Tichys Einblick
Genügend Gesprächsbedarf

Fatah-Chef Abbas besucht Israels Verteidigungsminister Gantz privat

Auf beiden Seiten dominieren praktische Interessen: Der Palästinenser-Chef braucht Geld, und Israels Verteidigungsminister weiß, dass Abbas das geringere Übel ist, verglichen mit jenen, die ihn ersetzen würden.

Israels Verteidigungsminister Benny Gantz

IMAGO / Xinhua

Das ablaufende Jahr kennt wenige gute Nachrichten. Das Treffen von Israels Verteidigungsminister Benny Gantz mit Palästinenser-Führer Mahmoud Abbas lässt verhaltene Hoffnung aufkeimen: Mitten in einer Terror-Phase von fast täglich versuchten Mordanschlägen aus der Westbank und Gaza. Willkommen in der Realität des Nahen Ostens.

In Israels Krankenhäusern liegen noch immer Verletzte aus jüngsten Terroranschlägen, und der frühere Generalstabschef öffnet sein privates Wohnzimmer für einen, den innerhalb und außerhalb Israels nicht wenige einen Erz-Terroristen nennen. Aber wie lautet ein Grundsatz in der Politik der Vernunft? Frieden kann man nur mit seinen Feinden machen, und deshalb muss man miteinander reden.

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Ein weiterer Lehrsatz in der Geschichte heißt: „Cherchez la femme“, im Nahen Osten geringfügig abgewandelt: „Cherchez l’argent“. Den Palästinensern geht das Geld aus, die lokale Nomenklatura wird seit einem halben Jahrhundert alimentiert, jetzt versiegen die Geldquellen aus den USA und vor allem von den muslimischen Brüdern aus den Golfstaaten. Lange hat es gedauert, aber langsam setzt sich die Erkenntnis durch, dass Geldzahlungen ohne Gegenleistungen die Nahost-Probleme verzögern und damit vertiefen, aber niemals lösen. Eine Erkenntnis, die sich in der EU und in Berlin noch nicht herumgesprochen hat. Deutschland ist nach wie vor größter EU-Zahler in palästinensische Kassen, ohne naheliegende Forderungen wie Verzicht auf Terror zu stellen.

Mahmoud Abbas hat sich zum ersten Mal seit 2010 in seinen gepanzerten Mercedes 600 nach Rosh Ha´ayin, auf die israelische Seite der „Grünen Grenze“ chauffieren lassen. Staufreie Fahrtzeit: 40 Minuten auf Straßen, die ausschließlich von Israel gebaut sind. Nach Ankunft wurden freundlich Geschenke ausgetauscht, berichtet das Protokoll, ohne Details zu nennen. Dann begann das Spiel „good cop, bad cop“. Der Gute heißt Gantz, der Böse Naphtali Bennett, sein Regierungschef. Er sei gegen die Begegnung gewesen, ließ das Büro des Ministerpräsidenten verlauten, aber er habe sich nicht durchsetzen können. Gantz hatte Abbas im August in Ramallah besucht, jetzt erfolgte der Gegenbesuch. Außer Bennett und Außenminister Lapid war kein Kabinettsmitglied vorab informiert.

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Ein Fest des Friedens – mit viel Gewalt
An Gesprächsthemen fehlt es nicht: Ohne die Finanzströme ist Abbas kein „Macher“ mehr, kann sein Klientel nicht mehr zufriedenstellen. Deshalb handelt Israel pragmatisch und verteilt politische Bonbons, die man „vertrauensbildende Maßnahmen“ nennt: 6.000 Palästinenser aus der Westbank erhalten eine israelische Aufenthaltserlaubnis in der Westbank. Damit Gaza nicht unerwähnt bleibt, gibt es den gleichen Stempel aus Jerusalem für 3.500 Palästinenser aus der dicht besiedelten Enklave am Mittelmeer. 1.100 palästinensische Geschäftsleute bekommen obendrein die Erlaubnis, auch mit ihrem PKW nach Israel zu fahren. Weiterhin fließen knapp 30 Millionen Euro an Mehrwertsteuer und Gebühren für Im- und Exporte.

Sämtliche Ein- und Ausfuhren werden von israelischen Kontrollpunkten aus gesteuert, wie es in den Oslo-Verträgen vor fast 30 Jahren festgelegt wurde. Israel hält diese Gelder seit Monaten zurück, weil PLO/Fatah an Familien der bei Anschlägen getöteten Terroristen hohe Pensionen bezahlt. Diese Unterstützung des Terrors sollte tunlichst vermieden werden, heißt es von der Gantz-Seite.

In den Kommuniqués stehen die üblichen, abgedroschenen Sprüche wie „man befasste sich mit der Schaffung eines politischen Horizonts, der zu einer politischen Lösung in Übereinstimmung mit den internationalen Gesetzen führen sollte“. Dafür kann sich Mahmoud Abbas nichts kaufen und die israelische Seite weiß: Wenn der alternde PLO-Chef ausfallen sollte, würde nichts Besseres, sicher nichts Friedlicheres nachwachsen. Genau das will Israel vermeiden und zahlt für das Leben des Feindes, der ein geringeres Übel personifiziert.

Auf die Schrei-Bänke springen auf beiden Seiten die üblichen Verdächtigen: Die Terror-Organisation Hamas nennt den Wohnzimmer-Treff einen „Dolchstoß für den palästinensischen Widerstand“ und aus Israels rechts-nationaler Ecke tönt es streng: „Ich würde keinen zu mir nach Hause einladen, der Mörder von Israeli belohnt.“ Dennoch, viele in der Acht-Parteien-Koalition und auch in der Bevölkerung Israels sind für Gespräche mit den feindlichen Nachbarn. Nicht-Reden bringt sicher nichts, Reden vielleicht etwas.

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