fair“-Sendung des neuen Jahres scheint wie eine gesprungene Platte alle Muster der letzten Jahre zu wiederholen. Den Abschluss liefert Lauterbach mit einem Ausblick auf die mögliche vierte Impfung, sechs Monate nach dem Boostern. Alles andere bleibt außen vor, und die brutale Realität der Maßnahmen redet man sich, wie bei Jugendsuiziden, einfach weg. Wie schön, dass wieder Einigkeit herrscht zwischen Regierung, loyaler Opposition und Presse.