Tichys Einblick
Hinter den Blockupy-Protesten steckt mehr als Gewaltbereitschaft

Die EZB ist nur ein Anlass – Blockupy und Pegida sind Alarmrufe

Blockupy und Pegida haben im Kern mehr gemeinsam, als ihren Aktivisten bewusst ist. Die Anführer und Organisatoren beider werden meine Interpretation empört zurückweisen. Und natürlich sind ihre politischen Vorstellungen verschieden.

Die Köpfe von Blockupy wollen eine neue, eine andere Ordnung, nicht nur, aber vor allem der Wirtschaft, aktuell eine radikale Regulierung der Finanzwelt. Die Pegida-Anführer wollen die gute, alte Ordnung zurück, eine ohne Ausländer und Nichtchristen. Aber dass die Aktivisten von Blockupy und Pegida Tausende und Zehntausende heute auf die Straße bringen können, hat eine gemeinsame Ursache.




Beide repräsentieren und mobilisieren Gefühlsausbrüche gegen die Eliten von Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Medien, deren Verbindung mit dem Volk schwer gestört ist. Blockupy und Pegida versammeln Menschen, die sich von Politikern und Parteien ebenso wenig vertreten fühlen wie von Journalisten und Medien richtig interpretiert. Die sich von Managern und Unternehmern ausgenutzt und übervorteilt sehen. Die Gewerkschaften und Kirchen, Sozialämtern und Wohlfahrtsverbänden nicht über den Weg trauen. Die Banken und Versicherungen als kriminelle Organisationen einstufen, EZB und EU als Agenturen globaler Konzerne. Die Anhänger von Blockupy und Pegida sprechen den Institutionen und Organisationen von Gesellschaft, Wirtschaft und Staat ihr Misstrauen aus.

Wo anhaltend keine Kommunikation mehr funktioniert, kracht es. Das ist weder überraschend noch neu. Und doch muss es immer wieder dazu kommen, bevor die Eliten aufwachen. Den Prozess der Besinnung in den Eliten fördert die Gewalt auf der Straße nicht. Gewalt gegen Menschen und Sachen einzusetzen ist nicht nur illegal, sondern auch illegitim. Dass Blockupy die Polizei als Speerspitze ihres Feindbildes behandelt, veranschaulicht ihr Selbstverständnis der Systemfeindschaft. Dass Pegida so geordnet auftritt, dass die Polizei mit ihr keine Probleme hat, unterstreicht Pegidas Wunsch nach der Rückkehr zur – verklärten – guten alten Ordnung.


Pegida wurde in diesen Tagen in den Medien von Wissenschaftlern, Politikern und Journalisten schon totgesagt, bringt aber doch ein paar Tausend auf die Straße. Ob es bei Blockupy in Frankfurt bei etwa 10.000 bleibt, wissen wir noch nicht. Wie viele auf die Straße gehen, ist auch gar nicht maßgebend. Denn wir dürfen nicht übersehen, dass die Zahl jener Zeitgenossen dramatisch größer ist, die mit den Ansichten von Blockupy und Pegida sympathisieren – klammheimlich: Sie gehen nicht zur Demo und geben ihre Meinung auch bei Meinungsumfragen nicht preis. Aber sie werden Politiker und Parteien wählen, sobald es welche gibt, die ihre Gefühle radikal genug vertreten. Le Pen und Syriza sind überall möglich.

Wie gestört die Kommunikation nicht nur zwischen den Protestlern „da unten“ und den Machern „da oben“ ist, sondern auch innerhalb der Eliten, zeigt ein sprechender Hinweis von Werner D’Inka in der FAZ. Die EZB will bei ihrer Eröffnungsfeier, Anlass der Blockupy-Demonstration, nur den Hessischen Rundfunk und die Nachrichtenagenturen direkt zulassen, die Zeitungsjournalisten sollen das Ganze im Internet verfolgen. Begründung: Die EZB könne nur einer begrenzten Zahl von Teilnehmern die nötige Sicherheit garantieren. Das ist einerseits der freiwillige Beginn von Ausnahmezustand, zeugt andererseits aber auch von einem gestörten Verhältnis von Institution und Öffentlichkeit. Reicht mit der EZB heute, morgen auch anderen Institutionen der überwiegend unkritische Verlautbarungs-Kanal Fernsehen und Agenturen mit ihrer Hofberichterstattung? Zeitungen, vor allem regionale, haben einen Draht zum Volk, Öffentlich-Rechtliche Anstalten – höflich formuliert – kaum.

Blockupy und Pegida sind unübersehbar Symptom einer schweren Kommunikationsstörung zwischen unten und oben: soweit die Diagnose. Die Bringschuld einer wirksamen Therapie liegt bei den Eliten. Das dürfen sie bei der nur allzu berechtigten Zurückweisung von Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzung nicht übersehen. Immer wenn das in der Geschichte geschah, verlängerte und erhöhte es die Gewaltanwendung. Dass so viele Menschen sich im öffentlichen Diskurs mit ihren Meinungen und Anliegen nicht vertreten sehen, dem müssen sich die Eliten in einer offenen und anhaltenden öffentlichen Debatte stellen. Welchen Bedarf es dafür gibt und welche Bereitschaft, daran mitzuwirken, zeigt der Blick in Social Media.

Sehen Sie auch das Interview mit Roland Tichy und Stephan Lamby von Dbate – Thema: „Die EZB ist vom Retter zum Monster geworden




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