Im britischen Unterhaus wurde der neue Gesetzentwurf zu Staatsangehörigkeit und Grenzen in dritter Lesung mit 298 zu 231 Stimmen angenommen. Damit hat der Gesetzentwurf von Innenministerin Priti Patel das Haus passiert und muss nun nur noch vom Oberhaus beschlossen werden, in dem auch schon die erste Lesung stattgefunden hat.
Regierungsmitglieder beschreiben das Gesetz als Eckpfeiler für einen „Neuen Einwanderungsplan“ (New Plan for Immigration), durch den das „kaputte Asylsystem“ des Landes repariert werden soll. Seit dem Sommer diskutierten Politik und Öffentlichkeit den Gesetzentwurf, mit dem die Regierung auf die anhaltende „Krise der kleinen Boote“ im Ärmelkanal reagiert. Vor allem der Menschenrechtsausschuss des Unterhauses übte Kritik, weil das neue Gesetz es Migranten ohne Visum schwerer machen soll, Asyl in Großbritannien zu bekommen.
Am 6. Dezember wurden umfangreiche Änderungen am Gesetzestext veröffentlicht, darunter eine neue Klausel, die die Aberkennung der britischen Staatsangehörigkeit bei Doppelstaatlern und Briten, die im Ausland geboren wurden, erleichtern soll. Die Aberkennung bleibt dennoch nur bei Terrorgefährdern oder Kriegsverbrechern möglich. Doch sogar konservative Abgeordnete wie der ehemalige Brexit-Minister David Davis sehen hier Missbrauchspotential und schlugen Änderungen an der Klausel vor: „Sie mögen ja keine guten Menschen sein, aber dann sollten wir sie vor eines unserer Gerichte stellen und sie bestrafen.“
Laut der offiziellen Titulatur des Unterhauses enthält der „Nationality and Borders Bill“ Regelungen zu Staatsangehörigkeit, Asyl und Immigration, trifft Vorkehrungen für die Opfer von Menschenschmuggel und Sklaverei und einige andere Gegebenheiten. Das Innenministerium will mit dem Gesetz die folgenden Ziele erreichen:
1. Illegale Einreisen in das Vereinigte Königreich sollen erschwert werden, so sollen die Schleppernetzwerke sollen ausgehebelt und Menschenleben gerettet werden.
2. Diejenigen Migranten, die sich schon unrechtmäßig im Land befinden, sollen leichter ausgewiesen werden können.
3. Schließlich soll so das britische Asylsystem einfacher und effizienter werden – auch um denen, die wirklich Asyl benötigen, besser helfen zu können.
Das britische Asylsystem gilt der Regierung als zu behäbig und kostspielig. Die Kosten für Verfahren, Unterbringung und Versorgung der Antragsteller werden mit einer Milliarde Pfund im Jahr beziffert. Derzeit seien mehr als 10.000 ausländische Straftäter im Land, die bisher unter den geltenden Regeln nicht abgeschoben werden konnten. Außerdem sind derzeit mehr als 50.000 Asylverfahren unabgeschlossen.
Der November hatte Rekordzahlen an der britischen Kanalküste gesehen. Zum Teil waren mehr als 1.000 Migranten am Tag angekommen. Ende des Monats sorgte dann eine waghalsige Überfahrt, bei der 27 Menschen tödlich verunglückten, für Aufsehen und letztlich für Ärger zwischen Paris und London.
Macron beklagt Bedingungen in Calais, Zemmour die Untätigkeit Frankreichs
Ermöglichen will Patel mit dem neuen Gesetz, dass Boote im Kanal „umgedreht“ werden können, obwohl diese Lösung auch in Großbritannien viele Gegner hat und mitunter als völkerrechtswidrig hingestellt wird. Die Regierung widerspricht solchen Einwänden. Die Neuregelung entspreche den internationalen Verpflichtungen des Landes.
Im Unterhaus sagte Patel: „Illegale Migration wird von organisierten Kriminellen ermöglicht, die Menschen ausnutzen und vom menschlichen Elend profitieren.“ Daneben stehe die illegale Migration im Gegensatz zum nationalen Interesse des Landes, weil die damit verbundenen „kriminellen Banden und Netzwerke auch für andere illegale Aktivitäten verantwortlich sind, darunter der Handel mit Drogen, Feuerwaffen und sehr ernstzunehmende Gewaltverbrechen“. Man müsse das Geschäftsmodell der „bösen Menschenschmuggler“ brechen. Ebenso wenig dürfe man sich als Land gefallen lassen, dass „skrupellose Personen“ sich als Kinder ausgeben, um Vorteile zu erlangen. So würden auch die Höchststrafen ebenso für die Einschleusung illegaler Migranten wie für die illegal1e Einreise an sich durch das Gesetz erhöht.
Derweil wies der französische Präsident Emmanuel Macron darauf hin, Migranten lebten unter „fürchterlichen Bedingungen“ an der Küste bei Calais, weil sie „britischen Boden“ erreichen wollten. Erneut forderte Macron die Einrichtung von Asylzentren an der Kanalküste. Macrons Herausforderer Éric Zemmour sagte, dass die Migranten unter seiner Präsidentschaft die französische Kanalküste gar nicht erst erreichen würden.
Da die britische Regierung einstweilen noch nicht mit solchem Entgegenkommen seitens der französischen Nachbarn rechnen kann, hat man weitere Regelungen in den Gesetzentwurf aufgenommen. So will man die illegalen Bootsmigranten in Offshore-Asylzentrum in „sicheren Drittländern“ bringen und hat mit dem Entwurf – ähnlich wie zuvor Dänemark – die rechtlichen Bedingungen dafür geschaffen. Zuletzt war Albanien als Gastland für ein solches britisches Zentrum im Gespräch, ohne dass ein Abkommen in greifbarer Nähe läge. Vielmehr bestritt der albanische Premier derartige Berichte vehement. Dennoch bereiste Innenministerin Priti Patel zuletzt auch das Balkanland, um – wie es hieß – die Schlepperkriminalität zu bekämpfen. Patel ist auch weiterhin mit ihren Pendants vom Kontinent im Gespräch, um den Schleppern das Handwerk zu legen.