Auf meine kluge Gefährtin machte der Arzt und Sozialarbeiter Dr. Trabert den besten Eindruck. Weil er nah dran war. Weil er hilft. Und weil es schließlich um die Kriegsopfer geht. Am zweitbesten schnitt Jürgen Todenhöfer ab, der aus dem dunklen Nichts zugeschaltet wurde, im Hintergrund blitzten vereinzelt Autoscheinwerfer auf. „Waffenruhe in Syrien, Hoffnung für Frieden, Herr Todenhöfer?“
Jürgen Todenhöfer hat mit Rebellen und anderen Menschen gesprochen. Und alle, mit denen er sprach, sind des Krieges müde. Man muss jetzt die Strippenzieher angehen, forderte der ehemalige Richter, Verlagsmanager und derzeit irgendwie auf den Spuren von Peter Scholl- Latour Wandelnde: „Die Saudis und die USA, und jetzt auch Russland.“ Auf die Hintermänner komme es an.
Wer aber sind die Hintermänner und was wollen die? Diverse Hauptstädte wurden aufgezählt, wo die sitzen: Teheran, Ankara, Washington, Riad, Moskau, Damaskus. „Wer bombardiert denn jetzt Aleppo?“ will meine Gefährtin wissen, der nach der Sendung verständlicherweise der Schädel brummt.
Einer saß am Tisch, der das eigentlich ganz genau wissen könnte. General a.D. Domröse. „In unserem System können Sie alles sehen, jede Kugel nachweisen, wer sie wann und wo abgefeuert hat.“ Der General sieht sich als Handwerker der Sicherheit, der Konflikte lösen kann, wenn nur die Politiker nicht wären. Seine Zunft schaffe „Secure Environments“. Deshalb wollen wir ihn ab jetzt „Dschännerel“ nennen, schließlich steht er letztendlich in Diensten von JuEsEi und Neito. Aber wirklich sagen tut der Dschännerel nichts.
Weswegen Sahra Wagenknecht (wir haben schon früher klargestellt: Jede Talkshow, die ist schlecht, ohne Sahra Wagenknecht) eine Kollegin gebeten hatte, mal den BND zu fragen, wer da was in Syrien treibt. So haben wir heute gelernt, dass es eine Geheimschutzstelle des Bundestages gibt, in der Abgeordnete in manches Einblick nehmen können. Leider dürfen die aber nichts darüber sagen.
So bleibt uns nichts anderes übrig, als uns selbst ein Bild zu machen, indem wir uns die Teilnehmer der Illner-Show und ihre Motivation genauer ansehen. Sahra sieht die Sache so: Die Amerikaner wollten eine Pipeline durch Syrien bauen, um Erdgas Richtung Europa zu pumpen. Und weil Assad das nicht zuließ, wurde aus dem Partner Assad der Schlächter Assad.
„Verschwörungstheorie“ schimpfte Elmar Brok, der für CDU und EU am Tisch saß, und Schnappatmung bekam wie einst Deutschlands bester Journalist Horst Schlämmer. „Mit Ihren paar Prozentpunkten kriegen Sie reichlich viel Redezeit!“ „Über Prozente sollten Sie besser nicht reden,“ konterte die rotgewandete Sahra. „Bis 2004 haben Sie mit Assad noch als Partner kooperiert.“ Und die Partner Saudi-Arabien und Iran seien ja auch feine Freunde, was Menschenrechte angeht. Man habe zu viel mit Diktatoren gemacht, räumte Brok ein, aber in Syrien hätten sie nicht eingreifen dürfen, wegen des UN-Vetos der Russen. Als könne die EU, unfähig die eigenen Grenzen zu schützen, irgendwo „eingreifen“.
Einer der Gäste kam direkt aus der Region, der Doppelstaatsbürger Ozan Ceyhun. Dessen bewegte politische Vergangenheit führte ihn von den deutschen Grünen über die SPD schließlich zu Erdogan. Scheint kein allzu großer Sprung gewesen zu sein. Es folgen drei Sätze, eine Meinung: „Die Türkei will vor allem Frieden in Syrien“, „Die Türkei bekämpft IS und PKK“, und „Die Türkei war bei den Waffenstillstandsgesprächen mit am Tisch.“
Wir wollen nicht immer Sahra zitieren, denn irgendwie war das doch Common Sense: Die Türkei hat den IS unterstützt, mit Logistik und Waffen, und bombardiert Kurden in der Türkei, Syrien und im Irak.
Dann war da noch Sylke Tempel, und unwillkürlich kam beim Namen Tempel der assoziative Gedanke auf: Wieso werden eigentlich Positionen und Interessen der größten Militärmacht in der Region komplett ausgeklammert?
Frau Tempel wurde als Politikwissenschaftlerin, Nahost-Expertin und Chefredakteurin vorgestellt, und sieht vor allem Russland als Schuldigen der Syrien-Katastrophe, weil Putin Assad schütze. Und Assad habe den arabischen Frühling mit Fassbomben bekämpft und sei damit der Anfang allen Übels.
Nun darf man von einer Talkshow nicht zu viel erwarten, vor allem nicht zu einem komplexen Thema, bei dem kein Interessenvertreter mit offenen Karten spielt, und eigentlich nur Stimmung gemacht wird. Auch auf die Frage: „Wer bombardiert denn jetzt Aleppo?“ kann man nur antworten: Die einen sagen so, die anderen so. Recht hat am Schluss der Sieger des Krieges.
Ein Verlierer steht aber wohl schon fest. Die Kurden. „Ein ganz mieses Spiel“ sei mit denen gespielt worden, so Sahra. Als man Bodentruppen brauchte, wurden sie benutzt, für die Jesidenbefreiung gefeiert, und nun im Stich gelassen gegen Erdogan. „Die Kurden erobern auch nicht-kurdisches Gebiet“ warf Brok noch schwach ein. Aber mit Kurdistan wird’s wohl nichts. Vielleicht eher so was wie der Freistaat Sachsen.
Die Waffenruhe, die Russen und Amerikaner nun vereinbart haben, wurde von allen gelobt. Der Dschännerel holte noch einige pessimistische Zahlen aus der Tasche: Kosovo 25 Jahre, Afghanistan 15. Solange dauert es, bis Frieden kommt. Man spreche in Dekaden.
Und was bei Illners Stammtischrunde geschwätzt wurde, ist so egal, als ob in China ein Sack Reis umfällt. Oder ob Angela Merkel irgendwas zu irgendwas sagt.