Israel verzeichnet aktuell die bis dato höchsten Corona-Infektionszahlen (positiv Getestete) seit Beginn der Pandemie. Die Fallzahlen scheinen ungebremst in die Höhe zu schnellen. Allein am Samstag wurden 19.418 neue Infektionen (positiv Getestete) gemeldet, ein Großteil davon mit der neuen Omikron-Variante. Die Todesfälle steigen indes kaum an, im Wochen-Mittel sterben in ganz Israel zwei Menschen am Tag an Corona.
Das einstige Lockdown-Musterland scheint auf diese Fallzahlen nun allerdings ganz anders zu reagieren, als es zu erwarten gewesen wäre. Bisher verhängte Israel stets schnelle und harte Lockdowns und Einreisebeschränkungen, wenn die Fallzahlen stiegen, und trieb eine Impfkampagne voran, die ihres Gleichen suchte. Jetzt hört man auf einmal ganz andere Töne: „Es gibt keine Kontrolle über die Omikron Welle.“, sagt etwa Sharon Alroy-Preis, Leiterin des öffentlichen Gesundheitswesens im Land im Gespräch mit dem Fernsehsender Kanal 13. Der Vorsitzende der israelischen Vereinigung der Ärzte für öffentliche Gesundheit, Hagai Levine, sagte gegenüber der Jerusalem Post: „Da Omikron so ansteckend ist, sind unsere Bemühungen, seine Ausbreitung zu stoppen, wahrscheinlich ziemlich aussichtslos“. Professor Eyal Shahar, einer der führenden Wissenschaftler Israels schrieb zu den neuen Erkenntnissen über Omikron gar:
„Wenn die Welt vor zwei Jahren von der aktuellen Hospitalisierungs- und Sterblichkeitsrate von Omikron gehört hätte, wäre das uninteressant gewesen und Omikron wäre als ein weiterer schwacher Grippestamm eingestuft worden.“
Schon seit einigen Wochen geistert in Jerusalem das Schlagwort vom „schwedischen Weg“ herum – Omikron könnte die Pandemie beenden.
Offenbar will man die Politik jetzt dahin ausrichten: Die erst jüngst eingeführte Einreisesperre wurden jetzt wieder aufgehoben, Schulen und Restaurants sollen trotz Rekordinzidenzen geöffnet bleiben. Es gibt keine Kontaktbeschränkungen mehr, auch Partys und Urlaubsreisen sind wieder möglich.
Zwar sind weiterhin gerade für Nicht-Geimpfte zahlreiche Maßnahmen in Kraft, die Bewegung ist dennoch ein Novum: In eine Corona-Welle hinein zu öffnen, ist gerade für Israel ein völlig neuer Ansatz. Erstmals unternimmt es nicht mehr den Versuch, die Welle zu brechen, sondern lässt sie kontrolliert durchs Land laufen. Israel ist damit das jüngste Beispiel aus einer Reihe von Ländern, die so auf Omikron reagieren – u.a. Großbritannien und Spanien. Mit dem Vorhaben, die Impfpflicht weiterhin durchzusetzen, stehen die deutsche, italienische und österreichische Regierung international ziemlich allein da.